• 09.02.2009 13:56

  • von Dieter Rencken

Webber: "Nur Melbourne zählt"

Red-Bull-Pilot Mark Webber über seinen Heilungsprozess, die Erfolgschancen 2009 und die Sicherheitsbedenken wegen KERS

(Motorsport-Total.com) - Mark Webber durfte zwar am offiziellen Akt der Fahrzeugvorstellung teilnehmen, doch anschließend war der Australier wieder zum Zuschauen verbannt. Sebastian Vettel durfte die ersten Kilometer mit dem neuen Red Bull RB5 fahren, während Webber immer noch an seiner Fitness nach dem doppelten Beinbruch arbeitet. Wie die Heilung voranschreitet, welche Chancen er sich mit dem RB5 in der neuen Saison ausrechnet und warum Gewicht nicht alles ist, erklärte Webber in Jerez der versammelten Presse.

Titel-Bild zur News: Mark Webber, Jerez, Circuit de Jerez

Mark Webber will voraussichtlich Ende dieser Woche zum ersten Mal wieder testen

Frage: "Mark, das vergangene Jahr war für dich frustrierend. Was erwartest du von diesem Jahr?"
Mark Webber: "Es ist gut, dass wir jetzt einen klaren Schnitt haben. Wir hatten in der vergangenen Saison viele schwache Phasen und nur kurz einmal gute Rennen. Mit den neuen Regeln erhoffen wir uns große Chancen. Das Auto macht einen schnellen Eindruck. Wir können nur hoffen, dass wir sofort in Melbourne schnell und zuverlässig sind. Wir arbeiten eng mit Renault zusammen. Hoffentlich sind wir gut in Form."#w1#

Adrian Newey als Ass im Regelpoker

Frage: "Siehst du in diesem Jahr eine besonders gute Chance auf Erfolge?"
Webber: "Ja, aber das geht wohl allen Teams so. Im Zuge der Regeländerungen sagen alle, dass sie die Chance darauf haben, ihre Position im Vergleich zu den vergangenen drei oder vier Jahren deutlich zu verbessern. Gerade ein Team wie Red Bull hat aber wirklich gute Karten, sich im Zuge dieser Änderungen gut zu positionieren. Mal schauen, ob es so kommt. Wir haben immer das Ziel gehabt, um Siege zu fahren. Vielleicht klappt es ja diesmal. Das wäre wirklich schön."

"Renault hat ja nicht ohne Grund von der FIA die Erlaubnis erhalten, den Motor nachbessern zu dürfen." Mark Webber

Frage: "Ist eurem Stardesigner Adrian Newey ein solch guter Wurf gelungen, sodass du möglicherweise bei deinem Heimrennen in Melbourne gewinnen kannst?"
Webber: "Erst einmal abwarten, wie das Auto läuft. Fest steht, dass Adrian mit Regeländerungen bestens zurechtkommt. Das hat er 1998 bei McLaren bewiesen. Er ist ein Genie. Alle Teams rechnen sich aber gute Chancen aus."

Frage: "Im vergangenen Jahr hattet ihr wegen des Leistungsdefizit des Renault-Motors Nachteile. Glaubst du, dass ihr nun auf dem gleichen Niveau seid wie alle anderen?"
Webber: "Ja, ich denke schon. Renault hat ja nicht ohne Grund von der FIA die Erlaubnis erhalten, den Motor nachbessern zu dürfen. Alle Daten lagen offen und die anderen Teams und Hersteller mussten zustimmen. Für uns ist das natürliche eine gute Sache. Das kann uns nur helfen."

Der nächste Gegner: Sebastian Vettel

Frage: "Du bekommst in Sebastian Vettel einen neuen Teamkollegen an die Seite. Erwartest du einen harten Kampf?"
Webber: "Ich erwarte eine tolle Zusammenarbeit. Ich hatte noch niemals mit einem meiner Teamkollegen Probleme. Ich habe mich immer einem harten Wettbewerb gestellt, denn wir sind hier nicht auf einer Spaßveranstaltung. Wir gemeinsam müssen im Sinne des Teams das möglichst beste Ergebnis herausholen. Dafür sind wir beim Team angestellt. Ich bin entschlossen, für all diese Leute zu arbeiten. Sebstian und ich kommen gut miteinander aus. Er ist jung und schnell."

Frage: "Wird dein Teamkollege dein härtester Gegner?"
Webber: "Er wird einer der härtesten sein. Alle sind schnell. Aber daher will man in der Formel 1 fahren, um gegen die besten Piloten antreten zu dürfen. Ich habe in anderen Formel-Klassen meinen Teamkollegen deutlich beherrscht, war aber dennoch nicht so zufrieden. Das Gefühl ist besser, wenn du weißt, dass du aus dir und dem Auto alles herausgeholt hast, dich an die Grenzen gewagt hast und deinen Teamkollegen bezwingen konntest."


Fotos: Präsentation des Red-Bull-Renault RB5


Frage: "Es gibt neue Slicks, neue Aerodynamik, KERS und einen verstellbaren Frontflügel. Welche dieser Neuerungen wird die größte Herausforderung?"
Webber: "Natürlich ist die Aerodynamik der wichtigste Faktor, wenn es um die reine Rundenzeit geht. Aber KERS ist bezüglich Kosten, Entwicklung und Einbau im Auto arg unterschätzt. Für die Fahrer ist das nicht allzu kompliziert. Ich habe V10-Motoren erlebt, V8-Triebwerke, Reifenkrieg und Einheitsreifen - all diese Dinge hat man als Fahrer innerhalb weniger Tage im Griff."

Webber und die vielen Knöpfe

Frage: "Ihr habt nun ein paar Knöpfe mehr am Lenkrad. Bist du einer derjenigen Piloten, die gern mit den Schaltern und Knöpfen am Lenkrad arbeiten, oder sagst du eher: 'Lasst mich damit in Ruhe'?"
Webber: "Ich mache mich nicht wegen der vielen Verstellmöglichkeiten verrückt. Ich bin wahrscheinlich diesbezüglich irgendwo in der Mitte. Aber da müsstet ihr die Ingenieure fragen, denn ich habe keine Vorstellung davon, wie viel zum Beispiel David an den Knöpfen herumgespielt hat. Ich nutze es, um Feintuning zu machen. Michael Schumacher war diesbezüglich immer unglaublich."

Frage: "Hast du wegen KERS Sicherheitsbedenken?"
Webber: "Die Techniker sind zuversichtlich und sagen, dass man sich wegen der Sicherheit keine Sorgen machen muss. Ich hatte aber dennoch kleine Bedenken, als ich hörte, dass die ganzen Streckenposten spezielle Handschuhe anziehen sollen, wenn sie uns am Streckenrand helfen wollen. Das hörte sich an, als würden sie sich einer Zeitbombe nähern."

"Das hörte sich an, als würden sie sich einer Zeitbombe nähern." Mark Webber

"Jetzt sagen unsere Techniker aber, dass man das in den Griff bekommt. Sie können erklären, wie man damit umgehen muss und es scheint ein sicherer Umgang damit gewährleistet zu sein - auch ohne spezielle Ausrüstung. Das war mir wichtig, denn es gibt mir ein komisches Gefühl, wenn Leute nur mit spezieller Sicherheitsausrüstung an mein Auto dürfen, in welchem ich gerade sitze."

Frage: "Hattest du allein diese Sorge, oder war das ein Thema innerhalb der Fahrergewerkschaft GPDA?"
Webber: "Nicht so wirklich. Wir sind alle in einem Lernprozess. Wir wissen immer noch nicht, was passiert, wenn wir mal einen heftigen Unfall haben. Ich hoffe, dass die Kommunikation der Teams untereinander gut sein wird. Eigentlich sollten alle mit einbezogen werden, auch die Streckenposten und Fahrer. Das ist eine ganz neue Technologie und sie steckt noch in den Kinderschuhen."

Sind die Lizenzen wirklich super?

Frage: "Max Mosley hat gesagt, dass er am Freitag in Melbourne nur wenig Fahrbetrieb erwartet, weil die Fahrer ihre Superlizenzen noch nicht unterschrieben haben..."
Webber: "Wenn man uns mehr Reifensätze zur Verfügung stellt, dann fahren wir bestimmt. Aber ich bin erstaunt, dass sie uns nicht mehr Reifen geben..."

Frage: "Max sprach eigentlich eher von den Superlizenzen..."
Webber: "Ich weiß."

"Es fehlen mir noch 40 Prozent, würde ich mal schätzen." Mark Webber

Frage: "Kann es in Melbourne wegen der Lizenzgebühren zu einem Fahrerstreik kommen?"
Webber: "Nein."

Frage: "Was macht ihr denn, wenn die FIA nicht auf eure Bedingungen eingeht?"
Webber: "Die Zeit wird eine Lösung bringen."

Frage: "Wie fit ist dein rechtes Bein im Vergleich zum linken?"
Webber: "Es fehlen mir noch 40 Prozent, würde ich mal schätzen."

Frage: "Musst du diesen Test ablegen, wo es darum geht, schnell aus dem Auto herauszukommen?"
Webber: "Ja, den muss ich am Dienstag vor Melbourne absolvieren. Das wird aber kein Problem sein. Sieben Sekunden hat man dafür Zeit. Ich könnte das jetzt schon fast schaffen, wäre sicherlich nicht allzu weit davon entfernt."

Das Bein wird laufend besser

Frage: "Wurde dir am Donnerstag eine Schraube aus dem Bein entfernt?"
Webber: "Ja, das war auch so geplant. Die Schraube musste raus. In der vergangenen Woche ging es ganz gut und die Ärzte sagten, dass der Heilungsprozess noch einmal beschleunigt werden könnte, wenn sie die Schraube entfernen. Ein ganz normaler Vorgang war das."

"Das hat mich vielleicht erst einmal wieder leicht zurückgeworfen, aber langfristig ist das besser. Es geht mir nur um Melbourne. Bei dem Rennen möchte ich fit sein. Ich habe jetzt noch eine weitere große Schraube von etwa 25 Zentimetern Länge und drei kleinere drin. Die werden in 18 Monaten entfernt."


Fotos: Mark Webber in der Reha


Frage: "Du humpelst noch ein bisschen. Wie sehr behindert dich die Verletzung noch?"
Webber: "Laufen ist wirklich noch schwierig. Es geht nur darum, dass mein rechtes Bein 90 Minuten Rennen in Melbourne durchhält. Testen ist manchmal anstrengender als ein Rennwochenende, weil wir viel mehr fahren bei den Tests. Es geht wirklich nur um Melbourne. Da muss das Bein voll funktionstüchtig sein. Der Knöchel geht schon wieder sehr gut."

Frage: "Ist das Gefühl beim Gasgeben wieder zurück?"
Webber: "Ja, das Gefühl ist ganz gut. Das hat auch weniger mit dem Beinbruch zu tun, sondern vielmehr mit der Muskulatur. Die muss ich wieder aufbauen, denn das Bein lag vier oder fünf Wochen lang still."

Frage: "Wie war es für dich, in den vergangenen Wochen so untätig zuschauen zu müssen?"
Webber: "Die sechs Tage im Krankenhaus waren für mich eine ganz neue Erfahrung. Es war komisch, dass man auf andere Leute angewiesen war. Ich war zu Anfang wirklich in keiner guten Verfassung. Das war mir total neu. Diese Abhängigkeit, dass alles von anderen gemacht werden musste, war wirklich frustrierend."

"Viel leichter kann ich nicht werden, ich will es auch gar nicht versuchen." Mark Webber

"Danach wurde es deutlich besser, weil man regelmäßig Fortschritte mit dem Bein machte. Ich wollte eigentlich zusammen mit Troy Bayliss beim 'Race of Champions' fahren, aber das ging nicht. Erst nach fünf Wochen konnte ich nach Europa fliegen, vorher hätte es Probleme mit meinem Bein und der Durchblutung gegeben."

Frage: "Wie bist du überhaupt mit der Situation umgegangen, wo doch in diesem Jahr die große Chance auf Erfolg da ist. Hast du dich gefragt, warum es gerade jetzt und ausgerechnet dir passiert?"
Webber: "Ja, im ersten Moment unter Schock habe ich mich das gefragt. Aber schon nach kurzer Zeit dachte ich, dass dies nur eine weitere normale Hürde im Leben ist. Es gibt viele Leute, die haben ganz andere Probleme als ich. Ich nehme diese Herausforderung an und freue mich, sie zu meistern."

Abspecken ist nicht drin

Frage: "Wie groß ist dein Gewichtsnachteil im Vergleich zu den kleineren Piloten?"
Webber: "Ich wiege 75 Kilo. Viel leichter kann ich nicht werden, ich will es auch gar nicht versuchen. Ich habe früher einmal weniger gewogen und fühlte mich dadurch schwach und nicht wohl. Ich habe jetzt mein stabiles Wunschgewicht und daran kann ich nicht viel ändern. Wenn du zehn Kilogramm weniger wiegst, dann kann eben genauso viel Gewicht anderswo als Ballast eingesetzt werden."

"Auf machen Strecken macht das gar nichts aus, auf anderen aber schon etwas. Wenn ich das Setup gut hinbekomme und mich im Auto wohlfühle und dann nur wegen meines Körpergewichts langsamer bin, dann ist das natürlich frustrierend. Aber oftmals wird das gar keinen Unterschied ausmachen. Das sind vielleicht auch so Psychospielchen von Leuten, die stolz darauf sind, wenn sie mal fünf Kilo abgenommen haben."