• 21.03.2015 09:29

  • von Roman Wittemeier

Audi-LMP1-Hybrid: Warum man mit Vorsicht agiert

Audi steigt zur WEC-Saison 2015 um eine Hybridklasse auf: Die Grenzen des Schwungrads und die Gefahren einer zu schnellen Entwicklung

(Motorsport-Total.com) - Audi wird in der neuen Saison der Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) mit mehr Power ausrücken. Die Ingolstädter mit neuem Entwicklungsstandort in Neuburg kitzeln einerseits aus dem 4,0-Liter-V6-Turbodiesel nun 410 kW (557 PS), auf der anderen Seite steigt man von der 2MJ- in die 4MJ-Hybridklasse auf. Damit verbunden ist eine Mehrleistung des Elektromotors an der Vorderachse, der nun in den Beschleunigungsphasen bis zu 200 kW (272 PS) abgibt. Die Gesamtsystemleistung liegt also bei maximal 829 PS (2014: 770 PS).

Titel-Bild zur News: Audi R18

Der neue Audi R18 e-tron quattro wird mit mehr Leistung auf die WEC-Strecken gehen Zoom

Bei allen Elementen den Antriebsstrangs stand bei Audi die Jagd nach besserer Effizienz im Vordergrund. Der Verbrauch des Diesels wurde weiter optimiert, das Hybridsystem bei gleichbleibendem Gewicht erheblich leistungsstärker. Allerdings stößt man mit dem aktuellen Hybridkonzept an Grenzen. Mit nur einem Schwungrad sind kaum mehr als 4MJ drin, ein zusätzlicher Speicher kommt wegen des ohnehin durch den Diesel schweren Antriebs nicht in Betracht.

"Das Gewicht war eine der Überlegungen. Hinzu kommt, dass die Entwicklung im Bereich Hybridsysteme eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt. So etwas geht nicht von heute auf morgen", sagt Audi-Technikchef Jörg Zander auf Nachfrage von 'Motorsport-Total.com'. "Mit dem 2MJ-System waren wir ganz gut aufgestellt. Vielleicht war aber das Gesamtpaket im Vergleich zum Wettbewerb nicht ganz so stark", relativiert der erfahrene Ingenieur den Einfluss des Hybrids auf die Gesamtperformance.

"Theoretisch wäre eine höhere Hybridklasse möglich. Das geht dann aber nicht mehr mit nur einem Schwungrad-Speicher. Da müsste man sich andere Speicher anschauen. Es geht dann um Themen wie Leistungsentnahme, -entfaltung und -dynamik. Da bräuchte man wahrscheinlich ein anderes System", sagt Zander. "Sich in der Kürze der Zeit in eine Ecke zu manövrieren mit neu entwickelten Systemen, die vielleicht den Anforderungen in Le Mans noch nicht genügen, ist nicht der richtige Weg. Es ist eine strategische und technische Entscheidung."


Fotostrecke: Vergleich: Audi R18 2015 vs. Audi R18 2014

Alles über 4MJ verlangt neue Systeme

Bei Audi war man sich bereits frühzeitig einig, dass man auf Grundlage des bisher verwendeten Systems in die neue Saison gehen möchte. An der Vorderachse wird kinetische Energie rekuperiert, im Schwungrad gespeichert und per neuer MGU in den Beschleunigungsphasen wieder an der Vorderachse abgegeben - der Allrad auf Zeit. "Wir können länger boosten", schildert Andre Lotterer. "Die zusätzliche Hybridpower spürt man als Fahrer schon recht deutlich."

Die zusätzliche Leistung wird aus einem System gewonnen, das kaum größer ist als das Vorjahresmodell. "Wenn man das auf dem Tisch liegen sieht, dann wirkt es überschaubar. Wenn man sich aber die Technologie anschaut, dann gibt es dort eine enorme Entwicklungstiefe", sagt Audi-LMP1-Leiter Chris Reinke. "Es hat technische Veränderungen mit sich gebracht, gleichwohl haben wir das grundsätzliche Konzept beibehalten. Wir sind bei den Komponenten bezüglich Abmessungen und Masse nahezu identisch. Das ist aber das einzige, was wir halbwegs vergleichen können."

"Es ist ein neuer Rotor, wir haben andere Rotordrehzahlen auf der Speicherseite. Beim Antrieb sind viele Elemente neu, was gleich wiederum ein anderes Kühlumfeld nach sich zieht", beschreibt Reinke die nicht ins Auge fallenden Veränderungen. Man geht in der Gewissheit ins die Rennen der Saison 2015, dass man auch mit einer geringeren Hybridleistung als bei der Konkurrenz von Porsche und Toyota (beide 8MJ?) gute Chancen hat. Immerhin hat man 2014 Le Mans gewonnen - mit nur 2 Megajoule.

"Ich hätte gern acht Megajoule, aber ich bekomme es nicht abgesichert und nicht innerhalb des Gewichtszieles umgesetzt. Da haben wir nun den besten Kompromiss. Deswegen machen wir das", sagt Reinke. "Die Megajoule-Klasse ist nicht alles. Aber es ist das, was plakativ nach außen geht. Es gibt Erwartungshaltungen in der Öffentlichkeit, es ist ein prominentes Thema. Für uns ist eine Entwicklung im Motorenbereich, die nicht so klassifizierbar ist, eigentlich genauso wichtig. Und ein ordentlicher Schritt bei der Aerodynamik bringt für die Gesamtperformance mehr als ein Schritt hoch in den Megajoule-Klassen."