Whitmarsh: Liegt es an Hamiltons Umfeld?

Während Lewis Hamilton ob seiner Krise ratlos ist, deutet Teamchef Martin Whitmarsh an, dass sein Schützling im persönlichen Bereich mehr Unterstützung benötigen könnte

(Motorsport-Total.com) - Lewis Hamilton erlebt derzeit die größte Krise seiner bisherigen Karriere. Der Brite scheitert Rennen um Rennen daran, endlich wieder ein Erfolgserlebnis einzufahren. In Japan lag er zwar nach dem Start an zweiter Stelle, ein schleichender Plattfuß zwang ihn dann aber zu einem frühen Boxenstopp, später kollidierte er einmal mehr mit seinem Langzeit-Rivalen Felipe Massa und musste Kritik einstecken. Während Teamkollege Jenson Button siegte, wurde Hamilton farbloser Fünfter.

Titel-Bild zur News: Martin Whitmarsh (Teamchef), Lewis Hamilton

Saurer Apfel: Was muss passieren, damit Hamilton wieder auf Touren kommt?

Schon vor einigen Rennen hatte sich das Blatt bei McLaren gewendet. Der lange Zeit unterschätzte Weltmeister 2009 hat gegenüber dem Weltmeister 2008 die Oberhand genommen. Button kommt beim Team mit seiner freundlichen, entspannten Art gut an, in der zweiten Saison passt auch der McLaren-Bolide besser zu seinem Fahrstil. Es wird gemunkelt, dass Hamilton um seinen Nummer-1-Status fürchtet und daher derzeit keinen Fuß auf den Boden bringt.

Ratloser Hamilton

Der Brite selbst tappt im Dunkeln und gibt sich ratlos. "Wir haben viel größere Probleme, als uns über den WM-Titel Gedanken zu machen", gibt Hamilton gegenüber 'Reuters' Einblicke in seine aktuelle Schieflage und bittet die Öffentlichkeit darum, keine vorschnellen Schlüsse aus seinen Problemen zu ziehen. "Ihr sucht alle nach Gründen für meine Probleme, aber es gibt keine Auflösung, es gibt keine Antwort. Ich kenne die Antwort nicht, daher würde ich es begrüßen, wenn ihr nicht vorschnell irgendwelche Schlüsse zieht."

Alles, was Hamilton weiß: "Ich war einfach nicht schnell genug. Ich war im Qualifying schnell, aber nicht im Rennen." Am Auto liegt es aber nicht - das sei "fantastisch schnell." Bei McLaren gibt man sich mit seinem gebeutelten Superstar geduldig, meint sogar, er gehe zu selbstkritisch mit sich selbst um.

"Ihr sucht alle nach Gründen für meine Probleme, aber es gibt keine Auflösung." Lewis Hamilton

Whitmarsh: Das Warten geht weiter

"Jeder internationale Athlet hat Höhen und Tiefen und das war zuletzt eine schwierige Zeit", analysiert Teamchef Martin Whitmarsh Hamiltons Krise gegenüber 'ESPN F1'. "Wenn die Dinge nicht gut laufen, dann scheinen sich die Probleme zu multiplizieren - das beeinträchtigt deinen mentalen Zustand, deine Gemütsverfassung und macht es schwieriger."

Er rät Hamillton daher: "Er muss jetzt die Ruhe bewahren, diszipliniert sein, darf den Kopf nicht verlieren, denn er ist nach wie vor ein unglaublicher Rennfahrer mit einem enormen Naturtalent - und es wird schon wieder, da bin ich ganz sicher." Dem Teamchef ist durchaus bewusst, dass er seinen Schützling abgesehen von einem Highlight am Nürburgring bereits seit dem dritten Saisonrennen in Malaysia verteidigen muss.

"Wir allen wissen es, wir alle spüren es - und plötzlich wird er zurückschlagen." Martin Whitmarsh

"Ohne Zweifel ist das für ihn eine unglaublich schwierige Saison", so Whitmarsh. "Das enttäuscht ihn sehr." Dennoch sieht er nicht davon ab, Besserung zu versprechen: "Er könnte an diesem Wochenende gewinnen. Wir allen wissen es, wir alle spüren es - und plötzlich wird er zurückschlagen. Natürlich sehnen wir uns ganz verzweifelt danach, dass es in einer Woche passiert, aber wir werden sehen - sonst hoffen wir in drei Wochen wieder."

Liegt es am Umfeld?

Eines ist für Whitmarsh jedoch gewiss: "Seine Form wird zurückkommen. Es gibt keinen Grund, warum wir am Sonntag keinen epochalen Sieg von Lewis erleben könnten - ich hoffe, es wird passieren." Dass Hamiltons Schwäche auch auf sein Umfeld zurückzuführen ist, will er nicht ausschließen, mit McLaren habe es aber nichts zu tun.

"Man muss entweder unglaublich stark, belastbar und kaltblütig sein und hat niemanden, oder man tragt sein Herz auf der Zunge und benötigt Hilfe und Unterstützung", sagt Whitmarsh. "Ich glaube, dass er das vom Team bekommt, aber er muss das auch bei sich selbst finden. Jeder, der in dieser Situation ist, braucht jemanden - und es gibt niemanden im Team, der nicht an Hamilton glaubt."

"Ich glaube, dass er das vom Team bekommt, aber er muss das auch bei sich selbst finden." Martin Whitmarsh

Im Gegensatz zu Button, der mit Vater John Button, Freundin Jessica Michibata, seinem Trainer Mikey Collier und Manager Richard Goddard sehr stabil aufgestellt ist, erhält Hamilton bloß von Superstar-Freundin Nicole Scherzinger Rückhalt. Die Managementfirma von Simon Fuller stellt ihm meist wechselnde Betreuer zur Verfügung, das Verhältnis zu Vater Anthony Hamilton ist nach wie vor etwas distanziert.