Frederic Sausset: Vierfach amputiert nach Le Mans

Frederic Sausset hat seinen umgebauten Morgan LMP2 präsentiert: Wie der vierfach amputierte Franzose alle Hürden nimmt, um in Le Mans zu starten

(Motorsport-Total.com) - Die Garage 56 bei den 24 Stunden von Le Mans ist bislang technisch orientierten Projekten vorbehalten gewesen: Der DeltaWing, der nie eingesetzte GreenGT H2 und der Nissan ZEOD RC konnten oder sollten technische Innovation in Szene setzen. Mit dem Projekt für 2016 wird erstmals der Mensch in den Mittelpunkt gerückt: Frederic Sausset, der infolge einer schweren bakteriellen Infektion an allen vier Gliedmaßen amputiert werden musste, hat seinen umgebauten Morgan LMP2 der Öffentlichkeit präsentiert.

Titel-Bild zur News: Frederic Sausset, SRT 41

Frederic Sausset präsentiert stolz sein Team SRT 41 Zoom

Der 46-Jährige wird das Rennen mit seinem eigenen Team 'SRT 41' bestreiten. Erster Teamkollege ist sein französischer Landsmann und Freund Christophe Tinseau, der bereits auf elf Le-Mans-Teilnahmen kommt und zuletzt für TDS Racing einen zweiten Klassenrang im Jahre 2012 geholt hatte. Dies ist auch das Jahr, in dem Sausset sich seine Infektion zuzog. "Es war eine traumatische Erfahrung für mich, meine Familie und Verwandten", erzählt er gegenüber 'Endurance Info'.

Doch der Motorsportfan ließ sich nicht unterkriegen und träumte schon auf dem Krankenbett von einem Le-Mans-Start. "Ich habe mir dieses Unterfangen alleine in einer Ecke auf meinem Bett überlegt", erinnert er sich. "Ich wusste, dass man mich für verrückt halten würde, aber das Projekt ist mit jedem Tag weiter vorangeschritten." Sausset hat längst wieder am Steuer eines Rennwagens Platz genommen: In der französischen VdeV-Serie pilotierte er dieses Jahr einen offenen Ligier JS53 Evo nach CN-Regularien.

Schlüsseltreffen mit Beaumesnil

Der Anfang war alles andere als leicht. "Ich musste einen Sinn und eine Zukunft in diesem Leben sehen", erinnert sich Frederic Sausset. "Ich habe mit meiner Frau gesprochen, die die Unwägbarkeiten des Rennens nicht ganz verstanden hat, wie ich zugeben muss." Als er seinen Freund Tinseau besuchte, öffnete sich eine Tür. "Er ermöglichte es mir, ACO-Sportdirektor Vincent Beaumesnil zu treffen. Das war ein sehr wichtiges Treffen", rekapituliert er.

Frederic Sausset, Morgan, SRT 41

Mit diesem umgebauten LMP2-Morgan will Sausset Geschichte schreiben Zoom

Dieser war gleich Feuer und Flamme für das Projekt. "Mit Fred erforschen wir neue Gebiete", sagt der WEC-Sportdirektor gegenüber 'Endurance Info'. Sausset weiß, was er Beaumesnil zu verdanken hat: "Hätte er mir nicht zugehört, wäre es nie dazu gekommen. Meine Art, danke zu sagen, ist in der Startaufstellung in Le Mans zu stehen." Der Tragweite seines Unterfangens ist er sich bewusst: "Le Mans ist von großer internationaler Bedeutung und der ACO hat etwas ermöglicht, was theoretisch Wahnsinn ist. Die Organisatoren eröffnen völlig neue Perspektiven für Menschen mit Behinderungen."

Weitreichende Umbauarbeiten

Der Weg nach Le Mans ist nicht leicht, denn Ausnahmen machen ACO und FIA für Sausset nicht. Nur wenn seine Sicherheit gewährleistet ist, kann er starten. "Wir haben eine lange Liste von Kriterien, die ihn erst etwas abgeschreckt hat", erklärt Beaumesnil. Nur die vielen zu erfüllenden Kriterien haben Sausset davon abgehalten, schon 2015 beim Langstreckenklassiker dabei zu sein. Wie für alle anderen Fahrer wird auch für ihn gelten, dass er die 110-Prozent-Regel im Qualifying erfüllen muss, um startberechtigt zu sein. Referenz sind für ihn die LMP2-Zeiten.

Der Fall Sausset stellte besondere Anforderungen an Onroak Automotive: Es mussten große Änderungen am Morgan-Chassis vorgenommen werden, um es dem körperlich beeinträchtigten Piloten zu ermöglichen, das Fahrzeug zu steuern und gleichzeitig die FIA-Sicherheitsstandards einzuhalten. Onroak experimentierte daher zunächst im CN-Prototyp, an dem die Umbauarbeiten etwas einfacher zu bewerkstelligen waren als beim Le-Mans-Prototyp.


Frederic Sausset fährt in Le Mans

Der vierfach amputierte Frederic Sausset wird 2016 bei den 24 Stunden von Le Mans starten

Die besondere Herausforderung besteht in der Tatsache, dass er sich das Auto mit physisch intakten Teamkollegen teilt. Der Fall ist noch schwieriger als der von Alex Zanardi, da Sausset nicht am Lenkrad Gas geben kann. Der Franzose wird mit einem herausnehmbaren Sitz ins Fahrzeug steigen und mit seinen Oberschenkeln Gas und Bremse betätigen. Eine Prothese am rechten Arm erlaubt es ihm, das Fahrzeug zu lenken.

FIA-Präsident Todt beeindruckt

Einen weiteren Unterstützer hat Frederic Sausset in Jean Todt gefunden. "Freds Hingabe und Wille sind bewundernswert", sagt der FIA-Präsident. "Das Projekt ist herausfordernd und ambitioniert. Es ist von großer Bedeutung für ihn, eine Zukunft zu haben, und er wird diese Herausforderung meistern. Er hat einen unglaublichen Willen, trotz aller Hindernisse. Menschen auf dem Feld der Mobilität zu helfen ist mir immer sehr wichtig gewesen."

Nach Alex Zanardi, der bei den 24 Stunden von Spa-Francorchamps dieses Jahr einen Werkseinsatz für BMW absolvierte, wird Sausset der zweite Mensch mit Behinderung sein, der ein international bekanntes 24-Stunden-Rennen bestreiten wird. Der ACO hat währenddessen bereits dafür gesorgt, dass 2017 wieder der technische Aspekt bei der Garage 56 im Fokus steht. Dann nämlich wird Welter Racing (WR) mit einem Biogas-Projekt außer Konkurrenz auf dem Circuit de la Sarthe starten.