• 27.05.2010 11:47

  • von Roman Wittemeier

Kristensen: Was sich in Le Mans geändert hat

"Mister Le Mans" Tom Kristensen über die gewaltigen technischen Fortschritte an den schnellen Prototypen: Vom Herzdiagramm zur Hightech-Datenauswertung

(Motorsport-Total.com) - In zwei Wochen werden auf der traditionsreichen Langstreckenbahn von Le Mans die Motoren dröhnen - zumindest die meisten Autos werden brüllen, die Dieselflundern hingegen eher flüstern. Auch 2010 wollen sich Audi und Peugeot auf leisen Selbstzünder-Sohlen zum Gesamtsieg schleichen. Die Veränderung der Geräuschkulisse ist nur ein kleiner Teil des technischen Fortschrittes, der in den vergangenen Jahren in Le Mans stattgefunden hat.

Titel-Bild zur News: Tom Kristensen

Cockpit 2010: So sieht die Schaltzentrale des neuen Audo R15 TDI plus aus

"Ich hatte einmal die Gelegenheit das Le-Mans-Siegerauto von 1928 zu fahren, einen Bentley Blower. Und auch einen Riley von 1938. Wie bei den Auto-Union-Grand-Prix-Rennwagen, die ich ab und zu für die Audi Tradition bewegen darf, sieht man, welche Fortschritte die Automobiltechnologie in den vergangenen Jahrzehnten gemacht hat - gerade auch in Le Mans und mithilfe der 24 Stunden", sagt Tom Kristensen, der vor 13 Jahren erstmals an der Sarthe im Einsatz war und seither acht Gesamtsiege feiern durfte.#w1#

"Ich kann mich noch sehr gut an meinen ersten Le-Mans-Einsatz im Jahr 1997 erinnern", so der Däne. "Damals erhielt ich erst wenige Tage vor dem Rennen einen Anruf von Ralf Jüttner. Ich kannte weder das Auto noch die Strecke, die ich nach meiner Ankunft erst einmal joggend erkundet habe. Trotzdem habe ich das Rennen gemeinsam mit Michele Alboreto und Stefan Johansson auf Anhieb gewonnen. Das war der Beginn meiner großen Liebe zu Le Mans."

Schwielen an der linken Hand

Diese Liebe hält - auch aufgrund des unglaublichen Erfolges - vor der 14. Teilnahme an. Der Audi-Werkspilot blickt zurück: "Im Joest-Porsche, den ich 1997 fuhr, hatten wir noch eine H-Schaltung. Da das Auto rechtsgelenkt war, musste ich mit der linken Hand schalten. Das war ungewohnt und natürlich viel anstrengender als heute in unserem Audi R15 TDI, in dem die Schaltung mit pneumatischer Unterstützung mithilfe von Wippen am Lenkrad erfolgt."

Tom Kristensen

Mit diesem Joest-Porsche landete Tom Kristensen 1997 auf Anhieb den Sieg Zoom

Die Fahrt war reine Schwerstarbeit, die Sitzposition ganz anders als heute, eine Servolenkung gab es auch nicht. "Damals machte man sich noch nicht so viele Gedanken über die Aerodynamik, die heute sehr viel ausgefeilter und komplexer ist", sagt der 42-Jährige aus Hobro. "Die Ingenieure kämpfen um jeden Millimeter, deshalb ist es auch die Sitzposition heute eine ganz andere als damals." Auch der Service war umfangreicher. Früher mussten oft die Bremsscheiben gewechselt werden.

"Heute halten die Bremsscheiben im R15 TDI sogar 30 Stunden ohne Probleme durch", bringt Kristensen ein weiteres Beispiel für technischen Fortschritt auf der Traditionsstrecke in Frankreich. All die neuen Errungenschaften seien nach der umfangreichen Erprobung auf der Rennpiste später auch in den Serienbau gekommen. So habe Audi in den vergangenen Jahren zuerst die TFSI-, später die TDI-Motorentechnologie salonfähig gemacht.

Aus Benziner-Kreischen wird Diesel-Flüstern

"Wir haben ein wichtiges Kapitel Motorsport-Geschichte geschrieben und einmal mehr die Bedeutung von Le Mans für den technischen Fortschritt unterstrichen", erklärt der Audi-Star." Seit dem ersten Rennen 1923 sind viele neue Technologien zu allererst in Le Mans eingesetzt worden, ehe sie dann später auch in Serie gegangen sind, zum Beispiel Halogen-Scheinwerfer oder Radialreifen. Die Entwicklung der Scheibenbremsen und der Scheibenwischer wurde durch die 24 Stunden von Le Mans ebenfalls beschleunigt."

Tom Kristensen

Die Reifen spielen bei der Langstreckenschlacht eine wichtige Rolle Zoom

"Bei meinem ersten Sieg 1997 haben wir nur einen Reifentyp benutzt. Heute können wir zwischen vielen verschiedenen Varianten wählen. Wir fahren sogar nachts andere Michelin-Reifen als am Tag", sagt Kristensen. Aufgrund der niedrigeren Umgebungs- und Streckentemperaturen in der Nacht werden in der Dunkelheit oft weichere Reifenmischungen verwendet, die bei gleicher Haltbarkeit mehr Grip bieten. Große Schritte hat es seit 1997 auch im Bereich Telemetrie gegeben.

"Damals sah das eher noch wie ein Herzdiagramm aus", lacht der Däne. "Damals haben wir die zur Verfügung stehenden Daten gemeinsam mit Michel Demont ausgewertet, der bei Joest noch immer dafür zuständig ist. Heute sind aber über 100 Sensoren im R15 TDI, die permanent Daten an die Box funken und in Echtzeit eine Fülle von Informationen liefern. Um aus der Datenflut die richtigen Schlüsse zu ziehen, braucht man mehrere Ingenieure."