Spionage: Whiting-Bericht entlastet Renault

Ein Bericht eines FIA-Delegierten war für Renault der Schlüssel zur Straffreiheit - Informationen wurden angesehen, aber offenbar nicht verwendet

(Motorsport-Total.com) - 780 Seiten an Informationen hat Nigel Stepney im ersten Spionagefall dieses Jahres an McLaren-Mercedes weitergereicht, gut zehn weniger waren es zwischen Renault und den Silberpfeilen. Doch während das Team von Ron Dennis aus der Konstrukteurs-WM ausgeschlossen und zu einer Geldbuße von 100 Millionen US-Dollar verdonnert wurde, blieb Renault straffrei.

Titel-Bild zur News: Pat Symonds und Flavio Briatore

Renault kann Aufatmen: Man wurde schuldig gesprochen, aber nicht bestraft

Man muss vorwegschicken: Bei der ersten Anhörung vor dem World Council im Juli wurde McLaren-Mercedes - genau wie Renault gestern - in Bezug auf Artikel 151c des International Sporting Codes schuldig gesprochen, aber nicht bestraft. Allerdings wurde von der FIA im Urteil zusätzlich eine Passage formuliert, wonach neue Beweise zu einer zweiten Anhörung führen könnten - was dann ja auch der Fall war. Der Rest der Geschichte ist bekannt.#w1#

Umgang mit Informationen war anders

Im Fall von Renault wurde zumindest im kurzen ersten Statement der FIA keine solche "Bewährung" verhängt, auch wenn man wohl erst einmal die volle Urteilsbegründung abwarten muss, die heute veröffentlicht werden soll. Der Unterschied in den beiden Urteilen erklärt sich offenbar durch die Art und Weise, wie von den verdächtigten Teams nach dem Erhalt der Informationen mit eben diesen umgegangen wurde.

So hat Renault von Anfang an keinen Hehl daraus gemacht, vom Ex-McLaren-Ingenieur Phil Mackereth auf elf Computerdisketten Skizzen und Informationen über den MP4-22 von McLaren-Mercedes erhalten zu haben, die dann von mindestens neun Mitarbeitern auch tatsächlich gesehen wurden. Dem World Council ging es gestern in Monaco jedoch weniger um diese Tatsache als vielmehr darum, ob diese Informationen Einfluss auf das Design des Renault R27 hatten.

Also wurde der Technische Delegierte der FIA, Charlie Whiting, nach Enstone geschickt, um genau das zu untersuchen - und aufgrund des gestrigen Urteils muss man davon ausgehen, dass sein Bericht nicht belastend ausgefallen ist. Außerdem stellte FIA-Präsident Max Mosley klar, dass es abgesehen von den elf Disketten keinen Wissenstransfer mehr gegeben hat, während die Achse zwischen Stepney und Mike Coughlan permanent in Kontakt stand.

Kein laufender Informationstransfer

Max Mosley und Flavio Briatore

Max Mosley (links) mit Flavio Briatore beim Grand Prix von Monaco Zoom

"Die Person, die Informationen zu Renault gebracht hat, tat dies Ende des Sommers 2006. Darüber hinaus hat es unseres Wissens keinen weiteren Fluss an Informationen oder Dokumenten gegeben", erklärte Mosley. Die Anhörung sei "ganz normal" verlaufen, fügte er an: "Jeder wurde angehört, jeder hatte die Möglichkeit, seinen Standpunkt zu erklären - und die Entscheidung ist ja bekannt." Mehr wollte er vor Veröffentlichung der Urteilsbegründung nicht sagen.

Renault wurde in Monaco neben Teamchef Flavio Briatore vor allem durch Bob Bell, den Technischen Direktor für den Chassisbereich, repräsentiert. Der Brite zeigte sich zufrieden über den Ausgang der Anhörung: "Wir haben uns bestmöglich präsentiert. Ich denke, es ist ein faires und angemessenes Urteil", ließ er unsere Kollegen von 'SpeedTV.com' wissen. Und zur unwillkommenen Ablenkung durch den Fall meinte er: "Das gehört heutzutage wohl zum Formel-1-Business dazu..."

Übrigens: Hinter vorgehaltener Hand wird gemunkelt, dass Carlos Gracia, der Präsident des spanischen Automobilverbandes, die Entscheidung ebenfalls sehr begrüßt haben soll - kein Wunder, schließlich steht er Fernando Alonso sehr nahe, der bekanntlich zu Renault wechseln möchte, sich aber wegen einer drohenden Strafe noch nicht festlegen wollte. Gut möglich, dass der Doppelweltmeister seinen Vertrag nun bald unterschreiben wird...