powered by Motorsport.com

24h Nürburgring nachhaltig (2/2): Ganzheitlich klimafreundliches Auto

24h Nürburgring als Technologielabor: Zwei Projekte übernehmen eine Führungsrolle bei der Entwicklung nachhaltiger Technologien mit spektakulärem Motorsport

(Motorsport-Total.com) - Spektakulärer, auch lauter Motorsport und Nachhaltigkeit schließen sich nicht aus - das beweisen zwei Projekte beim 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring. Im Zuge der immer wichtiger werdenden Nachhaltigkeit sehen viele den Motorsport gefährdet, umso wichtiger ist es, Brücken zu schlagen.

Titel-Bild zur News: Four Motors geht beim Thema Nachhaltigkeit über den Kraftstoff hinaus

Four Motors geht beim Thema Nachhaltigkeit über den Kraftstoff hinaus Zoom

In der Klasse AT für alternative Kraftstoffe gingen diesmal vier Fahrzeuge an den Start: ein mit E-Fuels betriebener Toyota GR Supra GT4 von Teichmann Racing und drei Porsche von Four Motors, dem Pionier des nachhaltigen Rennsports auf der Nürburgring-Nordschleife. Drei der vier Fahrzeuge schafften es in die Top 50 des Gesamtklassements.

Four Motors ist das Pionierteam für nachhaltige Technologien im Motorsport auf der Nürburgring-Nordschleife. Das 2003 von Thomas von Löwis of Menar gegründete Team hat in den vergangenen 20 Jahren viel für die Nachhaltigkeit im Motorsport getan und in vielerlei Hinsicht eine Vorreiterrolle eingenommen.

Immer mit dabei: Rapper Smudo, Sänger der Fantastischen Vier. Gemeinsam mit Löwis of Menar, Thomas Kiefer und dem Dänen Henrik Bollerslev belegte er im Porsche 911 GT3 Cup den zweiten Platz in der AT-Klasse. Den Klassensieg sicherte sich der Porsche Cayman GT4 CS des Teams mit Matthias Beckwermert, Oliver Sprungmann, Karl Pflanz und Marco van Ramshorst auf Gesamtrang 41.

Ethanolkraftstoff mit 60 Prozent biogenen Anteilen

Anders als die meisten AT-Projekte betrachtet Four Motors das Thema Nachhaltigkeit ganzheitlich und nicht ausschließlich in Bezug auf den Treibstoff. Ziel ist es, ein ganzheitlich nachhaltiges Rennauto auf die Beine zu stellen, das für den Zuschauer nicht von einem konventionellen Boliden zu unterscheiden ist.

Das Team spricht von vier Säulen, auf denen der Nachhaltigkeitsanspruch ruht. Die erste ist natürlich der Treibstoff. Offiziell fährt das Team mit dem Kraftstoff E20+. Die Bezeichnung ist allerdings etwas irreführend. Zwar besteht das Gemisch "nur" zu 24 Prozent aus Ethanol (in der Vergangenheit fuhr das Team bereits E85). Das heißt aber nicht, dass es zu 76 Prozent aus fossilen Bestandteilen besteht.


24h Nürburgring 2023: Rennhighlights

Die Highlights der 51. Ausgabe der 24 Stunden vom Nürburgring

Denn diese 76 Prozent basieren auf dem Kraftstoff Blue Gasoline von Shell, der an sich schon zu 30 bis 40 Prozent aus erneuerbaren Anteilen besteht. Hinzu kommt Ethanol, das unter anderem aus Pflanzenresten gewonnen wird. Insgesamt kommt man so auf über 60 Prozent biogene Anteile und eine CO2-Einsparung von 40 Prozent.

Warum 24 Prozent Ethanol? Wie eine Teamsprecherin gegenüber 'Motorsport-Total.com' erklärt, handelt es sich dabei um einen idealen Wert. Es verbrennt kühler als herkömmlicher Sprit oder E-Fuels und hat gleichzeitig eine höhere Oktanzahl. Daraus resultiert eine höhere Motorleistung, der Sound bleibt unverändert.

Das Team wirbt damit, dass der Kraftstoff "schon morgen" von jedem Auto auf der Straße getankt werden kann. "Wir wollen zeigen, was heute schon möglich ist und nicht erst in zehn oder 15 Jahren", sagt die Teamsprecherin mit Blick auf E-Fuels.

Ein weiterer Vorteil ist, dass der Kraftstoff nicht auf Importe angewiesen ist, sondern autark in der EU hergestellt werden kann. Hier zeichnen sich zwei mögliche Wege ab: Autarkie anstreben oder die Lieferketten global so diversifizieren, dass das Risiko minimiert wird.

Der Weisheit letzter Schluss liegt vermutlich irgendwo dazwischen: E-Fuels und Ethanolbeimischung müssen sich nicht ausschließen, sondern können theoretisch zusammen einen CO2-neutralen Kraftstoff bilden.

Nachhaltigkeit auf mehreren Ebenen

Längst steht aber nicht mehr nur der Kraftstoff im Fokus: Seit 2016 fährt das Team mit einem Recycling-Motorenöl, in dem Altöl aus Motoren aufbereitet wird - die zweite Nachhaltigkeitssäule des Teams. So können zwei Drittel der fossilen Anteile im Motoröl eingespart und eine CO2-Reduktion von bis zu 80 Prozent erreicht werden.


Fotos: 24h Nürburgring 2023


"Indem wir unsere Schmierstoffe unter solch anspruchsvollen Bedingungen testen, beweisen wir, dass es möglich ist, Nachhaltigkeit und maximale Leistung im Rennsport zu vereinen", sagt Philippe Verellen, Geschäftsführer der Wolf Oil Corporation, einem der Partner von Four Motors.

"Wir sind stolz darauf, mit dieser Zusammenarbeit unser Vorhaben, den CO2-Ausstoß so gering wie möglich zu halten, weiterzugehen und damit in eine umweltbewusstere Mobilität nicht nur auf der Rennstrecke, sondern auch auf der Straße zu investieren."

Mittlerweile wurde das Recyclingöl auch auf den Bereich Getriebe erweitert, womit man erneut Vorreiter für die Serie sein will.

Inzwischen wurde das Recycling-Öl auch auf den Getriebebereich ausgeweitet, womit das Team erneut eine Vorreiterrolle für die Serie einnehmen will.

Auch bei der Karosserie hat sich Four Motors als Trendsetter etabliert. Statt auf Carbon setzt das Team auf Anbauteile aus Flachsfasern, auch bekannt als Leinfasern (Leinwand, Leintuch). Und das seit 2006 in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft und dem Fraunhofer Institut. Das ist die dritte Säule des Teams.

Der Vorteil von Flachs ist, dass er nicht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion steht, im Gegenteil: Flachs ist eine so genannte Zwischenpflanze, die den Boden während der Brachzeit mit Nährstoffen anreichert, damit die nächste Ernte ertragreicher ausfällt.

Der Porsche Cayman GT4 CS von Four Motors holte den Klassensieg in der AT

Der Porsche Cayman GT4 CS von Four Motors holte den Klassensieg in der AT Zoom

Inzwischen hat die SRO, die für verschiedene GT-Reglements zuständig ist, verfügt, dass die Fahrzeuge zahlreicher GT-Klassen Karosserieteile aus Naturfasern aufweisen müssen, wo sie von der Serie abweichen. Four Motors hat hier also Pionierarbeit geleistet, die mittlerweile im Motorsport Schule macht. Und geht bereits den nächsten Schritt, denn mittlerweile wird auch der Innenraum aus Biofaserverbundwerkstoffen gefertigt, unter anderem in Kooperation mit Porsche.

Felgen und Bremsen im Fokus

Die vierte Säule der Nachhaltigkeit nach Kraftstoff, Schmiermittel und Karosserie ist für das Four-Motors-Team das Thema Felgen. In Zusammenarbeit mit Ronal wurde 2021 die weltweit erste CO2-neutrale Felge produziert.

Inzwischen hat das Team eine Rolle rückwärts gemacht und setzt auf eine Felge mit 70 Prozent Recyclinganteil. Warum dieser vermeintliche Rückschritt? Die Teamsprecherin erklärt: "So können wir die Felge deutlich leichter machen. Dadurch müssen wir weniger bremsen, was wiederum Emissionen spart." Auch hier bleibt das Team seiner ganzheitlichen Philosophie treu.

Die Bremsen sind das nächste Ziel. Mit Pagid wurden bereits umweltfreundliche Bremsbeläge entwickelt. Im nächsten Schritt sollen auch die Bremsscheiben nachhaltig gestaltet werden. Auch das Thema Feinstaub will das Team angehen. Bremsbeläge sind für einen Großteil der Feinstaubemissionen verantwortlich.

Das Team kämpft derzeit einen Kampf an zwei Fronten: "Wir haben lange einen Kampf gegen Windmühlen und ewig gestrige geführt, von denen es im Motorsport lange Zeit leider einige gab. Man hat uns zu lange als Paradiesvögel gesehen. Aber uns geht es darum, den Motorsport langfristig zu erhalten."

"Man hat uns zu lange als Paradiesvögel gesehen." Teamsprecherin Four Motors

"Wir lösen keine globalen Probleme - das können und wollen wir uns nicht anmaßen - aber unsere Technologien zeigen, gerade bei den aktuellen globalen Ressourcenproblemen, wie wichtig alternative Lösungen sind. Der Motorsport wäre in Gefahr, wenn wir nichts tun."

Andererseits sei aber auch ein einseitiger Fokus auf Elektroantriebe ein fataler Fehler: "Es hat keinen Sinn, Verbrennungsmotoren zu verbieten. Man darf sich nicht auf eine Technologie wie die Elektromobilität fokussieren, gerade wenn es massive Probleme beispielsweise bei der Produktion von Batterien gibt, etwa den desolaten Abbaubedingungen bei Silizium."

Probleme bei der Produktion von Elektroautos sind dabei nur ein Aspekt - hinzu kommen bei der Versorgung (Ladeinfrastruktur) und Entsorgung. Während der Motorsport langsam aufgewacht ist, verlagert sich der Kampf des Teams um Überzeugung also mehr und mehr in diese Richtung.

ADAC GT MASTERS LIVE

ADAC GT Masters im TV

Nächstes Event

Oschersleben

26. - 28. April

Qualifying 1 Sa. 09:15 Uhr
Rennen 1 Sa. 15:15 Uhr
Qualifying 2 So. 09:15 Uhr
Rennen 2 So. 15:15 Uhr

Folgen Sie uns!