Kolumne: Mein erstes Le Mans (1/3) - Bienvenue a Le Mans!

Die 24 Stunden von Le Mans sind spannend, egal an welcher Front gearbeitet wird - Heiko Stritzke gibt Einblicke, wie es ist, zum ersten Mal an die Sarthe zu reisen

Titel-Bild zur News: SAFER Barrier, Heiko Stritzke

Der ganz normale Wahnsinn in Le Mans aus erster Hand Zoom

(Motorsport-Total.com) - Liebe Le Mans Fans,

manchmal kann es wirklich schnell gehen, das musste nicht nur Toyota dieses Jahr erfahren: Es war Februar und ich bin gerade ein paar Monate bei 'Motorsport-Total.com' beschäftigt, als der Anruf kam. Die unsägliche Kollision der 24 Stunden von Le Mans 2016 mit dem Formel-1-Rennen in Baku hatte ihr erstes Opfer gefordert: Unser Chefredakteur Christian Nimmervoll muss ans Kaspische Meer und kann so nicht an die Sarthe. Es war nicht schwer, die Frage zu beantworten, ob ich mit Roman Wittemeier und Sven Haidinger nach Le Mans wolle.

Der Tag kam ziemlich schnell. Seit Mitte April hatte ich jedes zweite Wochenende an Rennstrecken verbracht. Gerade erst waren die 24 Stunden vom Nürburgring verdaut, da ging es also gleich weiter - viel weiter. 830 Kilometer Fahrt standen gemeinsam mit Roman auf dem Programm - Sven wurde aus Portugal eingeflogen. Noch wusste ich nicht, dass ich eines der größten Motorsport-Dramen aller Zeiten erleben würde.

Wer von Deutschland aus nach Le Mans will, der muss Geduld in Paris mitbringen. Leider lernen wir auf der Durchfahrt nur die hässliche Seite der Millionenmetropole kennen: Viele Plattenbauten in Problemvierteln und Tunnel, die aussehen, als wären sie seit einem halben Jahrhundert nicht mehr sauber gemacht worden. Hinzu kommen Zweiradfahrer, die Suizid mit Anlauf probieren. Respekt für deren Fähigkeit, die Dimensionen ihres Fahrzeugs einzuschätzen. So dicht ist seit einem Aufenthalt in Indien kein Fahrzeug mehr an mir vorbeigefahren.

Eindrucksvolles Ferienhaus in verschlafenem Dorf

Es war Montagnachmittag, als wir in Le Mans ankamen - etwas trostlos mit viel Regen, gibt es einige Shops, die bereits auf das Rennen schließen lassen. Alles in allem aber ist in der Stadt noch eher wenig vom Rennen zu spüren. Keine rot-weiß bemalten Bordsteine wie in Adenau, keinerlei Rennschmuck. Zumindest an den Hauptstraßen. Von Le Mans selbst würde ich nicht allzu viel mitkriegen, denn Sven und ich sind in einem Dorf namens Saint-Ouen-en-Belin (spricht sich wie "Sö Uö Ö Belö") südlich der Strecke untergebracht.

Mehr Feststimmung ist schon in Arnage zu sehen: Mit Rennwagen ausgeschmückte Kreisverkehre, eine Hauptstraße, die von Zielflaggen-Wimpeln gekennzeichnet ist, und schon deutlich auf die Straße erweiterte gastronomische Einrichtungen. Viel wird hier am Rennwochenende wohl nicht vorwärts gehen, schießt es mir durch den Kopf.

Einmal aus Arnage raus, wird deutlich, was das Rennen der Region bringt: Viel gibt es hier nämlich nicht. Erster Gedanke: Wie die Eifel ohne Berge. Von einer Hauptstraße biegen wir auf einen etwas besseren Feldweg nach Saint-Ouen-en-Belin ab - einem Dorf, das erst in den 1990er-Jahren die 1.000-Einwohner-Marke geknackt hat. Doch das Ferienhaus ist ein richtiges Kaliber: Ich staune jedenfalls nicht schlecht, als wir unser zweistöckiges Ferienhaus mit einem Billardtisch, Tresen, Kicker und eigener Terrasse betreten.

Arnage, Le Mans

Arnage hat sich für das Rennen herausgeputzt Zoom

Fast schon schade, dass wir nicht viel davon haben werden. Die meiste Zeit werden wir natürlich an der Strecke verbringen. Circuit de la Sarthe? Circuit des 24 Heures? Wie heißt das Ding jetzt eigentlich offiziell? Nun, irgendwie beides gleichzeitig, so richtig genau wissen es selbst die Franzosen nicht. Wir beenden unseren ersten Tag noch mit einem kleinen Abendessen zu Dritte in Le Mans. Roman hat einige interessante Geschichten auf Lager, immer wieder spannend, da zuzuhören.

Erster Eindruck vom Fahrerlager

Am Dienstag geht es dann los, die ersten Meet the Teams stehen auf dem Programm. Zuvor müssen wir noch Sven akkreditieren (Roman und ich hatten den Papierkram schon am Montag erledigt). Doch erst mal müssen wir dahin kommen und hier gibt es das erste Problem: Svens Navigationsgerät kennt die Adresse nicht. Mühsam versuchen wir, das Navi unseres geliehenen Renault Clios zu aktivieren. Nach zehn Minuten ist uns das gelungen und eine unfreundliche Stimme blafft uns auf Französisch entgegen. Ich verstehe kein Wort, aber wenigstens geht die Karte.

Dann also rein ins Fahrerlager. Schnell wird mir klar: Für die ersten Tage werde ich wohl einen Stadtplan benötigen. In diesem Areal würden mehrere Dörfer a la Saint-Ouen-en-Belin Platz finden. Wobei das eigentliche Fahrerlager nur einen Bruchteil der gesamten Stadt ausmacht. Ich bin von den eher kompakten Dimensionen des eigentlichen Paddocks überrascht - die Riesenveranstaltung am Nürburgring härtet ab.

Dafür gibt es natürlich riesige Glaspaläste - allein in die Porsche-Hospitality dürfte problemlos eine vierstellige Zahl von Menschen reingehen. Gleich daneben: Ein riesiger Ford-Palast mit mehreren Ebenen. Die Devise lautet hier wohl: Wenn schon, dann richtig. Ford würde auch meine erste Anlaufstation sein. Die Toyota-Hospitality ist dagegen fast schon spartanisch, aber eigentlich ausreichend. Hier läuft das Budget wenigstens dahin, wo es hingehört: Ins Auto. Wenn ich daran denke, was Nissan wohl vergangenes Jahr hier aufgebaut haben muss, wo gefühlte 90 Prozent des Budgets in Marketing flossen...

Doch selbst LMP2-Teams protzen mittlerweile: Die Alpine-Hospi braucht sich vor der von Toyota nicht zu verstecken, aber auch andere Teams haben mittlerweile die Zeltplane gegen manifeste Begrenzungen angepasst. Kostendeckelung gibt es in dieser Klasse halt nur bei den Fahrzeugen... Auf dem Weg treffe ich noch auf Richie Stanaway und Fernando Rees, die sich mit einem elektrisch angetriebenen Bobby Car die Zeit vertreiben. Ich frage Richie spaßeshalber, wie das Fahrverhalten ist. Er antwortet mir, ein bisschen Übersteuern, aber es ist ja noch die Entwicklungsphase des Fahrzeugs. Die Stimmung ist locker.


Alex Wurz & Brad Pitt drehen eine Runde in Le Mans

Le-Mans-Gewinner Alex Wurz hat Hollywood-Superstar Brad Pitt eine Runde in Le Mans chauffiert und ihm die einzigartige Strecke genau gezeigt

Weiter geht es oben im Village. Ein Name, der Programm ist: Das Areal ist beinahe genauso groß wie das Fahrerlager. Nichts, was es nicht gibt. Heckflügel eines Peugeot 905? Kein Problem. Eine Armbanduhr im Design eines Ford GT40? Alles möglich. Wer etwas Süßes möchte: Eis gibt es hier auch - für vier Euro pro Kugel!

Das ist noch längst nicht alles, denn auch auf der anderen Seite der Start-Ziel-Geraden stehen weitere Paläste, die nochmal doppelt so groß sind wie die im Fahrerlager. Alleine vom Geld fürs Porsche-Catering könnte man vermutlich eine ganze Rennsaison bestreiten. Bei Audi gibt es gleich drei Theken inklusive eines Pizza-Bäckers. Wenig glamourös dagegen unser Medienparkplatz: Die ersten Schlammlöcher haben sich bereits gebildet. Wir fürchten Schlimmes, denn die Wettervorhersage ist nicht die beste.

Smalltalk mit vierfachem IndyCar-Champion

Es geht direkt los: Meet the Team mit Ford. Ich werde an diesem Wochenende viele neue Gesichter kennenlernen. Also rein ins Gebäude, mit "Meet the Team?" komme ich beim Eingang auch rein. "Bin ich denn wirklich der Einzige, der das Team treffen möchte?", denke ich mir, als ich etwas verwundert in den fast verwaisten Glaspalast eintrete. Ich erkenne ein Gesicht: IndyCar-Star Scott Dixon hat sich an einen Tisch gesetzt und isst zu Mittag. Ich bin stelle mich vor und Scott ist ganz relaxt. Meine Bewunderung für ihn wird gleich ziemlich wachsen.

Einen Gesprächspunkt haben wir schnell: Ich habe vom IndyCar-Rennen in Texas nur den Abbruch nach dem Unfall von Josef Newgarden mitbekommen. Ich lasse mich von ihm erst mal auf Stand bringen und frage ihn, wie der Weg nach Le Mans gewesen sei. Er erzählt mir, dass sein Flieger überhaupt nicht abheben konnte. Trotz Jetlags plauderte er aber munter vor sich hin. Wie es aussieht, hatte ich meine erste Story. Wir unterhielten uns noch kurz über IndyCar, denn die GTE-Pro-Klasse in Le Mans vorherzusagen ist nahezu unmöglich. Obwohl - einige hatten ja schon eine Vorahnung, und die sollte im Laufe der Woche bestätigt werden.

Fernando Rees, Richie Stanaway

Ernste Vorbereitungen bei Aston Martin Zoom

Jedenfalls wird es einfach nicht voller. Ich wünsche Scott alles Gute und frage dann erst einmal, wo denn die anderen Fahrer seien. Erst jetzt wird klar, dass hier überhaupt kein Meet the Team stattfand. Scheinbar hatte Ford die Änderung des Plans nicht dem ACO mitgeteilt, denn laut deren Plan sollte es genau jetzt stattfinden. Man sagte mir, dass ich eigentlich gar nicht da sein dürfe, aber da ich nun einmal da war, durfte ich mir noch ein paar Nudeln mit Tomatensoße gönnen.

Wer testet denn da?

Wenig später bei Audi ist schon deutlich mehr los - hier gibt es wirklich ein Meet the Team. Ich stelle mich allen vor und merke, dass das T-Shirt mit 'Motorsport-Total.com'-Schriftzug schon die eine oder andere Tür öffnet. Jedenfalls wird mir doch recht bald klar, dass ich einen Fehler mache, indem ich mein Aufnahmegerät die ganze Zeit mitlaufen lasse, auch wenn andere Fragen stellen. Am Ende habe ich fast zwei Stunden Material, so viel kann niemand verarbeiten. Erste Lektion gelernt. Wir schreiben noch zwei ein paar Artikel, dann ist der erste Tag auch schon im Kasten.

Dachten wir jedenfalls, denn plötzlich heult, als wir zum Auto gehen, unüberhörbar ein Rennmotor auf. "Das kommt von Flughafen", sagt Sven. Der kleine Provinzflughafen, der sich am Wochenende in eine Miniatur-Ausgabe des Charles de Gaulle verwandeln wird, liegt direkt neben der Strecke. Wir fahren um das Flughafengelände und versuchen, einen Blick auf die Landebahn zu erhaschen. Ich komme mir ein bisschen vor wie bei "Airplane Repo". Wir finden schließlich ein Tor und kriegen tatsächlich einen Blick aufs Gelände. Und tatsächlich, dort fährt ein Bolide! Welcher, das verraten wir hier nicht. Nur so viel: Er hat sechs Zylinder.

Bevor wir in unsere Ferienwohnung zurückfahren, gönnen sich Sven und ich eine Runde auf dem Teil des Circuit de la Sarthe, der befahren werden kann. Wir stoppen noch kurz an der SAFER Barrier, die einer der Diskussionspunkte im Vorfeld des Rennens war. Die Piloten waren unzufrieden damit, dass sie nicht länger ausfällt. Ein paar Fotos später machen wir uns dann endgültig auf den Weg zurück. Die Vorfreude steigt.

Gerald Dirnbeck

Im zweiten Teil: Die Action geht los, Meteorologie im Medienzentrum und die Spannung vor dem Rennen.

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Rennen 1 Sa. 15:15 Uhr
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Rennen 2 So. 15:15 Uhr

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