Le-Mans-Siegertrio: Wenn Ehrlichkeit schnell macht
Der dreimalige Le-Mans-Sieger Marcel Fässler über das wichtige Zusammenspiel von drei Piloten auf dem Weg zum Erfolg: "Unter schwierigen Umständen ein Vorteil"
(Motorsport-Total.com) - Tom Kristensen ist und bleibt mit seinen insgesamt neun Gesamtsiegen beim 24-Stunden-Klassiker der berühmte "Mister Le Mans" - daran ändert auch die Ende der aktiven Fahrerkarriere nichts. Dennoch gibt es im Lager von Audi drei Kandidaten, die noch längst nicht satt sind. Marcel Fässler, Benoit Treluyer und Andre Lotterer wollen nach ihren drei Triumphen innerhalb von nur vier Jahren (2011, 2012 und 2014) weitere Erfolge an der Sarthe einfahren. Perfekte Harmonie innerhalb der Mannschaft soll auf diesem Weg helfen.
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Haben in vier Jahren dreimal in Le Mans gewonnen: Treluyer/Lotterer/Fässler Zoom
"Unser großer Vorteil ist, dass wir drei uns sehr gut kennen und daher genau wissen, wer unter welchen Voraussetzungen am besten funktioniert", schildert Fässler im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com'. Man habe "ganz automatisch" zu einander gefunden. "Als wir 2010 zu Audi gekommen sind, hat es sofort super harmoniert. Diese Harmonie haben wir heute noch. Das Gute ist, wenn es bei einem mal nicht ganz optimal läuft, dass wir dennoch zueinander stehen. Das gibt Rückhalt, man kann den Kollegen vertrauen."
"Es gab mal Zeiten, wo es bei mir mal nicht ganz so lief, oder beim Ben, oder der Andre hatte mal ein schlechteres Rennen - was sehr selten ist -, aber diese Schwankungen machen nicht viel aus. Man wird nicht von den Kollegen kritisiert oder runtergemacht", sagt der Schweizer. "Wenn einer von uns das Auto mal im Rennen versenkt, was immer mal passieren kann, dann geht man eben hin und sagt: 'Kann jedem passieren' - es sind so Kleinigkeiten."
Die große Stärke: Kleine Schwächen zugeben
Fässler/Treluyer/Lotterer bilden nicht nur zu dritt eine feste Einheit, auch die langjährige Renningenieurin Leena Gade spielt in diesem Gefüge eine wichtige Rolle. Es gibt keine Reibereien, es gibt blindes Verständnis und eine gemeinsame Marschroute. "Ob es sportlich ein Vorteil ist? Schnell fahren muss man immer", sagt Fässler. "Unter normalen Umständen macht es vielleicht nicht viel aus, aber unter schwierigen Umständen ist der Vorteil größer."
Zur Harmonie im Team gehört große Offenheit inklusive der Stärke der Einzelnen, den anderen gegenüber auch mal Schwächen zuzugeben. "Keiner mag es, langsamer zu sein als andere. Aber bei uns ist es halt so, dass wir gut damit leben können, wenn mal einer einen schlechten oder besonders guten Tag dabei hat. Wir schätzen uns ehrlich in jeder Situation ein und riskieren nicht, in solchen Situationen das Auto zu verlieren", sagt der Vater von vier Töchtern.
"Ich habe es außerhalb von Audi schon erlebt, dass es einem Fahrer am wichtigsten war, der schnellste von drei Kollegen zu sein. Das ist nicht produktiv. Man muss zusammen schnell sein, damit es produktiv wird", erklärt Fässler das Erfolgsrezept. "Es gibt Situationen, wo man für das Qualifying geplant ist, aber sich nicht ganz so gut fühlt. Da sagen wir jederzeit, dass der jeweils andere fahren soll. Oder wenn jemand an einem Tag den Start nicht gern fahren möchte, dann wechselt man halt."
"Es gab auch umgekehrt schon Situationen, wo ich nicht für das Qualifying geplant war, aber mich besonders gut gefühlt habe. Zum Beispiel 2014 in Sao Paulo: Ich mag die Strecke, dort bin ich gut und fühle mich wohl - da haben wir gewechselt. Das war gut", erklärt er. "Es ist nicht immer einfach, sein Ego zurückzunehmen. Aber für die Stimmung ist es extrem wichtig. Wenn die Stimmung schlecht ist, kann sich niemand zu hundert Prozent entfalten. So funktioniert es bei uns bestens."
Echte Freunde: Keine Zweckgemeinschaft auf Zeit
"Wir spielen uns da nichts vor, müssen da nichts krampfhaft erarbeiten. Es passiert ganz automatisch. Wir sind immer ehrlich, sagen immer, was wir denken. Das ist seit 2010 schon so. Es brauchte gar keinen Aufwand, um miteinander zurechtzukommen", meint Fässler, der das Gefüge als "natürlich gewachsen" ansieht - nicht als Zweckgemeinschaft auf Zeit. "Wir machen auch abseits der Rennstrecken recht viel zusammen. Nicht, weil wir das müssen, sondern weil wir einfach Spaß haben."
"Wie oft schon sind wir nach Tests in Sebring anschließend zusammen noch ein paar Tage in Miami geblieben und haben Spaß gehabt? Nicht mit dem Hintergrund Teambuilding, sondern ganz natürlich, weil wir Freude daran haben", sagt der Schweizer. "Das war schon so, als Andre und ich zum ersten Mal zu einem Audi-Test nach Sebring kamen. Da haben wir beschlossen: 'Wir sind bei Audi - wie geil. Das müssen wir feiern'. Da haben wir in Miami Beach ein tolles Hotel genommen, ein riesiges Steak gegessen und so unseren Einstand gefeiert. Wir haben uns so gefreut, dies zusammen erreicht zu haben."
"Es funktioniert, weil wir so unterschiedlich sind. Mit drei Andres, drei Bens oder drei Marcels würde es wohl nicht so gut funktionieren. Die Mischung macht es aus. Wir sind komplett verschieden, aber wir harmonieren", sagt der 38-Jährige aus Einsiedeln. "Unsere Persönlichkeiten mögen komplett verschieden sein, aber wir haben etwas, das uns verbindet. Wir haben gern zusammen Spaß, wissen aber genau, wann so etwas möglich ist und wann es ernst wird. Das ist wichtig."
Eine perfekte Zusammenarbeit im Audi R18 setzt eine perfekte Harmonie voraus - quasi eine Familie auf Rädern. "Ich weiß jederzeit: Ben steht hinter mir, Andre steht hinter mir. Wenn ich es mal verbocke, dann kann ich immer noch zur Box kommen und den anderen in die Augen schauen. Keiner macht Vorwürfe. Wenn es die gibt, dann begibt man sich in eine Negativspirale", meint Fässler. "Wir machen es anders: Wir muntern uns auf und gehen dann abends etwas trinken."
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