• 08.03.2012 12:57

  • von Roman Wittemeier

Audi gewarnt: Auch 2012 starke Gegner in Sicht

Bei Audi will nach dem Abschied von Peugeot niemand die große Favoritenrolle annehmen: Wie stark sind Toyota und Honda wirklich?

(Motorsport-Total.com) - Als Peugeot Mitte Januar urplötzlich den Stecker aus dem Le-Mans-Programm zog, vermuteten viele Fans für die neue Saison die große Langeweile. Die häufig gestellte Frage: Woher soll ein adäquater Gegner für Audi kommen? In Ingolstadt hat man sich diese Frage nicht gestellt, denn man hat höchsten Respekt vor den Anstrengungen von Toyota und Honda. Aus Sicht von Audi könnten der japanische Hybrid-Benziner und der HPD in Diensten von Strakka und JRM schon 2012 auf Augenhöhe agieren.

Titel-Bild zur News:

Der neue Audi R18 e-tron quatttro und die zwölf Piloten für Le Mans 2012

"Schön ist es, dass genau jetzt Toyota hinzukommt. Die haben mit Le Mans noch eine Rechnung offen", sagt Mike Rockenfeller. "Toyota ist ein riesiger Konzern. Die sollte man niemals unterschätzen. Auch auf das Reglement kommt es nun an. Erstmals hat man nun einen Benziner im Werkseinsatz. Mal schauen, wie gut die sind. Wir werden nicht den Fehler machen und Toyota womöglich unterschätzen. Die kommen zu einem perfekten Zeitpunkt für einen Benziner."

Audi-Piloten und -Verantwortliche betonen bei der Frage nach der Konkurrenz 2012 immer wieder die Tatsache, dass man sich nun erstmals einer Benziner-Konkurrenz stellen müsse, die auf ähnlichem Niveau agiere wie man selbst. "Toyota kann ich momentan nicht so richtig einschätzen, aber ich denke, dass die sehr stark sein werden", erklärt Audi-Entwicklungsvorstand Michael Dick auf Nachfrage von 'Motorsport-Total.com'.

"Die fahren mit einem Benziner, zusätzlich mit Hybridtechnik. Ich bin sicher, dass Toyota einige Leute überraschen wird", sagt Oliver Jarvis. Sein Audi-Kollege Andre Lotterer kann die Situation wohl am besten einschätzen, denn der gebürtige Duisburger war jahrelang bei den Japanern unter Vertrag. Toyota wollte den amtierenden Le-Mans-Champion gern in das Le-Mans-Programm holen, aber Lotterer entschied sich für einen Verbleib bei Audi.

Lotterer von Toyota-Ressourcen beeindruckt

"Man weiß, welche Ressourcen die unter anderem in Köln haben. Das ist beeindruckend", so Toyota-Kenner Lotterer. "Es sind vielleicht nicht mehr alle Leute aus den Formel-1-Zeiten dort, aber vom Potenzial her haben sie alles, was man braucht. Hinzu kommt, dass das Reglement heutzutage für einen Benziner vorteilhafter ist. Bisher haben keine Werks-Benziner gegen uns gekämpft. Man hat uns immer weiter eingebremst. Über Effizienz haben wir viele Dinge kompensieren können. Aber wenn jetzt einer kommt wie Toyota und das Reglement gut ausschöpfen kann, dann stehen die gut da."

"Die Frage ist, ob sie schon alles haben, was man für einen Le-Mans-Sieg braucht", rätselt der Formel-Nippon-Champion. "Aber Toyota war das Team, das 1998 auf Anhieb in Le Mans um den Sieg fahren konnte. Von daher schätze ich sie stark ein. Ich denke, dass sie einen guten Speed haben werden. Aber in Le Mans zählt nicht nur Speed, sondern es müssen viele Faktoren stimmen, um dort zu gewinnen. Audi macht das seit Jahren und lernt immer weiter hinzu. Diese Erfahrung kann man nicht von heute auf morgen bekommen."

Toyota hat sich prominente Fahrer geholt und testet den TS030 Hybrid ausgiebig Zoom

"Auch den Honda darf man nicht unterschätzen", mahnt Lotterer vor weiterer Konkurrenz aus Japan. "Die waren im vergangenen Jahr in Sebring schon sehr stark. Aber: Es hat sich gezeigt, dass du mit einem geschlossenen Auto effizienter agieren kannst. Allerdings haben auch die einen Benziner und können möglicherweise diesen Vorteil für sich nutzen." Jarvis blickt auch auf Rebellion, OAK und Pescarolo: "Auch die anderen LMP1-Autos werden schnell sein."

Trotz des Audi-Sieges 2011 in Le Mans war allen klar, dass man die Entwicklung keinesfalls einschlafen lassen darf. "Unser neues Hybrid-Auto muss ganz einfach besser sein als der letztjährige Wagen, denn der Wettbewerb wird von Jahr zu Jahr härter", sagt Allan McNish. "Peugeot ist vielleicht nicht mehr am Start, aber es gibt immerhin zwei Hondas. Ein solches Auto war 2011 in Sebring auf Platz zwei. Und dann kommen noch die Toyotas. Wie ich gehört habe, ist deren Benziner-LMP1 schon jetzt ziemlich gut."

Sind die Benziner wirklich im Vorteil?

"Man darf nicht vergessen, dass die Diesel schon im vergangenen Jahr erheblich eingebremst wurden. Hinzu kam, dass die Treibstoffmenge weiter begrenzt wurde. Ich denke, dass man derzeit noch gar keinen rechten Eindruck hat, welches Konzept am besten ist", so der Schotte. "Deswegen fährt Audi zweigleisig mit zwei Hybrid-Autos und zwei normalen Dieseln. Wir bringen den Hybrid, weil er einen Performance-Vorteil verspricht. Aber so etwas über 24 Stunden in Le Mans zu beweisen, ist keine leichte Aufgabe."

Aus dem Fixpunkt Peugeot ist nun ein bewegliches Ziel geworden. Die Franzosen waren zumindest beim Antrieb immer auf einer ähnlichen Marschroute wie Audi, somit konnte man deren Entwicklungsschritte stets recht gut einschätzen. Bei Toyota und Honda ist dies anders. Die Ungewissheit macht den Reiz der neuen Saison aus. "Unser Sieg war auch dank Peugeot so wertvoll, weil der Kampf so intensiv war. Wären wir allein vorne gefahren, dann wäre es überhaupt nicht dasselbe gewesen - auch für die Fans nicht", sagt Lotterer.

Simon Pagenaud, Marino Franchitti, David Brabham

Der HPD fuhr 2011 in den Händen von Highcroft auf den zweiten Platz in Sebring Zoom

"Ich bin sehr dankbar, dass Peugeot da war und all die harten Kämpfe mit uns ausgefochten hat. Die waren verdammt stark", meint der 30-Jährige voller Respekt. Die harten Duelle auf der Rennstrecke haben Peugeot und Audi nicht entzweit, sondern eher verbunden. "Es ist enorm traurig für das Team, die Fahrer und die Techniker, die ein unheimlich starkes Auto hatten. Diese Fighter werden wir vermissen. Es ist schade für den Sport. Hoffentlich kommt Peugeot bald zurück", so Lotterer.

"Ich bin froh, dass ich noch gegen Peugeot fahren durfte", so Rockenfeller. "Ich habe gegen die eine Meisterschaft gewonnen, und zwar in dem Jahr, wo Audi und Peugeot in der LMS gegeneinander gefahren sind. So etwas gerät schnell in Vergessenheit, weil es damals keine Weltmeisterschaft war. Ich bin sehr stolz auf diesen Titel, denn damals waren wir mit unserem Auto nicht ganz auf Augenhöhe und haben es trotzdem geschafft. Ich habe auch in Le Mans gegen Peugeot gewinnen können. Es war eine tolle Zeit. Es ist einfach sehr schade."