powered by Motorsport.com

Enzinger exklusiv (6/6): "Lieber Fritz, ich bin der Wolfgang!"

Der letzte Teil des großen Interviews mit Fritz Enzinger: Was seine Aufgaben bei Porsche so besonders macht und welche Anerkennung ihm wirklich etwas bedeutet

(Motorsport-Total.com) - Fritz Enzinger hat mit BMW Formel 1 gemacht. Er hat Porsche zu drei Gesamtsiegen in Le Mans geführt. Gerade führt er wieder zusammen, was er einst selbst getrennt hat: Porsche Motorsport. Und im Volkswagen-Konzern ist er gesamtverantwortlich für die Motorsport-Programme aller acht Marken.

Titel-Bild zur News: Fritz Enzinger und Wolfgang Porsche

Gegenseitiger Respekt: Motorsportchef Fritz Enzinger und Wolfgang Porsche Zoom

Im sechsten und letzten Teil unseres großen Interviews spricht er über seine derzeitige Doppelrolle im Konzern und seine Zukunftsplanung, die mit 62 noch lange nicht auf die Rente ausgerichtet ist. Und er berichtet von kleinen Anerkennungen, die ihm mehr wert sind als jeder Siegerpokal: etwa eine außergewöhnliche Begegnung mit Wolfgang Porsche.

"Die drei Siege in Le Mans", sagt er, "sind jetzt ein fester Bestandteil der Motorsporthistorie von Porsche, das ist mit nichts anderem vergleichbar. Und ja, diese Erfolge sind auch mit mir als Chef des Projekts verbunden. Das macht mich schon stolz."

Frage: "Herr Enzinger, Sie sind jetzt 62. Wie lange haben Sie vor, diese Funktion, auch in der Doppelrolle Porsche/Volkswagen, noch auszuüben?"
Fritz Enzinger: "Die Doppelrolle werde ich vermutlich noch bis Ende des Jahres innehaben. Und ich freue mich auf die noch vor mir liegenden Aufgaben als Leiter Konzern-Motorsport in der Volkswagen-Gruppe, weil diese Konstellation neu ist."

Mobilität im Wandel: "Enorme Tragweite"

"Die Möglichkeit, die Engagements von acht Marken strategisch auszurichten, ist einzigartig. Und das im Wandel der Zeit mit der Koexistenz von E-Mobilität und Rennsport mit Verbrennungsmotoren. Das hat eine enorme Tragweite. So gesehen ist offen, wann ich in Rente gehe. Es gibt schon die 65 Jahre als vorgesehenes Rentenalter. Aber darauf hat mich noch keiner aufmerksam gemacht."

Fritz Enzinger

Le-Mans-Sieger, FIA-Weltmeister: Fritz Enzinger jubelt mit Porsche Zoom

Frage: "Sie waren mit BMW lange in der Formel 1. Reizt es Sie noch, ein Formel-1-Team aufzubauen oder als Teamchef zu leiten?"
Enzinger: "Formel 1 habe ich mit BMW erlebt, wenn auch nicht als Team- oder Sportchef. Das war toll, aber die Situation, in der ich jetzt bin, ist schwer zu steigern."

"Am meisten Spaß macht mir, auch wenn es nicht geplant war, unter den neuen Voraussetzungen die zukünftige Struktur für Porsche Motorsport zu schaffen. Viel mehr geht nicht. Ich lebe bei Porsche wirklich meinen Traum."

Enzinger "stolz" auf seine Erfolge mit Porsche

Frage: "Ist es für Sie wichtig, ein Vermächtnis zu hinterlassen?"
Enzinger: "Als wir den Porsche 919 Hybrid endgültig ins Museum gestellt haben, wurde mir erst bewusst, dass uns eine Ära gelungen ist. Diese drei Siege in Le Mans sind jetzt ein fester Bestandteil der Motorsporthistorie von Porsche, das ist mit nichts anderem vergleichbar. Und ja, diese Erfolge sind auch mit mir als Chef des Projekts verbunden. Das macht mich schon stolz."

"Das Unternehmen ist etwas ganz Besonderes. Dr. Wolfgang Porsche war bei zig Rennen in der Box. Als wir 2015 Le Mans gewonnen hatten, sagte er: 'Jetzt ist die Atmosphäre wie früher.' Es war eine überwältigende Anerkennung, dass wir es in seinen Augen geschafft hatten, den alten Spirit wieder zu installieren."


Porsche-Doku: Der Weg zurück nach Le Mans

"Bei unserem letzten LMP-Renneinsatz 2017 in Bahrain hatten wir ein gemeinsames Abendessen und für mich war ein Stuhl neben Wolfgang Porsche reserviert. Dann nahm er sein Glas, schüttete seinen Rotwein in meins und sagte: 'Lieber Fritz, ich bin der Wolfgang!'"

"Das sind persönliche Momente, die man nicht kaufen kann, sondern sich erarbeiten muss. Solche Wertschätzung und Anerkennung tut jedem gut. Besonders nach einer so intensiven Zeit."

Fritz Enzinger: Was man über ihn wissen muss

Zur Person: Ende 2011 begann Fritz Enzinger, geboren am 15. September 1956 in Oberwölz, Österreich, Porsches Rückkehr in den Spitzenmotorsport zu formen. Neue Gebäude, neues Personal, neues Fahrzeug. Vier Jahre später erlebt er die ganz großen Erfolge: Den 17. Gesamtsieg für Porsche in Le Mans, den Gewinn von Hersteller- und Fahrertitel in der WEC. Und 2016 gelingt es unter seiner Ägide, den Triumph auf ganzer Linie zu duplizieren.

Der Erfolg kam schneller als erwartet und fußt auf Enzingers großer Erfahrung: 30 Jahre lang war er zuvor in BMW-Diensten - im Bereich Unternehmensstrategie, Sponsoring, Personalstruktur, Teammanagement und Fahrerverpflichtung. Bei Tourenwagensiegen, beim Gesamtsieg in Le Mans 1999 und bei Formel-1-Erfolgen war er in verantwortlichen Positionen. Und dabei stets ein Mensch, der sich im Hintergrund hielt.

Fritz Enzinger

Fritz Enzinger, Jahrgang 1956, ist in Oberwölz in der Steiermark aufgewachsen Zoom

So ist er geblieben. Die Bürotür des Maschinenbau-Ingenieurs steht seinen Mitarbeitern offen, in Bluejeans und Hemd fühlt er sich wohler als mit Schlips und Kragen. Es war nicht die prestigeträchtige Bühne, die ihn zu Porsche zog. Ihn hat die ungeheure Chance gereizt, ein so großes Projekt von Grund auf gestalten zu können.

Seit 31. Januar ist Enzinger Leiter Konzern-Motorsport bei Volkswagen. Parallel dazu erfüllt er interimistisch weiterhin die Aufgaben des Porsche-Motorsportchefs. Diese Aufgaben wird er aber voraussichtlich Ende 2019 zurücklegen und sich voll und ganz auf seine Konzernrolle konzentrieren.

An den freien Wochenenden pendelt er zur Familie nach München. Islandpferde sind sein Hobby zur Entschleunigung, er teilt es mit seiner Frau und seiner Tochter.

Enzinger exklusiv: Das Inhaltsverzeichnis
Teil 1: Wie Porsche Motorsport neu aufgestellt wird
Teil 2: Porsche und die Formel 1
Teil 3: "Dann hätte es mich nicht mehr gegeben!"
Teil 4: Wie Porsche die Formel E gewinnen will
Teil 5: Die Motorsport-Synergien im VW-Konzern
Teil 6: "Lieber Fritz, ich bin der Wolfgang!"

Neueste Kommentare