Kazuki Nakajima: "Wichtig, Le Mans nicht zu verpassen"

Toyota-Pilot Kazuki Nakajima ist dank unbändigem Willen und einer riskanten Operation in Le Mans dabei - Anthony Davidson bezeichnet ihn als "Superman"

(Motorsport-Total.com) - Kazuki Nakajima unternimmt alles, um sich seinen großen Traum vom Sieg bei den 24 Stunden von Le Mans zu erfüllen. Anfang Mai zog sich der japanische Toyota-Werksfahrer beim Freien Training zu den 6 Stunden von Spa-Francorchamps eine Wirbelfraktur zu. Nur vier Wochen später saß er beim Le-Mans-Vortest wieder im Auto.

Titel-Bild zur News: Kazuki Nakajima

Kazuki Nakajima auf dem Circuit de la Sarthe in Le Mans: Der Japaner ist bereit Zoom

Kurz vor dem Vortest absolvierte Toyota im Süden Frankreichs ein Teambuilding-Event. Zur großen Überraschung seiner Kollegen Alexander Wurz, Sebastien Buemi, Stephane Sarrazin und Co. nahm auch Nakajima daran teil - und wie. "Wir trafen uns in Südfrankreich bei Stephane", erzählt Nakajima im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com'. "Dort gibt es tolle Möglichkeiten, um Kanu zu fahren oder Rad zu fahren. Das Fahrrad habe ich stehengelassen, denn ich wollte nicht stürzen. Alles andere wie Kanufahren oder Tauziehen habe ich aber mitgemacht."

"Beim Kanufahren dachte ich erst, das ist vielleicht nicht so gut für meinen Rücken. Doch dann habe ich es einfach gemacht. Für die anderen war es überraschend, dass ich mitgemacht habe, aber es war okay. Ich habe ja nichts Verrücktes angestellt. Rückblickend bin ich froh, dass ich dabei war. Ursprünglich hätte ich zu dieser Zeit nämlich in Japan sein sollen", grinst Nakajima.

Anthony Davison schwer beeindruckt

Kazuki Nakajima, Anthony Davidson

Davidson (re.) und Nakajima steuern mit Sebastien Buemi den Toyota #1 Zoom

Teamkollege Anthony Davidson, der beim Teambuilding-Event aus persönlichen Gründen nicht dabei war, zeigt sich vom Willen des Japaners beeindruckt. "Er ist wie Superman. Ich habe ihn gestern gefragt, ob er sich schon bereit fühlt, das Qualifying zu fahren. Da sagte er, ja absolut. Ich hätte ihm diese Aufgabe gerne abgenommen, aber er will unbedingt fahren." Die erste von insgesamt drei Qualifying-Sessions für das diesjährige Le-Mans-Rennen (Live-Ticker zu den 24 Stunden von Le Mans 2015) geht am Abend ab 22:00 Uhr über die Bühne.

"Ich fühle fast zu 100 Prozent fit", bestätigt Nakajima. "Ich würde sagen, vorige Woche waren es 95 Prozent. Jetzt sind es wirklich fast 100 Prozent. Mein Rücken bereitet mir keine Probleme. Der Wirbel ist ohnehin schon länger wieder in Ordnung. Inzwischen sind auch die Muskeln wieder soweit aufgebaut, dass ich fast alles machen kann. Das heißt, ich bin körperlich absolut bereit, mental ohnehin."

Entscheidung für Operation "nicht einfach"

Kazuki Nakajima

Nakajima begab sich nach seiner Wirbelfraktur unters Messer Zoom

"Es war nicht so, dass ich sofort nach dem Unfall wusste, ich werde in Le Mans dabei sein. Es war ein sich entwickelnder Prozess", betont der Japaner und blickt zurück: "Ich musste vier Tage lang im Krankenhaus bleiben. Nach ein paar Tagen sagte mir unser Teamarzt, dass es die Möglichkeit einer Operation gibt, um den Knochen zu richten. Diese Möglichkeit habe ich wahrgenommen. So konnte ich deutlich schneller ins Auto zurückkehren."

"Hätte ich die Operation nicht machen lassen, hätte es mindestens drei Monate gedauert, bis ich wieder fahren kann. Dann hätte ich auf jeden Fall Le Mans und eventuell sogar das nächste Rennen (Nürburgring am 30. August; Anm. d. Red.) verpasst", sagt Nakajima. Die Entscheidung für die Operation war jedoch "keine einfache", wie er betont.

"Um den Knochen zu richten, bekommt man etwas in den Körper eingesetzt. Das ist durchaus mit einem Risiko verbunden. Der Doktor meinte, dass man nicht genau sagen könne, was in 50 Jahren mit diesem Material im Körper passiert. Da musste ich schon kurz nachdenken. Normalerweise wird so etwas nicht gemacht, weil man nach drei Monaten ohnehin wieder gesund ist. In meinem Fall ging es natürlich darum, den Heilungsprozess zu beschleunigen", so Nakajima. Davidson bezeichnet die Entscheidung des Japaners als "mutig".

Lektion aus Le Mans 2014 gelernt

"Ich habe mich für die Operation entschieden, denn normalerweise hat man höchstens zehnmal die Chance, mit einem konkurrenzfähigen Team in Le Mans anzutreten. Wenn man einmal nicht antreten kann, sind so gesehen schon zehn Prozent der Chancen auf einen Le-Mans-Sieg weg", sinniert Nakajima und unterstreicht: "Deswegen war es mir wichtig, dieses Rennen nicht zu verpassen."

Im vergangenen Jahr hatte Toyota in Le Mans klar das schnellste Auto. Für den Sieg reichte es aber nicht. Nach vielen Stunden Führungsarbeit rollte Nakajima um 5:00 Uhr morgens aus. Ein Kurzschluss hatte zur Folge, dass der komplette Kabelbaum durchschmorte. Statt Siegesjubel herrschte im Lager von Toyota bittere Enttäuschung.

"Hin und wieder denke ich schon noch daran", gesteht Nakajima. "Ich habe damals nichts falsch gemacht und auch das Team hat im Grunde nichts falsch gemacht. Leider sorgte ein kleiner Defekt dafür, dass unser Rennen zu Ende war. Wir haben dabei eine Lektion gelernt, nämlich die, dass in Le Mans alles passieren kann und nicht zwangsläufig das schnellste Auto gewinnt. In diesem Jahr haben wir bis jetzt nicht das schnellste Auto. Trotzdem glauben wir an unsere Chance, das Rennen gewinnen zu können."