• 03.09.2008 09:05

Vasselon: "Spa ist schon sehr speziell"

Toyotas Pascal Vasselon im Teaminterview über die Herausforderungen der Strecke in Spa sowie die technische Herangehensweise seines Teams

(Motorsport-Total.com) - Einmal im Formel-1-Jahr machen sich die Rennställe auf nach Belgien und treffen dort auf eine der letzten ursprünglichen Rennstrecken im Kalender: Spa-Francorchamps. Wie die beiden anderen Klassiker auf der alljährlichen Formel-1-Route, Monaco und Monza, so wohnt auch Spa ein ganz spezieller Charme inne. Dort ist die Vergangenheit der Formel 1 noch sehr präsent und auch die Streckenführung unterscheidet sich deutlich von der heute oftmals sterilen und kalkulierten Rennatmosphäre.

Titel-Bild zur News: Timo Glock

Timo Glock und Toyota wollen in Spa den Aufwärtstrend erneut bestätigen

Frage: "Pascal, kann man dich als Spa-Fan bezeichnen?"
Pascal Vasselon: "Ich wohne ziemlich nahe an der Strecke und würde es als mein Heimrennen bezeichnen. Also - ja, ich liebe diesen Ort!"#w1#

Vasselon als Pendler

Frage: "Du fährst also jeden Tag von Spa nach Köln?"
Vasselon: "Ja, aber so will ist das nun auch wieder nicht. Das sind auf einer Strecke nur 100 Kilometer und das schlaucht meinen Toyota nicht wirklich. Ich kann den Autopiloten einstellen und dann ist das relativ entspannend. Ich fahre morgens gegen 6:20 Uhr los und bin erst nach halb zehn Uhr abends zurück - so sieht ein Formel-1-Arbeitstag aus. Da ist Verkehr dann wirklich kein Thema mehr."

Frage: "Warum lebt ein Franzose in Belgien?"
Vasselon: "Zunächst einmal ist das gut für meine Familie, denn wir wohnen im in dem Gebiet, wo Französisch gesprochen wird. Die Menschen dort scheinen auch eine andere Lebenseinstellung zu haben. Man kann sich leicht integrieren, wohingegen es mich in der kleinen Ortschaft bei Clermont Ferrand fast drei Jahre gekostet hat, um meine Nachbarn kennen zu lernen."

"Nach nur wenigen Monaten hatten wir in Belgien schon reichlich Freunde und ein gesellschaftliches Leben. Die Leute sind entspannt, das ist eine schöne Lebenseinstellung und die Raumschaft bietet reichlich Kultur. 20 Kilometer Richtung Osten wird Deutsch gesprochen, 20 Kilometer im Norden triffst du auf Holländisch und um Liege herum unterhalten sich die Menschen auf Französisch."

Eau Rouge noch immer eine Herausforderung

Frage: "Hälst du die Strecke für außergewöhnlich?"
Vasselon: "Aber klar! Mit dieser Meinung bin ich gewiss nicht alleine. Das ist einer dieser Orte, wo du den Einsatz eines Fahrers noch richtig spüren kannst und dort zu sein ist einfach großartig. Es ist herrlich, Formel-1-Fahrzeuge durch Eau Rouge fahren zu sehen - sie sind so schnell."

"Schade ist allerdings, dass Eau Rouge jetzt mit Vollgas gefahren werden kann. Beeindruckend ist das aber noch immer, denn du weißt natürlich, dass die Wagen nicht komplett am Limit sind. Alle Fahrer, Ingenieure und Teammitglieder gehen immer gerne nach Spa, auch wenn es regnet. Bei Sonnenschein ist es wirklich wunderschön."

Frage: "Geht die Eau Rouge unter allen Bedingungen voll? Sowohl im Qualifying als auch im Rennen?"
Vasselon: "Mit den V8-Motoren klappt das immer, ausgenommen natürlich im Regen. Wenn ich mich recht erinnere, dann gingen die V10-Aggregate zumindest in der Qualifikation auch voll, beim V8 kann man allerdings immer Bleifuß geben - unabhängig von Benzinladung und Reifenverschleiß. Was die Eau Rouge noch immer so besonders macht, sind die enormen Kräfte, die dort auf den Wagen und den Fahrer einwirken."

"Aufgrund des Abtriebs bei solch hohen Geschwindigkeiten bewegt man sich dort am Rande des Limits. Unsere Radaufhängungen sind so gestaltet, um extreme Bedingungen auszuhalten - und Eau Rouge in Spa ist eine solche extreme Kurve. Wenn wir Aufhängungselemente designen, dann ist diese Senke der Maßstab für große Kräfte. Aber auch die Reifen stehen unter enormem Druck."

In Spa ist mittlerer Abtrieb gefragt

Frage: "Wie würdest du aus technischer Hinsicht eine Runde beschreiben?"
Vasselon: "Spa ist, was das Layout angeht, schon sehr speziell. Es gibt viele Hochgeschwindigkeitskurven, die normalerweise viel Abtrieb verlangen. Aber aufgrund der langen Geraden kannst du einfach nicht mit viel Downforce fahren, das erlaubt die Aeroeffizienz einfach nicht."

"Wir benutzen daher mittleren Abtrieb und treffen auf eine Strecke, die fast sämtliche Bereiche des Wagens stark beansprucht. Nur das Bremssystem hat eigentlich vergleichsweise wenig zu tun in Spa. Man hat ausreichend Zeit, um seine Bremsen zu kühlen und harte Manöver kommen so gut wie gar nicht vor."

Frage: "Was gilt es, in Punkto Reifen zu beachten?"
Vasselon: "Es treten die beiden Haupt-Verschleißerscheinungen auf. Zum einen bekommen wir in den langen und schnellen Kurven Graining und aufgrund der hohen Durchschnittsgeschwindigkeit werfen die Reifen auch reichlich Blasen. Wir werden die beiden härtesten Reifenmischungen zum Einsatz bringen. Was uns angeht, so werden wir wohl eher auf den weicheren Gummis unterwegs sein. Wenn es bei den Reifen Probleme gab, dann waren wir meistens weniger stark betroffen als die anderen."

Sehr wechselhafte Streckenbedingungen

Frage: "Was kann man tun, um sich auf das unvorhersehbare Wetter vorzubereiten?"
Vasselon: "Statistisch gesehen hat es in den jüngsten Rennen in Spa nicht sonderlich viel geregnet, aber den Ruf hat es natürlich weg. Man muss allerdings aufpassen, denn nicht nur das Wetter ist dort unvorhersehbar. Bei Regen können sich die Bedingungen auf der Strecke sehr unterschiedlich sein."

"1995 konnte man bereits drei Runden nach Ende des Niederschlages mit Slicks die schnellsten Zeiten fahren, denn die Oberfläche trocknete derart schnell ab. 2005 haben wir das komplette Gegenteil erlebt, denn der Kurs hat eine halbe Ewigkeit gebraucht, um abzutrocknen. Damals schien die Sonne nicht so sehr, aber man muss auch sehen, was in den Tagen vor dem Rennen los war. Aber man kann natürlich niemals genau sagen, was in Spa alles passieren wird."

Frage: "Werdet ihr in Spa etwas Neues am Auto haben?"
Vasselon: "Wir haben die üblichen Neuentwicklungen am Auto, vor allem im Aerodynamikbereich. Das wird nicht unser Basispaket sein, also beginnen wir schon einmal von einem anderen Punkt aus. Wir waren zwar in der vergangenen Woche in Monza testen, haben uns dort allerdings eher auf den italienischen Grand Prix vorbereitet - in Monza braucht man schließlich ein einzigartiges Setup für wenig Abtrieb."