"Zero-Pod": Red Bull kopiert bald noch mehr von Mercedes!
Mit dem Suzuka-Update wird Red Bulls RB20 ein Facelifting bekommen, das sich stark der ursprünglichen Mercedes-Idee eines "Zero-Pod" annähert
(Motorsport-Total.com) - Red Bull nimmt mit dem RB20 für die Formel-1-Saison 2024 jetzt schon Anleihen bei Mercedes-Designideen vergangener Jahre. Und die "Launch-Spec", die am Donnerstag in Milton Keynes präsentiert wurde, könnte dabei nur der Anfang gewesen sein. Denn laut Informationen von Autosport, einer Schwesterplattform von Motorsport-Total.com im Motorsport Network, hat das Designteam rund um Starkonstrukteur Adrian Newey sogar die Einführung von "Zero-Pod"-Seitenkästen geplant.
© Getty/Red Bull
Seitenkasten des Red Bull RB20 in der Launch-Spec vom 15. Februar Zoom
Der RB20 kommt im Bereich der Seitenkästen erstmals mit einem "Überbiss" daher, sprich die obere Lippe des Lufteinlasses ragt weiter nach vor als die untere. Ein Design, das für 2024 auch McLaren adaptiert hat, während die meisten anderen Teams einen ausgeprägten "Unterbiss" haben.
Doch die "Launch-Spec" des RB20 könnte mit dem ersten größeren Update während der Saison schon wieder Geschichte sein. Demnach plant Red Bull aktuell, mit den bisher gezeigten Seitenkästen die potenziellen Hochtemperatur-Rennen in Bahrain, Saudi-Arabien und Australien in Angriff zu nehmen, ehe für den vierten Grand Prix des Jahres, am 7. April in Japan, umgerüstet wird.
Das Suzuka-Update soll laut Informationen von Autosport eine Red-Bull-Interpretation des "Zero-Pod"-Konzepts umfassen, welches Mercedes von 2022 bis Spanien 2023 eingesetzt und erst ab Monaco 2023 entsorgt hat.
Mercedes hat den Designansatz vor knapp einem Jahr zu Grabe getragen, weil es dem Team nicht gelang, die theoretischen Vorteile des Konzepts auf die Straße zu bringen. Kaum war das Auto mit Bodenwellen konfrontiert oder außerhalb des optimalen Temperaturfensters, wurde der Mercedes mit den "Zero-Pods" zur zickigen Diva.
Was ein "Zero-Pod"-Seitenkasten bringen kann
Doch rein theoretisch sind "Zero-Pods", also extrem enganliegende Seitenkästen mit einer extrem kompakten Kühlerkonfiguration, für die Aerodynamik vorteilhafter als konventionelle "Downwash"-Seitenkästen. Erstens wegen des kleinen Querschnitts, der kaum Luftwiderstand generiert, und zweitens wegen der optimalen Nutzung des sogenannten "Ground-Effects" durch den weitgehend freistehenden Unterboden.
Red-Bull-Teamchef Christian Horner sagt, es sei "logisch", dass bei einem stabilen Reglement die Designs näher zusammenrücken: "Wir können sehen, dass andere Autos durch unseren RB19 beeinflusst wurden. Das Team hat jetzt mit dem RB20 tolle Arbeit geleistet. Sie haben sich nicht zurückgelehnt, sondern sie sind an die Grenzen gegangen."
Und das mit einem Auto, das laut Horner auch beim Bahrain-Test im Großen und Ganzen so aussehen wird wie die "Launch-Spec" am Donnerstag. Einige hatten vermutet, die Motorabdeckung im Mercedes-Stil könne ein Ablenkungsmanöver sein, aber das dementiert der Teamchef: "Das ist nicht taktisch. Das basiert auf Performance und auf dem, was wir in den Simulationen sehen."
Horner verortet "tolle Innovationen" am RB20. Ob er damit auch die Einführung eines "Zero-Pod"-ähnlichen Konzepts meint? Auffällig war bei der Präsentation jedenfalls, dass sich Red Bull bemühte, gerade den Bereich vorn an den Seitenkästen gut zu verschleiern. Doch besonders aufmerksame Fans hatten schon auf Amateurvideos vom Shakedown in Silverstone entdeckt, dass dort plötzlich ein vertikaler Lufteinlass zu sehen war.
Horner sagt auch, er sei sich "fast sicher", dass der RB20 und einige seiner Innovationen "in den nächsten Wochen ganz genau unter die Lupe genommen werden". Damit könnte er möglicherweise einen Kniff meinen, den Red Bull laut Autosport-Informationen bei der Maximierung der Aero-Entwicklungsressourcen angewendet hat.
Schlupfloch im Reglement gefunden?
Hintergrund ist die regulatorische Beschränkung der Windkanal- und CFD-Zeit, die Red Bull derzeit am härtesten trifft. Vereinfacht zusammengefasst: Das letzte Team der Konstrukteurs-WM darf am meisten testen, der Weltmeister am wenigsten. Und Red Bulls Ressourcen waren 2023 nochmal um zehn Prozent extra eingeschränkt, wegen einer Strafe nach dem Verstoß gegen den 2021er-Budgetdeckel.
Aber: Die sogenannten ATR-Regeln (ATR = Aerodynamic Testing Restrictions) lassen Ausnahmen zu. Die sind in Anhang 7 des Sportlichen Reglements der FIA für 2024 definiert.
RB20: Hat Red Bull bei Mercedes abgekupfert?
Überraschung bei der Präsentation von Red Bull für die Formel 1 2024: Sieht da nicht einiges ziemlich nach Mercedes aus? Weitere Formel-1-Videos
Artikel 5 besagt wörtlich: "Windkanaltests, die ausschließlich der Entwicklung von Kühlern der Powerunit dienen, die Wärme an die Luft abgeben, oder der Betrieb der Powerunit an einer Begrenzung, die an den Lufteinlasskanälen der Powerunit beginnt, durch die Powerunit verläuft und am Ausgang des Auspuffendrohrs endet", fallen nicht unter die ATR, "sofern während des Tests keine direkte oder indirekte Messung der aerodynamischen Kraft erfolgt."
Oder, anders ausgedrückt: Durch die Windkanaltests, die für die Umstellung auf ein "Zero-Pod"-Konzept bereits im Jahr 2023 durchgeführt wurden, gingen Red Bull keine ohnehin schon knappen Windkanalressourcen verloren, weil argumentiert werden konnte, dass durch die veränderte Anordnung der Kühler Artikel 5 als Ausnahme greift. Ein Schlupfloch im Reglement.
Wie erfolgreich der RB20 mit "Zero-Pods" sein wird, sollten sie wirklich kommen, ist derzeit noch nicht absehbar. Klar ist aber: Horner hat am Donnerstag von "mutigen Entscheidungen" gesprochen, die seine Ingenieurinnen und Ingenieure getroffen haben. Möglich, dass die jetzt geschafft haben, was Mercedes nicht gelungen ist, nämlich das "Zero-Pod"-Konzept zu knacken.
Neueste Kommentare