Vettels Beinahe-Crash: War Ricciardo schuld?

Der Beinahe-Crash zwischen Ricciardo und Vettel hinter dem Safety-Car erhitzte die Gemüter: Was das Reglement besagt und wie die Schuldfrage aussieht

(Motorsport-Total.com) - Beinahe wäre in Abu Dhabi der Albtraum von Red-Bull-Boss Dietrich Mateschitz wahrgeworden. Der Österreicher besitzt zwei Formel-1-Teams, und Sebastian Vettel vom A-Team wäre beinahe mit Juniorpilot Daniel Ricciardo im Toro Rosso kollidiert. Und das auch noch mitten im Titelkampf. Der Zwischenfall passierte in der Safety-Car-Phase, als der "Aussie" in die Eisen stieg und Vettel, der aus der Boxengasse losgefahren war, beinahe in dessen Heck prallte.

Titel-Bild zur News: Daniel Ricciardo, Sebastian Vettel

Fast wäre es zum Crash zwischen Ricciardo und Vettel gekommen Zoom

Im letzten Moment verriss der Red-Bull-Pilot seinen RB8, wich neben die Strecke aus und krachte in ein Styroporschild, das die Piloten auf die Freigabe des DRS-Systems hinweisen soll. Dabei ging der Frontflügel des Heppenheimers, der nach einer Kollision mit Bruno Senna bereits etwas havariert war, endgültig zu Bruch, was einen ungeplanten Boxenstopp erforderte - Vettel musste die Aufholjagd von ganz hinten erneut starten.

Ricciardo ist sich keiner Schuld bewusst

Dementsprechend wütend äußerte er sich kurz nach dem Schock am Boxenfunk: "Was macht der Kerl? Der hält ja ständig an. Jetzt hab ich das DRS-Schild getroffen, weil ich dem Kerl ausweichen musste. Fuck!" Doch war der Zwischenfall wirklich Ricciardos Schuld? "Ich habe keine Ahnung, was passiert ist", sagte dieser unmittelbar nach dem Rennen gegenüber 'Autosport'. "Ich schaute in den Rückspiegel und sah, wie er durch einen Styroportafel fuhr."

Ricciardo sah an seinem Verhalten nichts Ungewöhnliches: "Ich muss noch schauen, ob ich irgendetwas falsch gemacht habe, aber er sollte mich sehen. Alle machten das Gleiche, genau das macht man in einer Safety-Car-Phase." Nach der erfolgreichen Aufholjagd auf Platz drei hatte sich auch Vettel wieder beruhigt: "Ich weiß nicht, was er getan hat. Er bremste, und ich war überrascht, mich hat es erwischt. Vielleicht hätte ich etwas aufmerksamer sein sollen, aber ich fuhr nach rechts und hatte nicht gerade Glück, dass dort eine DRS-Tafel stand, die ich direkt traf."

Parallele zu Singapur 2012

Ex-Formel-Pilot Alex Wurz bezeichnet die Situation ganz klar als "Missverständnis" zwischen Ricciardo und Vettel. "Der eine hat gebremst, um die Reifen und die Bremsen aufzuwärmen, und der andere hat beschleunigt, damit er die Hinterreifen auf Temperatur bekommt. Das wäre fast in die Hose gegangen."

Sebastian Vettel, Jenson Button

In Singapur hätte Vettel fast einen Auffahrunfall ausgelöst Zoom

Auch für 'Sky'-Experte Marc Surer ist klar, was die Piloten mit ihrem Verhalten bezwecken wollten: "Beim Reifen und Bremsen anwärmen gibt man schon immer mal wieder ein bisschen Gas und stoppt dann. Vettel wurde dabei überrascht." Der Schweizer fühlte sich in Abu Dhabi an einen Zwischenfall beim Nachtrennen in Singapur 2012 erinnert, als Vettel ebenfalls beinahe in einen Crash hinter dem Safety-Car verwickelt war. Damals allerdings mit umgedrehter Rollenverteilung: Vettel wärmte die Bremsen auf, und der hinter ihm fahrende Jenson Button wäre ihm beinahe ins Heck gedonnert.

Was sagt das Reglement?

"Da hat Vettel genau das gemacht, dass er plötzlich gebremst hat, und Button konnte dort nur noch mit knapper Not ausweichen", sagt er. Ein Blick in das Regelwerk der Formel 1 gibt etwas mehr Aufschluss, zeigt aber auch, wie viel Spielraum es bei der Beurteilung gibt: Artikel 40.5 des sportlichen Reglements (Das Formel-1-Reglement auf 'Motorsport-Total.com') besagt nämlich, dass "kein Auto unnötig langsam, unberechenbar oder auf eine Art gefahren werden darf, die als potenziell gefährlich für andere Fahrer oder jede andere Person zu jeder Zeit angesehen werden könnte, wenn das Safety-Car eingesetzt wird".

"Man darf keine sogenannten Schikane-Bremsungen machen." Marc Surer

"Man darf keine sogenannten Schikane-Bremsungen machen", fasst Surer zusammen. "Man soll die Bremse anwärmen, ohne plötzlich zu stoppen." Er sieht diesbezüglich kein Vergehen bei Ricciardo und stimmt daher mit der Meinung der Rennkommissare überein, die keine Strafe gegen den Toro-Rosso-Piloten aussprachen: "So ein richtiges Stoppen haben wir auch nicht gesehen, sondern es war ein Verlangsamen. Vettel wurde halt überrascht davon. Solche Sachen entstehen manchmal."

Horner: Ricciardo hat "zu früh" gebremst

Bei Red Bull gibt man sich bei den Aussagen zum Zwischenfall übrigens eher schmallippig: Während Toro-Rosso-Teamchef Franz Tost die Situation nicht einmal kommentierte, meinte Red-Bull-Teamchef Christian Horner gegenüber 'RTL' bloß, dass Ricciardo "zu früh" gebremst habe: "Sebastian musste ihm ausweichen und ist dann in die DRS-Tafel rein. Er war völlig überrascht, als er plötzlich auf der Bremse stand."

Red Bulls Motorsportkonsulent und Juniorteam-Chef Helmut Marko gab sich gebenüber 'Sky' ebenfalls wortkarg: "Hinter Ricciardo gab es ein kleines Missverständnis, und Sebastian hat etwas über den Haufen gefahren."