• 09.06.2011 15:50

  • von Stefan Ziegler

DeltaWing in Le Mans: "Eine goldene Möglichkeit"

Der ACO ebnet den Weg für das DeltaWing-Fahrzeug: Der ungewöhnliche Rennwagen gibt 2012 als 56. Teilnehmer sein Debüt in Le Mans

(Motorsport-Total.com) - Üblicherweise sind beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans lediglich 55 Startplätze zu haben, doch ab 2012 öffnet der Automobile Club de l'Ouest (ACO) eine weitere Garage in der Boxengasse am Circuit de la Sarthe: Der 56. Boxenraum geht an ein vielversprechendes Entwicklungsprojekt aus dem automobilen Sektor, das seinen Entwurf beim Klassiker mit der Konkurrenz auf die Strecke bringt.

Titel-Bild zur News: Konzept Delta Wing Project IndyCar Chassis 2012

So hätte der DeltaWing-Wagen für die IndyCar-Rennserie aussehen sollen

2012 gibt dieses neue ACO-Konzept sein Debüt - und das auf spektakuläre Art und Weise, denn der erste Inhaber der Box Nummer 56 ist das DeltaWing-Auto aus den Vereinigten Staaten von Amerika. Dem einen oder anderen Beobachter dürfte dieses Fahrzeug bekannt vorkommen - DeltaWing war einer der Interessenten am Bau des neuen IndyCars, erhielt jedoch nicht den Zuschlag der Rennserie.

Anders beim ACO: Dort setzt man bewusst auf mutige Ideen, die in einer eigenen Autokategorie an den Start geschickt werden. Das DeltaWing-Projekt verfügt 2012 über einen 1,6-Liter-Turbomotor, der rund 300 PS liefern soll. Wer Motorenpartner wird, steht allerdings noch nicht fest - die Verhandlungen laufen. Wer den Rennwagen baut und einsetzt, ist hingegen sehr wohl schon beschlossene Sache.

Und hier kommen einige große Namen ins Spiel, denn kein Geringerer als Dan Gurney, ehemaliger Formel-1-Fahrer und Le-Mans-Gesamtsieger, wird für die Konstruktion des Autos verantwortlich zeichnen. In den Werkshallen des US-Amerikaners entsteht ab Juli 2011 ein Prototyp, der schließlich noch in diesem Jahr auf die Strecke gehen soll. Als Einsatzteam ist das Highcroft-Team vorgesehen.

Obwohl das Fahrdebüt des brandneuen Rennwagens noch in weiter Zukunft liegt, kennt die Euphorie angesichts der 56. Box in Le Mans schon jetzt kaum Grenzen, wie ACO-Sportdirektor Vincent Beaumesnil am Rande einer Pressekonferenz am Circuit de la Sarthe bestätigt. Der Franzose schwärmt regelrecht von den Perspektiven, die sich durch diese neue Maßnahme ergeben werden.

Der ACO betritt bewusst Neuland

"2010 entschloss sich das Sportkommittee des ACO dazu, eine 56. Boxengarage hinzuzufügen, um neue Technologien zu promoten. Als das ACO-Management und die Vertreter von DeltaWing ein Treffen abhielten, wussten alle Beteiligten sofort, dass es sich um ein hochqualitatives Projekt für die experimentale Einschreibung 2012 handelte", hält Beaumesnil im Hinblick auf die Hintergründe fest.

"Das Interessante an diesem Projekt ist die Optimierung sämtlicher Faktoren, die einen Einfluss auf den weltweiten Energiekonsum sowie auf die Effizienz eines Autos haben. Dabei reden wir vom Gewicht, der Leistung und dem Luftwiderstand. Dieses Projekt zeigt, dass wir neben Hybrid, Biosprit und Elektrotechnologie noch einige andere Wege erkunden können, um die Effizienz zu steigern."

"Das Interessante an diesem Projekt ist die Optimierung sämtlicher Faktoren." Vincent Beaumesnil

DeltaWing-Technikchef Ben Bowlby stößt ins gleiche Horn: "Das Geheimnis des DeltaWing-Fahrzeugs sind seine Einfachheit und seine Effizienz. Um den Ausstoß an Kohlenstoff zu reduzieren, schauten wir uns Möglichkeiten an, das Gewicht und den Luftwiderstand geringer zu machen. Außerdem schraubten wir die Anzahl der Komponenten herunter, die zum Bau verwendet werden."

"Im Prinzip weist der Rennwagen ein Dreiecks-Layout auf: Die Front ist schmal, wohingegen das Heck ziemlich breit ist. Damit steht dieses Auto im Kontrast zu den rechtwinklig aufgebauten, modernen Fahrzeugen. Unser dreieckförmiges Auto erlaubt es uns, eine andere Richtung einzuschlagen, um unsere Leistungsziele zu erreichen. Außerdem können wir den Schutz des Fahrers verbessern."


Fotos: 24 Stunden von Le Mans


Highcroft fiebert dem Autodebüt entgegen

Die Aussicht, auf dem Circuit de la Sarthe gegen die Elite des Langstrecken-Sports anzutreten, klingt in den Ohren von Bowlby überaus verlockend: "Eine der Attraktionen von Le Mans ist die unglaubliche Variation von Fahrzeugen im Wettbewerb. Es gibt einige unterschiedliche Spritsorten, offene und geschlossene Autos, GT-Rennwagen - viele Lösungen bestreiten ein- und denselben Event."

"Besonders beeindruckend ist, dass der ACO einen 56. Startplatz für Fahrzeuge außerhalb der Regeln eingerichtet hat", findet der DeltaWing-Technikchef und merkt an: "Durch die Teilnahme dieser Autos wird die Bandbreite an Konzepten im automobilen Bereich noch größer. Wir dürfen uns glücklich schätzen, diese Zulassung erhalten zu haben. Das ist wahrhaftig eine goldene Möglichkeit für uns."

"Durch die Teilnahme dieser Autos wird die Bandbreite an Konzepten noch größer." Ben Bowlby

Highcroft-Inhaber Duncan Dayton stimmt zu und sagt: "Es ist eine unglaubliche Story, ein solch innovatives Design nach Le Mans zu bringen und es vor einem TV-Publikum von 600 Millionen Menschen fahren zu lassen. Vor uns liegt eine große Herausforderung, doch darauf freuen wir uns schon sehr. Das DeltaWing-Projekt stellt eine einmalige Gelegenheit für die Automobil-Industrie dar."

"In meinen Augen hat der Rennwagen sogar das Potenzial, um eine der bedeutendsten Motorsport-Entwicklungen der letzten 50 Jahre zu werden. Es ist so neu, so aufregend und so ein interessanter Abschied vom traditionellen Rennauto. Es ist einfach relevant für die Zukunft und ein Versuch, Nachhaltigkeit zu erzielen. Dieses Projekt wird, denke ich, dabei helfen, diese Richtung zu promoten."

Gurney ist begeistert vom DeltaWing

Davon ist auch Gurney überzeugt. Der berühmte US-amerikanische Rennfahrer und Konstrukteur zeigt sich fasziniert vom DeltaWing-Konzept: "Das Auto wiegt nur halb so viel wie andere Fahrzeuge, verbrennt halb so viel Sprit, verschleißt weniger Reifen und kommt trotzdem auf das gleiche Tempo, was der außergewöhnlichen Aerodynamik und dem geringen Luftwiderstand zuzuschreiben ist."

"Fast jeder Bereich des Rennwagens besteht aus einfacher Technik, doch das gesamte Paket sollte erstaunlich gut sein", meint Gurney, dessen All-American-Racers-Unternehmen für den Bau des Autos verantwortlich ist. Um sich dieser Sache zu verschreiben, brauchte es nicht viel Überzeugungsarbeit, wie Gurney gesteht. "Wir hatten uns das Projekt und die technischen Aspekte des Autos angesehen."

"Ich zögerte keinen Augenblick. Meine Antwort lautete natürlich 'ja'." Dan Gurney

"Danach wurde ich gefragt, ob wir mit dabei sein - oder in unserem Fall: ob wir das Fahrzeug bauen - wollten, wenn es bei den 24 Stunden von Le Mans antreten könnte. Ich zögerte keinen Augenblick. Meine Antwort lautete natürlich 'ja'. Ich bin ein sehr neugieriger Mensch. Ich denke, die Ziele und Vorhersagen in Bezug auf dieses Projekt machen Sinn", gibt der frühere Formel-1-Pilot zu Protokoll.

"Jetzt, da wir grünes Licht vom ACO haben, kann ich sagen: Ich bin dabei! Ich freue mich sehr darauf, wieder einmal nach Le Mans zu reisen. Zum letzten Mal war ich wohl dort, als ich gemeinsam mit AJ Foyt und dem Ford GT40 den Gesamtsieg einfuhr", meint Gurney. Das war 1967. Exakt 45 Jahre nach diesem Triumph kehrt der US-Amerikaner zurück - und das mit einem spektakulären Projekt.