• 12.05.2004 11:03

  • von Fabian Hust

Das 'McLaren Technology Center' - die neue Superfabrik

Heute eröffnet Ron Dennis gemeinsam mit der Queen das 'McLaren Technology Center' - wir stellen Ihnen die Superfabrik vor

(Motorsport-Total.com) - Heute eröffnet McLaren-Boss Ron Dennis offiziell seine neue Superfabrik, das 'McLaren Technology Center'. Neben zahlreichen aktuellen und ehemaligen Formel-1-Piloten, den DaimlerChrysler-Vorständen Jürgen Hubbert und Jürgen Schrempp hat sich ein ganz besonderer Ehrengast angesagt: Queen Elizabeth II. Wir stellen Ihnen das Prunkstück vor.

Titel-Bild zur News: McLaren Technology Centre

Ron Dennis' ganzer Stolz: Das 'McLaren Technology Center'

Die Fertigstellung der neuen High-Tech-Fabrik von McLaren, drei Kilometer nördlich von Woking im britischen Surrey gelegen, kommt genau zum richtigen Zeitpunkt: Renault macht sich drauf und dran, das neue Top-Team der Formel 1 zu werden, BAR-Honda hat McLaren-Mercedes überholt, BMW-Williams kämpft um die Vorherrscherstellung gegen den alten "Erzrivalen", Toyota will mit seinem gesunden Budget in den kommenden Jahren zum Siegerteam avancieren und Ferrari spielt sowieso ganz vorne mit. Keine Frage - angesichts der großen Konkurrenz werden die Teams finanziell und technisch so gefordert wie noch nie in der Formel-1-Geschichte zuvor. McLaren-Teamchef Ron Dennis meint zu wissen, was nötig ist, um in Zukunft in der Formel 1 zu bestehen.#w1#

Das Wort Paragon bringt Ron Dennis ins Schwärmen

Vor rund fünf Jahren gab Ron Dennis den Startschuss zum Bau des neuen Super-Werks mit der geheimnisvollen Bezeichnung 'Paragon' (Englisch für "Vorbild"), angelehnt an das die Unterkunft des amerikanischen Verteidigungsministeriums 'Pentagon'. Unweit des alten McLaren-Werkes in Woking hatte McLaren neues Land erworben, um dort das 'McLaren Technology Centre' zu errichten, wie es offiziell genannt wird.

Es entstand eine 32.500 Quadratmeter große Fabrik mit 57.000 Quadratmeter Bürofläche: "Wir tun dies, weil wir annehmen, dass die Automobilhersteller mit einer Menge Ressourcen in die Formel 1 gehen werden. Ob die Hersteller auch die nötige Kultur aufbauen können, um in der Formel 1 erfolgreich zu sein, muss natürlich erst noch abgewartet werden. Aber sie werden über die nötigen Ressourcen verfügen und wir müssen in der Lage sein, mithalten zu können, damit wir keine guten Leute aufgrund der besseren technischen Ressourcen an die Konkurrenz verlieren", so Ron Dennis.

Rund eine halbe Milliarde Euro hat der neue Bau die Firma McLaren gekostet, Geld, das Ron Dennis bereits seit Jahren beiseite gelegt hat, denn er will seine Firma nicht in Schulden stürzen. Eine hohe Summe, deren Ausgabe aber notwendig ist: "Ich möchte sicher stellen, dass McLaren in Zukunft das beste Team in der Formel 1 ist. Das 'McLaren Technology Centre' ist ein Modell für den neuen technologischen Optimismus und ein Beispiel für die industrielle Architektur des 21. Jahrhunderts."

Mit der neuen Fabrik möchte Dennis nicht nur neues kompetentes Personal anlocken, sondern auch Stars wie Aerodynamik-Spezialist Adrian Newey das Bleiben erleichtern: "In der Fabrik wird alles völlig neu sein, ich glaube deshalb nicht, dass uns Adrian verlassen wird", so Dennis, der 2001 beinahe seinen Stardesigner an Jaguar verloren hätte.

"Die Mitarbeiter werden ganz scharf aufs Arbeiten sein"

Die Gebäude sind in der Form eines Kreises platziert - wie beim 'Pentagon': "Ich habe schon seit Jahren vom Paragon geträumt. Die Arbeitsumgebung wird so toll sein, dass die Angestellten ganz scharf aufs Arbeiten sein werden", schwärmt der Brite. Dafür sollen für die in Zukunft 1.000 Menschen (derzeit 900) zählende Mitarbeiterschaft ein Swimming-Pool, ein Gesundheitsklub, eine Bank, Trockenreiniger und Geschäfte sorgen. Hinzu kommt ein Besucherzentrum und Jugendzentrum, in dem Nachwuchsteenagern Geschmack auf das einmalige Projekt gemacht werden soll. "Wir verfügen über eine extrem gut designtes und sehr ästhetisches Gebäude, das mit der Landschaft harmonisiert."

"In unserem Unternehmen dreht sich alles um Menschen, wir alle möchten, dass das Unternehmen gewinnt. Dabei denke ich nicht nur an Grand-Prix-Siege", so Dennis. "Ich denke an alles, in das wir involviert sind. Wir benötigen hoch motivierte und engagierte Leute, und diese kann man nur haben, wenn man ihnen eine Arbeitsumgebung zur Verfügung stellt, in der sie anstreben, der Beste zu sein. Es ist ganz einfach: Großartige Anlagen ziehen großartige Leute an. Das sind die Wurzeln dieses Projekts."

Foster: Architekt mit dem Sinn für das Außergewöhnliche

Für den Bau der neuen Superfabrik beauftragte Ron Dennis mit Lord Foster einen bekannten Architekten. Der Brite entwarf den Flughafen von Hongkong, das Gebäude der Hongkong-Bank und den Reichstag von Berlin: "McLaren kam mit einigen Vorgaben zu uns, weniger in Bezug auf das Aussehen des Gebäudes, mehr in Bezug darauf, wie der Geist, die Ambitionen und das soziale Umfeld des Gebäudes sein sollten", erklärt Foster. "Ich denke, dass es sofort eine natürliche Synergie zwischen uns gab, obwohl wir uns nicht kannten, als wir uns das erste Mal trafen."

"Jeder von uns, der an diesem Projekt mitarbeitet, weiß, dass dies eine einmalige Gelegenheit ist, zu sehen, wie ein Industriegebäude des nächsten Jahrhunderts aussehen sollte", so Partner David Nelson, der zusammen mit Foster dafür sorgte, dass das Paragon genauso viel Aufsehen erregt wie die zahlreichen anderen Gebäude, die das Architekturbüro entworfen hat.

"Das Paragon ist ein Gebäude, in dem mehrere hundert Leute eine tolle Zeit haben werden", fährt Nelson fort. "Es wird ein Bauwerk sein, das die Zukunft des Designs neu definieren wird, ein Projekt, an dem viele, viele Menschen arbeiten. Etwas 'Außergewöhnliches' wollten Ron Dennis und seine Partner haben und sie waren während dem gesamten Design- und Planprozess eng eingebunden. Nicht alle neuen Gebäude erfahren von ihren Chefs diese Aufmerksamkeit." Angeblich soll Dennis überall seine Hand im Spiel gehabt haben, selbst bei der Auswahl der Fliesen.

Das Paragon: Gigantisch groß aber dennoch schön

Das rund 100 mal 200 Meter große und 11 Meter hohe Gebäude, in das mehr als 2.000.000 Arbeitsstunden geflossen sind, wird an so vielen Stellen wie möglich von natürlichem Licht ausgeleuchtet - ein Grund, warum die Architekten kein allzu hohes Gebäude auf die Beine stellten. Das Hauptgebäude ist aufgeteilt in 18 Meter breite "Finger", die sechs Meter breite Zwischenräume haben, in die das Tageslicht einfallen kann. Diese Zwischenräume, die das Architektenteam "Straßen" nennt, dienen auch der Versorgung des Gebäudes mit Frischluft.

In den oberen Bereichen der Fabrik, in der theoretisch neun Jumbojets Platz finden würden, hat die Verwaltung ihre Büros erhalten, im Erdgeschoss sind die Produktionsbereiche untergebracht. Die neue Fabrik steht gerade erst, da wird schon der Ausbau geplant. So soll in absehbarer Zeit ein rundes Nebengebäude errichtet werden, das dann mit einem unterirdischen Tunnel mit dem Hauptgebäude verbunden werden soll. Jeder, der von einem in das andere Gebäude läuft, wird in diesem Tunnel historische Rennwagen von McLaren bestaunen dürfen. Statt Tristesse vorzufinden, wird den Angestellten also selbst hier ein Grund geboten, sich in dem Gebäude wohl zu fühlen.

Grünes Denken bei McLaren

Auch die Umwelt geriet bei allem Augenmerk auf das Design des Paragon nicht in Vergessenheit. Bevor die Bagger anrückten, installierte man um ein Gebiet von rund einem Quadratkilometer einen Plastikzaun und lockte mit einem Trick alle Schlangen hervor, um sie umsiedeln zu können. Auch die Bäume auf dem Bauareal bereiteten dem Team Kopfzerbrechen. Waren sie im Sommer Nistplatz für Vögel, so waren sie im Winter Lebensraum für Fledermäuse. So konnte man sie nur in einem sehr schmalen Zeitfenster fällen, in dem man nicht die Tierwelt störte.

Auch der nahe gelegene Fluss wurde nach den Bauarbeiten so umgeleitet, dass er seine natürliche Fließgeschwindigkeit zurückerhielt. "Noch nie hatte ich einen Kunden, der sich so sehr um die Natur kümmerte und dafür so viel Geld ausgibt", lobt der Architekt - das Areal soll jetzt sogar unter Naturschutz gestellt werden.

Dass das Gebäude mit elf Metern Höhe relativ niedrig ist, hat ebenfalls mit dem Umweltgedanken zu tun. So möchte man sicherstellen, dass sich das Paragon harmonisch in die Umwelt integriert. Das Gebäude wurde direkt an einen künstlich angelegten See gebaut. Insgesamt bewegte man rund 450.000 Kubikmeter Erde, die anschließend für die Landschaftsgestaltung des 50 Hektar großen Areals verwendet wurden, um nicht zu viel Fremderde heranschaffen zu müssen.

Dass man das Gebäude direkt an einen See (50.000 Kubikmeter Wasservolumen) baute, hat seinen Grund. In der Landschaft gibt es bereits einige Seen, so harmoniert die Anlage mit der Gegend. Der See wird auch zur Kühlung des Gebäudes verwendet, ein 160 Meter breiter Wasserfall rund um den Rand des Sees hilft dabei, auch bei der Sauerstoffversorgung des Wassers.

Die Tatsache, dass der Grundwasserspiegel nicht nur wenig unter der Erdoberfläche liegt sondern der Wasserdruck auch ungewöhnlich hoch ist, machte es erforderlich, ein spezielles Fundament zu bauen, sodass das Wasser das Gebäude nicht wegspülen kann. Bereits 1998 wurde mit dem Bau einer ein Meter dicken und 30 Meter hohen unterirdischen Mauer begonnen, die das Wasser davon abhalten soll, in das Fundament einzudringen. Mitte 1999 war diese fertig gestellt.

Technischer Leckerbissen: Der Windkanal

Architektur hin oder her - absolutes technisches Highlight des Paragon ist der bereits seit zwei Jahren fertig gestellte Windkanal, in dem Chefaerodynamiker Adrian Newey schon dem MP4-17 den letzten Feinschliff gegeben hat. Der Windkanal, der im Betrieb nicht gerade leise ist, musste speziell akustisch abgeschirmt werden, um den Betrieb des Paragon nicht zu stören. Der Luftstrom wird durch ein kompliziertes Tunnelsystem geleitet, das sicherstellt, dass die Luft ohne Verwirbelungen in den Windkanal eintritt. Die angesaugte Luft wird in einem größer werdenden Kanal verlangsamt und durch ein Netzsystem "beruhigt", dann wieder beschleunigt und in einem weiteren "Bremskanal" durch eine Wabenstruktur geleitet, um letzte Turbulenzen zu beseitigen. Dann wird der Kanal erneut verengt, um die Geschwindigkeit der Luft zu erhöhen, bevor sie in den eigentlichen Testraum geleitet wird.

Im 145 Meter langen Windkanal, der aus 400 Tonnen Stahl angefertigt wurde, finden Modelle bis zu einem Maßstab von 1:2 Platz. Höhe und Neigung des Autos können bis zu einer Genauigkeit von 0,01 Millimetern gesteuert werden. Das Computersystem zeichnet jedes Detail über den Luftfluss, den Luftwiderstand und den Abtrieb auf. Ein vier Meter großer Ventilator, der sich bis zu 600 Mal in der Minute dreht, sorgt für kräftigen Wind und kann 15 Kubikmeter Luft in der Sekunde bewegen. So viel, dass das Gebäude implodieren würde, wenn es luftdicht wäre. Der Windkanal verfügt über eine Leistung von 1.500 Kilowatt, der Antriebsmotor muss mit 6.000 Liter Wasser pro Minute gekühlt werden.

McLaren geht unter die Möbelproduzenten

Die "TAG McLaren Group" wird im Paragon nicht nur Formel-1-Autos bauen, sondern zum Beispiel auch Hi-Fi-Anlagen und den Supersportwagen Mercedes-Benz SLR, dessen Produktion bereits im August 2003 aufgenommen wurde: "Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir mit McLaren in der Formel 1 gescheitert wären, wenn wir ausschließlich ein Formel-1-Team geblieben wären - unabhängig vom Erfolg, den wir gehabt haben oder haben werden", meint Firmenchef Ron Dennis. "Man muss sich überlegen, wie sich die Formel 1 in den nächsten 20 Jahren entwickeln wird. Können wir ein reines Formel-1-Team bleiben? Meine Antwort ist 'Nein'. Wir können in der Formel 1 nur deshalb überleben, weil wir in eine breite Palette von Technologien und Herstellungsprozessen investieren, die direkt nichts mit der Formel 1 zu tun haben."

Mit anderen Worten: McLaren kann nicht von Sponsoren-, Preisgeldern und der Beteiligung an den Einnahmen aus dem Verkauf der Fernsehrechte der Formel 1 überleben. Automobilhersteller wie Toyota oder Renault können bei Bedarf Ressourcen aus anderen Einnahmequellen freigeben. Dieses Ziel verfolgt Teamchef Ron Dennis mit der Millioneninvestition in das Paragon, um sich für die Zukunft zu rüsten. Dabei scheint Ron Dennis vor nichts zurückzuschrecken. In Zukunft sollen auch teure Hightech-McLaren-Möbelstücke und McLaren-Leuchten an den Mann gebracht werden.