• 07.07.2004 16:42

  • von Fabian Hust

Warum Formel-1-Autos windempfindlich sind

Der Chefingenieur von Renault erklärt, warum die Formel-1-Autos so empfindlich auf Wind reagieren

(Motorsport-Total.com) - Der Große Preis von Großbritannien in Silverstone ist neben dem Frankreich-Grand-Prix eines von zwei Heimrennen für das Renault-Team. Chefingenieur Pat Symonds weiß genau, worauf es auf der britischen Rennstrecke ankommt. "Vor vielen Jahren war das Gebiet, das nun die Heimat der Rennstrecke von Silverstone ist, ein Flugfeld und diese sind natürlich in flachen Gebieten gebaut worden", erzählt der Brite, warum es rund um die Strecke oftmals sehr windig ist.

Titel-Bild zur News: Renault-Chefingenieur Pat Symonds

Pat Symonds erklärt, warum Wind entscheidend sein kann

"Silverstone stellt da keine Ausnahme dar und es ist wichtig, ständig zu wissen, aus welcher Richtung der Wind kommt und wie er das Auto beeinflusst. Wir haben Anfang des Jahres bei Fernandos Qualifying-Runde in Barcelona gesehen, dass unsichtbare und unvorhersehbare Windböen potenziell einen beträchtlichen Einfluss auf das Handling des Autos haben können."#w1#

"Ein Formel-1-Rennfahrzeug ist grundsätzlich ein sehr ausgeklügeltes aerodynamisches Gerät und aus diesem Grund spielt Wind bei seiner Leistung eine wichtige Rolle. Seit vielen Jahren werden Rennfahrzeuge im Windkanal getestet, wo der Wind direkt auf die Nase des Autos in einer geradlinigen Position bläst. In der heutigen Zeit hat man verstanden, dass dies nur ein Teil der Geschichte ist und aus diesem Grund finden die Tests nun mit dem Modell in verschiedenen Einstellungen statt."

So testet man das Auto auch, indem man es um die vertikale Achse dreht, sodass der Wind nicht direkt auf die Nase sondern leicht von der Seite auf das Auto bläst. "Der Abtrieb, den ein Auto generiert, ist proportional zum Quadrat seiner Geschwindigkeit durch die Luft. Wenn der Wind auf das Auto zubläst, dann wird die Windgeschwindigkeit als Konsequenz zur Geschwindigkeit des Autos addiert, sodass zusätzlicher Abtrieb entsteht. Wenn der Wind in Richtung des Hecks des Autos bläst, dann wird die Windgeschwindigkeit von der Geschwindigkeit des Autos abgezogen, sodass weniger Abtrieb entsteht."

"Man mag vielleicht denken, dass der Effekt des Winds kein großer ist, wenn dieser mit nur rund 20 Stundenkilometer bläst, wohingegen ein Auto mehr als 320 Stundenkilometer schnell sein kann, aber bei einem Rennfahrzeug operiert man immer am absoluten Limit der Leistung und somit können sich relativ kleine Veränderungen so auswirken, dass sie ein Fahrer fühlt."

"Da der Abtrieb proportional zum Quadrat der Geschwindigkeit ist, bedeutet ein Gegenwind mit einer Geschwindigkeit von 20 Stundenkilometer - was bei einer Geschwindigkeitszunahme von 20 Stundenkilometern einen Geschwindigkeitszuwachs von sechs Prozent bedeutet - dass der Abrieb tatsächlich um rund 13 Prozent zunimmt. Der Effekt, den der Fahrer spüren wird, wird umso größer, je schneller er fährt, einmal mehr, da sich der Abtrieb proportional zum Quadrat der Geschwindigkeit verhält."

Um solch komplizierte Vorgänge zu verstehen, nutzten die Teams Windkanäle. "Je weniger sensibel man das Auto in Bezug auf ungewöhnliche Windbedingungen machen kann, desto schneller wird es sein, egal unter welchen Bedingungen. Um zu verstehen, was der Wind mit dem Auto anstellt, messen wir ständig den Wind, der auf das Auto trifft, mit zwei Methoden. An der Front jeden Autos werden sie ein Pitotrohr sehen, ein Gerät, das Windgeschwindigkeiten misst."

"Die Geschwindigkeit wird mit der Kombination des wahren atmosphärischen Windes und dem scheinbaren Wind gemessen, was die Luftgeschwindigkeit ist, die durch die Bewegung des Autos generiert wird. Wenn man die Luftgeschwindigkeit mit der Fahrzeuggeschwindigkeit, die durch die Rotation der Räder gemessen wird, kombiniert, können wir die Windgeschwindigkeit ausrechnen."

"Manchmal haben wir am Auto auch ein komplizierteres Messgerät, das als 'Yaw-Probe' bekannt ist. Dieses arbeitet ähnlich wie ein Pitotrohr, indem es den dynamischen Druck des Winds misst und ihn mit dem statischen Luftdruck vergleicht, hinzu kommt jedoch die Ausgeklügeltheit, dass man in der Lage ist, den Winkel des Windes zu messen."

"Es ist auch wichtig für die Fahrer und Ingenieure die Windbedingungen zu kennen, sodass sie am besten mit ihnen umgehen können. Zum Beispiel ist die erste Kurve in Silverstone eine der schnellsten in der Saison, sie wird fast voll durchfahren. Ein Gegenwind am Eingang hilft dem Fahrer und das sollte ihn die Kurve schneller durchfahren lassen, wohingegen ein Rückenwind bedeutet, dass er besonders vorsichtig sein muss."

"Schwierig wird es für die Fahrer, wenn Windböen unvorhersagbar sind. In dieser Situation müssen sie innerhalb eines Sekundenbruchteils die Bedingungen einschätzen, um beurteilen zu können, wie schnell sie in eine bestimmte Kurve durchfahren können."