Heizdecken-Verbot: Glickenhaus fordert "ehrliche und aufrichtige" Gespräche

In der Hypercar-Klasse sind ab der WEC-Saison 2023 Heizdecken illegal: Glickenhaus stellt den Nachhaltigkeitsgedanken hinter dieser Entscheidung deutlich in Frage

(Motorsport-Total.com) - Das Verbot von Heizdecken in der Langstrecken-WM WEC schlägt hohe Wellen. Die Reifenwärmer werden in der anstehenden Saison 2023 vor allem aus Umweltschutzgründen verbannt. Stattdessen wurden die Qualifying-Sitzungen für die Prototypen- und GTE-Fahrzeuge auf 15 Minuten verlängert, um mehr Zeit zum Aufwärmen der Pneus zu haben.

Titel-Bild zur News: James "Jim" Glickenhaus

Jim Glickenhaus mit einem flammenden Appell zum Heizdecken-Verbot Zoom

Jim Glickenhaus, der mit seinem privaten Rennstall in der Hypercar-Kategorie an den Start geht, stellt aufgrund dieser Bestimmungen den Nutzen des Heizdecken-Verbots deutlich in Frage. Auf einer Online-Medienrunde holt der 72-Jährige zu einem flammenden Appell in Sachen Nachhaltigkeit aus. Glickenhaus' Statement im Wortlaut:

"Ich denke, es ist wichtig zu wissen, wie viel Energie der Verzicht auf die Heizdecken im Vergleich zu einer Verlängerung der Qualifying-Zeit von 10 auf 15 Minuten einspart. Wir müssen jetzt herumfahren, um die Reifen aufzuwärmen - wie viel zusätzliche Umweltverschmutzung werden diese fünf Minuten verursachen?", so Glickenhaus.

"Wir können nicht einfach [ungetestete] Lösungen nehmen"

"Wir glauben fest an die Notwendigkeit, umweltfreundlicher zu werden. Wir entwickeln einen Brennstoffzellen-Pick-up mit einer schnellen, einfachen Betankungslösung und hoffen, das erste Unternehmen zu sein, das jemals ein Off-Road-Langstreckenrennen, die Baja-1000, emissionsfrei bestreitet. Wir verstehen, dass das wichtig ist."

"Aber ich denke, wir können nicht einfach [ungetestete] Lösungen nehmen und sagen: 'Wir sind umweltfreundlicher, wenn wir keine Heizdecken verwenden'. Ich denke, wir müssen uns die Berechnungen ansehen. Wenn sie [die kalten Reifen] einen Unfall verursachen, wie viel Energie kostet es dann, das Auto wieder aufzubauen?"


WEC: Die Saison 2022 in 52 Minuten

"Und wie viel Energie wird in den fünf Minuten, in denen alle Hypercars fahren, verbraucht? Es ist wichtig, dass wir ehrlich und aufrichtig darüber sprechen, wie wir der Umwelt helfen können, und nicht mit politischen Lösungen kommen, die gut aussehen, aber in Wirklichkeit vielleicht nicht so gut für die Umwelt sind."

Rob Leupen gibt Jim Glickenhaus Recht

Ob die veränderten Rahmenbedingungen tatsächlich der Wahrheit letzter Schluss und der richtige Schritt hin zu einem grüneren Sport sind, daran hat auch Toyota-Teamchef Rob Leupen seine Zweifel. "Ich denke, Jim hat Recht", hält Leupen in der besagten Medienrunde fest.

Doch er steht einem Verbot von Reifenwärmern aufgeschlossener gegenüber als Glickenhaus: "Auf der anderen Seite denke ich, dass wir die Möglichkeiten nutzen sollten, um mit den Umständen zu arbeiten. Für mich ist es in Ordnung, auf diese Weise zu experimentieren. Längerfristig sollte es für uns alle von Vorteil sein, vor allem für die Umwelt."

Aus Fahrer-Sicht fällt das Feedback nochmal ein wenig anders aus. In einer weiteren Online-Medienrunde haben Romain Dumas (Glickenhaus) und Loic Duval (Peugeot) über das Verbot der Heizdecken gesprochen, und dabei nochmal eine andere Perspektive zum Thema vermittelt. Dumas outet sich, kein großer Fan der Maßnahme zu sein.

Romain Dumas kein Fan von Heizdecken-Verbot

Es werde "nicht einfach", sagt der routinierte Franzose immer wieder. Vor allem wenn es um das reine Fahren angeht, denn: "Wenn ihr euch erinnert, in Spa-Francorchamps hat es vor ein paar Jahren beim Rennen geschneit. Und in Le Mans ist es mitten in der Nacht sehr kalt. Das könnte ein kleines Desaster geben", befürchtet Dumas.

Glickenhaus 007 LMH, Intermediate-Reifen, Schlagschrauber

Die Hypercars müssen in diesem Jahr ohne Reifenwärmer auskommen Zoom

Damit nennt der Glickenhaus-Pilot nur zwei Beispiele, warum ein Heizdecken-Verbot in Europa nicht so praktikabel ist, wie etwa in den USA, wo es Gang und Gäbe ist, ohne Reifenwärmer zu agieren. Dumas merkt dazu auch an: "Vergesst nicht: In den USA fahren die Leute immer an warmen Orten und zur richtigen Zeit."

Generell verstehe Dumas aber, "dass man jetzt im Motorsport einen Weg finden muss, um grüner zu werden, und unserem Sport ein besseres Image zu geben, dass wir unser Bestes geben und in die richtige Richtung gehen. Keine Frage." Er meint aber: "Wir könnten andere Tricks anwenden, um zu zeigen, dass wir grün sind, lasst es mich so sagen."

Loic Duval sieht "ein paar positive Aspekte"

Generell habe das Verbot "für alle einen großen Einfluss", wirft Loic Duval ein. "In diesem Winter war es ziemlich kalt in Europa, daher haben wir bei kalten Bedingungen getestet. Wir haben gesehen, wie schwierig es ist, den Reifen ins Fenster zu kriegen. Und wir hatten auch andere Bedingungen durch Regen, durch Fahren bei Nacht. Es ist ein Thema, aber für alle gleich."

Aber der Peugeot-Fahrer kann der neuen Regel auch "ein paar positive Aspekte für das Racing selbst" abgewinnen. Etwa, dass es nun die ersten Runden nach einem Stopp herausfordernder werden. "Man kann Fehler machen, man kann mit der Strategie spielen, man kann dadurch Positionen tauschen", erklärt Duval.

Der Franzose hat aber - wie Glickenhaus, Leupen und Dumas - das große Ganze im Blick und kann den Nachhaltigkeitsgedanken gut nachvollziehen: "Wir kennen alle die Welt, in der wir leben. Es ist gut, Kompromisse einzugehen und für Fortschritte zu arbeiten", sagt Duval.

Neueste Kommentare