• 23.07.2010 15:28

Vettels Formel-1-Simulator im Selbstversuch

Der Red-Bull-Simulator in Milton Keynes im Selbstversuch: Warum die Angst vor dem Dreher dazu gehört und was nicht simuliert werden kann

(Motorsport-Total.com/SID) - Sebastian Vettels bester Trainingspartner wird nie müde und ist zu Hause in einem kleinen fensterlosen Raum in der Red-Bull-Fabrik in Milton Keynes. Die Wände mattschwarz gestrichen, nur ein kleines silbernes Bullen-Logo sorgt für Auflockerung. Nichts soll Vettel & Co. ablenken von der eigentlichen Aufgabe: Training und Feinarbeit im hochmodernen Rennsimulator. Die vordere Hälfte eines Formel-1-Autos steht auf sechs riesigen Stoßdämpfern vor einer halbrunden Leinwand und beschert dem Fahrer eine fast perfekte Illusion.

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Realismus pur: Der Formel-1-Simulator von Red Bull in Milton Keynes

"Die mechanische Seite des Simulators kommt der Realität sehr nahe, das Chassis ist das gleiche wie bei einem richtigen Formel-1-Boliden, Lenkrad, Bremsen und so weiter auch", sagt Vettel. Nur die Fliehkräfte, Wind und Wetter fehlen - und Vettel auch ein bisschen der Nervenkitzel. "Im Simulator gibt es weniger Unfälle", meint der 23-Jährige.#w1#

Der Simulator im Selbstversuch: Dreher sind unvermeidbar

Im Gegensatz zu Vettel oder dessen Teamkollegen Mark Webber kommen die seltenen Gastfahrer ganz schnell ins Schwitzen - bereits wenn Andrew Damerum, der bei Red Bull für die Fahrerausbildung und vor allem den Simulator zuständig ist, sie im engen Cockpit festschnallt und das Lenkrad aufsteckt. "Mit dem Lenkrad ist Mark Webber im letzten Jahr noch gefahren, er könnte also auch einen Sieg oder einen Podiumsplatz damit geholt haben", erklärt Damerum.

Dann zieht Damerum sich zurück hinter seinen Kommandostand mit mehreren Computermonitoren und lässt seinen "Fahrschüler" noch ein paar Sekunden durchschnaufen. Über Kopfhörer kommen seine Anweisungen, ganz ruhig und bestimmt. "Du wirst dich drehen. Aber das gehört dazu, um ein Gefühl für den Simulator zu bekommen", sagt er und fügt hinzu: "In einem echten Rennwagen gehört die Angst vorm Dreher auch dazu."

Was den Mann im Cockpit nicht wirklich beruhigt. Immerhin, das Anfahren aus der Box klappt schon mal. Doch die erste Herausforderung kommt nach wenigen hundert Metern auf dem virtuellen Hockenheimring, wenn die Bernie-Ecclestone-Kurve auf der Leinwand immer näher kommt und der ungeübte linke Fuß die Fuhre rechtzeitig einbremsen soll. Und schon ist er da, der angekündigte erste Dreher. "Du steigst zu stark in die Bremsen, deine Vorderräder fangen dadurch an zu blockieren. Bevor ich dir weitere Anweisungen gebe, lass ich dich ein wenig weiter alleine ausprobieren", sagt Andrew. Die ersten Erfolgserlebnisse kommen. Man gewöhnt sich an die abrupten Bewegungen des Cockpits, das Zerren im Lenkrad, es kommt Fluss in die Runde.

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Warum ein Simulator für ein Formel-1-Team wichtig ist

Geht es hier noch mehr um die grobe Richtung, nutzen Vettel und Webber die Höllen-Maschine zur Feinabstimmung ihres eigenen Fahrstils und ihres Autos. "Ob das Verhalten der Reifen, Kupplung, Bremse, die Aerodynamik - wir können alles am Auto einstellen, was die Mechaniker an der Strecke auch verstellen können", sagt Damerum, was vor allem wegen des Testverbotes für das Team wichtig ist. "Bedingt durch die neuen Regeln haben wir immer weniger Möglichkeiten zu testen, doch der Simulator ermöglicht es uns, das Auto trotzdem weiterzuentwickeln", erklärt Vettel: "Zudem hilft er, neue Strecken wie in diesem Jahr zum Beispiel Südkorea besser kennen zu lernen."

Zwei bis drei Wochen dauert es, bis eine neue Strecke in der rund zehn Millionen Euro teuren Anlage programmiert ist. "Wir haben alle Formel-1-Strecken und auch viele andere Kurse kleinerer Serien hinterlegt", sagt Damerum, der seine Gäste auch virtuell in andere Rennautos setzen kann. Mit offiziellen Streckendaten und GPS-Karten aus dem Internet werden die Strecken bis aufs letzte Detail verfeinert, später dann mit den Telemetrie-Daten aus dem echten Auto abgeglichen. "Die Bodenwelle im neuen Silverstone-Teil haben wir jetzt auch", sagt Damerum. Und sein Gastfahrer hat am Ende ein gutes Gefühl, nachdem er einmal das Auto sogar im wilden Drift wieder eingefangen hat. Das war den vergossenen Schweiß wert.