• 04.04.2016 15:35

  • von Roman Wittemeier

LMP1-Regelwerk 2018: Das große WEC-Dilemma

Technologie im Vordergrund, neue Hersteller im Hinterkopf: 'Motorsport-Total.com'-Redakteur Roman Wittemeier über die Sorgen bei der Suche nach LMP1-Regeln

Titel-Bild zur News: Porsche

Kosten bereits gesenkt: Die LMP1-Teams haben nur noch 43 Testtage pro Jahr Zoom

Liebe Freunde des Hybridboosts,

die WEC geht bald in ihre fünfte Saison. Seit dem Start im Jahr 2012 erlebt die Szene einen konstanten Aufschwung. Dies ist sicherlich einerseits dem großartigen Sport mit verschiedenen Fahrzeugklassen auf den Strecken zu verdanken, auf der anderen Seite aber auch dem Alleinstellungsmerkmal schlechthin: der Freiheit bei der Entwicklung von Autos, Antrieben und Technologien in der LMP1-Klasse.

Die Topkategorie der Le-Mans-Prototypen steht auch in unserer Berichterstattung stets im Fokus. Die LMP1-Raketen von Audi, Porsche und Toyota üben auf technisch interessierte Fans eine hohe Faszination aus, gleichzeitig bietet die Klasse mit ihren unterschiedlichen Konzepten sehr häufig auch tolle Kämpfe auf der Strecke. Motorsportfan, was willst du mehr? Mehr LMP1-Hersteller! Und genau an dieser Stelle hakt es.

Immer wieder ist von Interesse seitens Peugeot, Mazda oder beispielsweise BMW zu hören - schon seit Monaten oder sogar Jahren. Aber wo bleibt die neue Konkurrenz für die drei Platzhirschen? Im Moment lieber noch zu Hause. Das hat einen wichtigen Grund: die enormen Kosten. Wer heutzutage in den Wettbewerb mit Porsche treten möchte, muss beim Budget auf ähnlichem Niveau spielen. Da sprechen wir von 200 Millionen Euro pro Jahr - mindestens.

2018 ist Ein- und Ausstiegspunkt zugleich

Mit dem veränderten LMP1-Reglement zur Saison 2018 möchten FIA und ACO das Tor für neue Hersteller weit aufstoßen. "Man muss etwas anbieten, bei dem die Hersteller sagen: 'Ja, da wollen wir sein.' Dabei geht es nicht nur um das Reglement. Es geht um die finanziellen Bedingungen", erklärt WEC-Promoter Gerard Neveu völlig zurecht. Allerdings tut sich die Szene schwer, die Bedingungen tatsächlich derart zu gestalten.

Dem Franzosen ist klar, dass das neue Reglement 2018 nicht nur einen möglichen Einstiegspunkt für potenzielle LMP1-Neulinge darstellt, sondern der Schuss auch in die andere Richtung losgehen kann. "Wenn jemand reinkommen möchte, dann sollte er es dann tun. Gleiches gilt dafür, wenn jemand aussteigen möchte", gibt sich der WEC-Boss realistisch. Was passiert denn, wenn Audi wirklich Ende 2017 den Stecker zieht?

Gerard Neveu Pierre Fillon

Haben die Zukunft im Blick: WEC-Boss Neveu und ACO-Präsident Fillon Zoom

Für diesen Fall muss man jetzt schon vorsorgen und die LMP1-Klasse mit weiteren Werksteams auf stabile Beine stellen. Dafür braucht es einen schmerzhaften Spagat. Das Regelwerk darf die Alleinstellungsmerkmale der Szene nicht vernichten oder verwässern, sondern die große Technologie-Show muss für alle finanzierbar sein. Das ist der Grund, warum das Thema Kostenreduktion seit Monaten mehr Raum einnimmt als Diskussionen über die Energiezuweisungen.

Kostensenkung: Wo gibt es weitere Stellschrauben?

Die Testtage sind bereits auf 43 beschränkt. Dieser Wert ist dermaßen knapp bemessen, dass Porsche derzeit hart darum kämpft, für einen nicht durchgeführten Aragon-Test eine entsprechende Gutschrift zu bekommen. Aus Kostengründen hat man zudem die Windkanalstunden, die Anzahl von Aeropaketen pro Jahr und die Mannschaftsstärken an den Rennstrecken begrenzt. In all diesen Bereich ist man am unteren Limit. Und dennoch: Mit weniger als 100 Millionen Euro ist kein Blumentopf zu gewinnen.

Wo sind also weitere Stellschrauben? In den vergangenen Wochen wurde darüber offen diskutiert. Es entstand die Idee, in der LMP1-Klasse eine Art Tokensystem einzuführen, wie man es in der Formel 1 bezüglich der dortigen V6-Turbo-Hybridantriebe hat. Von Porsche und Audi ist zu hören, dass man sich mit einem solchen System nicht anfreunden mag. "Ist für mich einfach nicht anwendbar", meint Audi-Technikleiter Jörg Zander.


Highlights: WEC Prolog in Le Castellet

Video-Eindrücke vom WEC Prolog in Le Castellet: Neue Autos, neue Teams und faszinierende Technik!

"Der Konflikt ist folgender: Es gibt es das Bestreben nach weiterem Ausbau der Technologie, auf der anderen Seite aber den Wunsch nach Kosteneinsparungen. Darüber hilf ein Tokensystem nicht hinweg", sagt der Rheinländer. "Wenn ich ab 2018 die 10-MJ-Klasse und die Möglichkeit für ein drittes ERS schaffen will, dann muss so etwas doch irgendwoher kommen. Das muss man entwickeln." Dies entspricht den Tatsachen, hilft aber keineswegs bei der Lösung des grundlegenden Problems. Es ist ein Dilemma.

Bitte kein Tokensystem mit BoP-Charme

Der Gedanke an ein Tokensystem ist aus meiner Sicht vielleicht nicht umwerfend charmant, aber zumindest ein Denkansatz, den man weiterspinnen sollte. Allerdings in Grenzen. Mit einer höheren Anzahl Token könnte man einen Einstieg für potenzielle neue LMP1-Hersteller attraktiver gestalten. Die Kosten blieben zwar hoch, aber zumindest hätte man bessere Aussichten bei einer technischen Aufholjagd, um möglichst zeitnah konkurrenzfähig zu sein.

Was meiner Meinung aber niemals passieren sollte, ist die Umsetzung eines Vorschlages, der in den vergangenen Sitzungen tatsächlich auf dem Tisch lag. Demnach sollen die Anzahl Token abhängig sein von der jeweiligen Position in der WM. Klartext: Wer schlecht entwickelt hat, darf mehr nachlegen - egal, ob Neueinsteiger oder etablierter LMP1-Hersteller. Ein solches System würde eine vertuschte Balance-of-Performance darstellen. Für mich neben DRS eine der Krankheiten im heutigen Motorsport. Diese Geister wird man nämlich nie wieder los, wenn sie einmal eingenistet sind.


Fotos: WEC-Prolog in Le Castellet


Auf eine schöne WEC-Saison 2016 und spannende Kämpfe auf und neben den Strecken!

Viele Grüße,

Roman Wittemeier

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