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  • 23.09.2010 11:03

  • von Pit Lane

Le Mans und der französische Zentralismus

'Motorsport-Total.com'-Kolumnist Pit Lane über die Allmacht des Le-Mans-Veranstalters ACO und den schleichenden Tod der ALMS: "Art of Sarthe"

Liebe Freunde der Porsche-Kurven,

Titel-Bild zur News:

Die 24 Stunden von Le Mans sind und bleiben das Highlight des Jahres

freut euch auf das Petit Le Mans, denn dort wird es wieder tollen Sport geben! Endlich können die Amis mal wieder erleben, wie richtiger Prototypensport läuft. Audi und Peugeot zeigen den Sportsfreunden im "Land der unbegrenzten Möglichkeiten" mal die Grenzen auf. Wenn überhaupt einer mithalten kann, dann dürfte das mit etwas Glück der gute Lord Drayson sein. Mate, ich drücke dir die Daumen!

Die gesamte Szenerie ist allerdings nicht nur zur Belustigung der stolzen Europäer gedacht, sondern es kommt eine deutliche Tendenz der vergangenen Jahre zum Ausdruck: Das Le-Mans-Spiel ist außerhalb unseres Kontinents nicht mehr attraktiv. Dabei war das alles mal ganz anders, in den "good old Days", die gar nicht mal so weit zurück liegen.#w1#

Ich erinnere mich zum Beispiel an die wilden Auftritte mit dem amerikanischen Panoz, an die entschlossenen, aber mehrfach auch glücklosen Auftritte der japanischen Nissans oder Totoyas. Le Mans war mal Schmelztiegel der weltweiten Prototypenszene - mit Bastlern, Idealisten und Hightech-Herstellern. Aber warum ist das vorbei? Die Antwort: Shit happens!

In Japan ging einfach zu viel schief in den vergangenen Jahren. Wie in der Formel 1 ziehen die Vorstände bei Misserfolg den Stecker, putzen sich den Mund ab und machen erstmal mit dem Kerngeschäft weiter. Nur noch vereinzelt durften japanische Teams die Le-Mans-Herzen der Landsleute höher schlagen lassen. Nun ist aber auch das vorbei.

In der japanischen Öffentlichkeit hat Le Mans immer noch das Standing wie in meiner Heimat, UK. Die echten Petrolheads aus Japan und England sehen an der Sarthe jedes Jahr das größte Autorennen der Welt. Richtig so! Umso schlimmer für die japanischen Freunde, dass nun sogar Teams wie Dome die Segel streichen mussten. Dabei hatten die mit dem S102 ein richtig feines Automobil.

Schade: Dome hatte mit dem S102 ein schickes und solides Auto gebaut Zoom

Mir kamen fast die Tränen, als ich den offenen Brief von Dome-Gründer Minoru Hayashi an die Fans gelesen habe. "Aus dem Herzen heraus will ich schreien 'Danke, Le Mans!', aber nun ist es Zeit für uns zu gehen", klagt er in einem Schriftstück, dass voller Emotionen und Stolz steckt. "Mich macht es einfach krank, wenn ich daran denke, dass wir nur Niederlagen kassieren konnten", meint der Japaner und zieht sich leise zurück.

Nur die Universität von Tokai hält nun ab und zu die japanische Flagge hoch. Beim ILMC-Rennen in Zhuhai wollen die Freunde der Technikschule wieder dabei sein. Ich glaube es erst, wenn ich sie auf der Strecke sehe. Diese gesamte Entwicklung ist schlimm. Man kann nur hoffen, dass Toyota schon bald wieder so große Gewinne schreibt, sodass sie nicht mehr wissen, was sie mit der ganzen Kohle anstellen sollen.

Die Amerikaner waren derweil der Meinung, sie müssten in der ALMS unbedingt vom Reglement des ACO abweichen. Ein absoluter Schuss ins Knie - nicht mehr, nicht weniger. Die Entwicklung der vergangenen Jahre zeigt deutlich, in welche Richtung die ALMS marschiert. Aus meiner Sicht wird die Serie nicht mehr lange überleben - dagegen kann sich Boss Scott Atherton kaum wehren.

Pit Lane

I'm amused: Über die Kurzsichtigkeit der Amis kann ich nur noch lachen Zoom

Die Umgestaltung der Klassen in Amerika war doch nur Augenauswischerei. Wie ist die Situation? Wenn die Amis Glück haben, dann stehen bei einem normalen Event fünf bis sechs Prototypen am Start. Nicht vergessen: Das sind dann LMP1 und LMP2 zusammen! Und was passiert? Klaus Graf und Co. fahren Intersport und Kollegen mit einem fünf Jahre alten Porsche RS Spyder - einem ehemaligen LMP2-Auto - um die Ohren. Unbelievable!

Stolz erzählt ALMS-Macher Atherton, dass sich viele Teams in der neuen LMPC pudelwohl fühlen und bestimmt bald in die große Prototypen-Klasse aufsteigen. Wie soll das gehen? Solch ein ORECA-Standardfahrzeug kostet im Vergleich zum Lola-LMP1-Chassis einen Flaschenpfand. Woher sollen die Teams also das liebe Geld nehmen? Ganz zu schweigen davon, dass die LMPC-Truppen sich ohnehin nur durch Paydriver tragen können.

Rechnen wir mal Klartext: Wenn man die Pseudo-ALMS-Klassen LMPC und GTC abzieht, dann stehen in diesem Jahr gerade mal knapp 20 Autos im Feld - und das bei der boomenden GT2-Weltlage! Gleichzeitig will man uns erzählen, dass die Serie den Trend nach unten gestoppt haben will. Was für ein Bullshit! Und es kommt demnächst noch schlimmer.

US-Kämpfer im Auslandseinsatz: Wenigstens Corvette findet nach Le Mans Zoom

Der ACO setzt gerade die letzten Nadelstiche, um die ALMS zu zähmen. Mit dem neuen Reglement öffnet man der Hybridtechnik die Türen, sodass Europa das Zentrum der Entwicklung bleibt. Und der Hammer ist der Le-Mans-Vortest, den es ab dem nächsten Jahr wieder geben wird. Der wird in etwa vier Wochen vor dem 24-Stunden-Rennen stattfinden, also Mitte Mai.

Weil die Amis natürlich möglichst keinem Team auf dem Weg nach Le Mans Steine in den Weg legen möchten, setzt die ALMS während der französischen Partywochen aus. Konsequenz: Es wird elf Wochen lang kein ALMS-Rennen geben! Atherton weiß noch gar nicht, was er mit der ganzen Zeit anfangen soll. Jetzt will er Tests ermöglichen und kleine Sprintrennen veranstalten, die eher an Clubrennen erinnern. Das wird die American Le-Mans-Series im Jahr 2011!

Der alte Le-Mans-Hase Henri Pescarolo hat das kürzlich schon richtig auf den Punkt gebracht: Die amerikanische Serie ist dem Tod geweiht, weil Europa das Zepter komplett wieder übernimmt. Mit dem neuen ILMC bekommen die Amis ihre Glanzlichter in Sebring und beim Petit Le Mans, ansonsten werden die ALMS-Leute vielleicht mit ein paar Autos ein Rahmenrennen an IndyCar-Wochenenden bestreiten.

Jean-Claude Plassart und sein ACO bestimmen eindeutig die Richtung Zoom

Was wird am Ende übrig bleiben? Genau das, was der mächtige ACO sich wünscht: Eine weltweite Serie mit Prototypen und GT-Sportwagen verschiedener Hersteller, die vielleicht irgendwann wieder einen WM-Status bekommen wird. Die ALMS wird nicht mehr sein, die LMS bleibt Testspielwiese für Hersteller und Wochenendspaß für private Teams und im Zentrum steht eines: Der ACO und sein Rennen in Le Mans - sonst nichts!

C'est la vie!


Pit Lane