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Erklärt: Warum Kevin Estre und der "Grello" bestraft wurden
Diese Strafe war kontrovers: Die 100 Sekunden gegen Kevin Estre verärgerten die "Grello"-Fans - Warum in diesem Grenzfall auf Strafe entschieden wurde
(Motorsport-Total.com) - 100 Sekunden, die den Sieg kosteten - und für kontroverse Diskussionen unter den Fans des Manthey-EMA-Porsche #911 (Estre/Güven/Preining) "Grello" sorgten: Kevin Estre war sauer wie nie, von den Fans hagelte es einen Shitstorm und die Schuldfrage ist von außen tatsächlich schwer zu klären. Eine Einordnung mit Blick auf die verschiedenen Reglements.

© Gruppe C Photography
Der "Grello" erhielt eine Strafe, mit der viele Fans nicht einverstanden waren Zoom
Die Strafe gegen Kevin Estre ist ein Grenzfall. Der "Grello" fuhr, unter Druck vom dahinterfahrenden BMW stehend, in eine Lücke hinein, die den Sportkommissaren zufolge nicht da gewesen ist. Die Streckenführung spielt an dieser Stelle eine besondere Rolle.
Estre war nach dem Rennen verärgert, weil der Aston-Martin-Pilot Rolf Scheibner schon seine dritte blaue Flagge hatte. Allerdings war es die ungünstigste Stelle überhaupt auf der Nordschleife, um auf ein anderes Auto aufzulaufen.
Von Spiegeln und verpassten Scheitelpunkten
Das Problem ist, dass hinter der Kallenhard-Kurve die erstbeste Möglichkeit erst wieder hinter der Dreifach-Rechtskurve ist. Dazwischen liegt noch die unter Insidern als "Spiegelkurve" bezeichnete Links-Rechts, die voll durchfahren wird und in der das Auto in eine Senk fällt. Dann folgt die Dreifach-Rechts. Wer in diesem Abschnitt mit einem GT3 aufläuft, verliert mehrere Sekunden, wenn er sich anstellt.
Die Dreifach-Rechts wird im Fachjargon auch gerne "Miss-Hit-Miss" genannt. Diese beschreibt mit englischen Worten die Ideallinie an dieser Stelle: ersten Scheitelpunkt auslassen, zweiten treffen, dritten auslassen. Daher war die Linie des Aston Martin keine Einladung zum Überholen, sondern die Ideallinie an dieser Stelle.
Im Internationalen Sportgesetz der FIA heißt es unter Anhang L, Kapitel IV, Absatz 2a): "Ein Fahrzeug darf die gesamte Breite der Rennstrecke benutzen. Sobald es jedoch von einem Fahrzeug eingeholt wird, das dabei ist, es zu überrunden, so muss der Fahrer dem schnelleren Fahrzeug bei der erstbesten Möglichkeit die Gelegenheit zum Überholen bieten."
Die rennentscheidende Kollision bei den 24h Nürburgring 2025
Nun hat es auch in der Dreifach-Rechts schon Überrundungsmanöver gegeben. Diese erfordern allerdings ein extremes Mitspielen des zu Überrundenden, der dabei stark verzögern muss. Üblicher ist es, das nachfolgende Fahrzeug erst nach der Kurve durchzulassen, wo es deutlich sicherer ist. Wo sich die erstbeste Möglichkeit befindet, lässt sich nicht eindeutig klären.
Strafe sendet eine Message
Verhängt wurde die Strafe letztlich lediglich auf Basis des folgenden Absatz 2d). Dieser sagt lediglich: "Die Verursachung einer Kollision, [...] wird den Sportkommissaren gemeldet und kann eine Bestrafung bis zu und einschließlich der Disqualifikation irgendeines der betreffenden Fahrer nach sich ziehen."
Zwar hätte man auch auf das DMSB-Rundstreckenreglement Artikel 13 Absatz 5 verweisen können: "Ein Fahrer, der seine Position auf einer Geraden und vor einer Bremszone verteidigt, darf die volle Streckenbreite während des ersten Spurwechsels benutzen, vorausgesetzt, dass kein 'erheblicher Teil' eines anderen Fahrzeuges, das zu überholen versucht, neben ihm ist."
"Als 'erheblicher Teil' wird angesehen, wenn sich die Front des überholenden Fahrzeuges neben dem Hinterrad des anderen Fahrzeuges befindet. Während einer Verteidigung der Position in diesem Fall darf der Fahrer seine Linie ohne gerechtfertigten Grund nicht verlassen."
Dieser Absatz bezieht sich allerdings auf direkte Zweikämpfe und keine Überrundungssituationen. Letztlich gilt im internationalen Motorsport: Der Überholende trägt die Verantwortung. Der Fall Estre war ein klassischer Grenzfall - mehrere GT3-Piloten gaben an, in derselben Situation ebenfalls reingezogen zu haben. Juristisch betrachtet konnte man bestrafen, hätte es aber nicht müssen.
Walter Hornung wollte offenbar ein Signal senden: Ein GT3-Fahrzeug, das ein langsameres Auto auf dem Dach ablegt und ohne Strafe davonkommt, hätte ein fatales Bild abgegeben. Entsprechend wurde hier ein Exempel statuiert. Denn unterm Strich darf nicht vergessen werden: Es wird ein 24-Stunden-Rennen gefahren und kein Sprint.
Protest konnte nur abgewiesen werden
Manthey EMA legte Protest ein - obwohl schon im Vorhinein klar war, dass dieser keine Aussicht auf Erfolg hatte. Der Hintergrund liegt im DMSB-Rundstreckenreglement, Artikel 24 (Drive-Through-/Stop-and-Go-/Stop-and-Go-Zeit-/Zeitstrafe), Absatz 12: "Gegen die in diesem Artikel genannten Strafen ist weder Protest noch Berufung zulässig."
Das hat seinen Grund: Ab dem Moment der Strafverhängung gehen alle Konkurrenten davon aus, dass sie wirksam ist. Der Rowe-BMW musste also nicht mehr alles riskieren. Eine spätere Aufhebung hätte das Rennen verzerrt.
Es ist daher davon auszugehen, dass der Protest vielmehr taktischer Natur war, um den Druck auf den Rowe-BMW #98 (Farfus/Krohn/Marciello/van der Linde) hochzuhalten. Die Hoffnung, die Strafe werde rückgängig gemacht, bestand realistisch nie.
Rowe-Teamchef H.P. Naundorf bestätigt im Gespräch mit Motorsport-Total.com die Unsicherheit: "Es war nicht ideal, in diesem informationsleeren Raum zu operieren. Deshalb haben wir versucht, [nach Verhängung der Strafe] die Strategie ein bisschen zu splitten."


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