• 11.05.2007 14:11

  • von Inga Stracke

Schumacher: "Habe kein Bedürfnis, ins Auto zu steigen"

Michael Schumacher im ausführlichen Medien-Gespräch über seine neue Rolle bei Ferrari, die Rückkehr an die Strecke und sein Leben ohne strikten Terminplaner

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Michael, mit welchen Gefühlen bist du hierher gekommen? Hast du dich gefreut auf den Besuch?"
Michael Schumacher: "Ich wäre nicht hier, wenn ich mich nicht freuen würde, denn es gibt keinen Grund, hier sein zu müssen. Ich habe nicht die Notwendigkeit gesehen, für die Überseerennen so weit zu reisen, aber hier bietet es sich an, die ganzen Freunde wieder zu sehen und ein bisschen zu helfen."

Titel-Bild zur News: Michael Schumacher

Michael Schumacher genießt es, nicht jeden Tag an die Formel 1 zu denken

Frage: "Hast du eine Änderung des Kreislaufs festgestellt, als du ins Fahrerlager gekommen bist?"
Schumacher: "Das hat nichts mit Adrenalin zu tun, wenn man nur zu Besuch hier ist. Ich muss ja keine Herausforderung bestehen."#w1#

Frage: "Was ist deine Aufgabe an diesem Wochenende?"
Schumacher: "Es geht darum, meine Erfahrung einzubringen, um den globalen Überblick des Geschehens zu sammeln und Informationen mitzuteilen. Das mache ich mit Jean (Todt; Anm. d. Red.) direkt oder mit dem jeweiligen Ansprechpartner."

Michael Schumacher will nicht ablenken sondern helfen

Frage: "Glaubst du, dass deine Anwesenheit das Team von der Arbeit ablenken könnte?"
Schumacher: "Wenn das so wäre, wäre ich nicht hier. Ich will helfen, wo ich kann. Ich werde auch nur in die Briefings gehen, wenn ich gebraucht werde."

"Felipe muss ich keine Ratschläge mehr geben." Michael Schumacher

Frage: "Dein gutes Verhältnis zu Felipe Massa ist bekannt, aber wie viele Sätze hast du seit Saisonbeginn schon mit Kimi Räikkönen gesprochen?"
Schumacher: "Ich habe auf diese Frage schon gewartet, weil ich es spannend finde, dass man jetzt analysiert, wie viele Worte ich mit dem einen oder anderen Fahrer wechsle, um daraus Schlüsse auf das Verhältnis zu ziehen. Das ist schon witzig, was sich da so abspielt."

"Ich bin über die Jahre ein guter Freund von Felipe geworden, speziell im letzten Jahr. Es ist nun mal so: Kimi kenne ich noch nicht so lange, aber das wird sich noch ändern mit der Zeit. Das sind eben persönliche Dinge, das hat nichts mit dem Beruflichen zu tun. Und Felipe muss ich keine Ratschläge mehr geben. Das war vielleicht im Vorjahr noch so, aber jetzt nicht mehr."

Frage: "Was sagst du zu Kimi Räikkönens Leistungen?"
Schumacher: "Es ist nicht meine Aufgabe, das zu kommentieren. Ich habe natürlich eine Meinung dazu, aber ich sehe keinen Grund, warum ich dazu etwas sagen sollte. Das könnte das Team nur ablenken - und das möchte ich nicht."

Frage: "Kannst du die Emotionen nach einem Ferrari-Sieg heute und nach deinen Siegen im Cockpit miteinander vergleichen?"
Schumacher: "Das hängt davon ab, wo man ist. Das Team war immer die Nummer eins, das ist noch immer so. Wenn man mit dem Team feiern kann, ist es besonders schön."

Frage: "Hast du mit Fernando Alonso schon gesprochen?"
Schumacher: "Ich telefoniere regelmäßig mit ihm (grinst; Anm. d. Red.)! Nein, wir haben keinen Kontakt."

Was macht Michael Schumacher eigentlich?

Frage: "Wurdest du vom Team nach den ersten Rennen schon mal um Rat gefragt und hast du noch eine gültige Superlizenz?"
Schumacher: "Ich habe keine Lizenz beantragt, zumindest nicht, dass ich wüsste. Ich bin nicht der Meinung, dass man ins Detail gehen muss, um meine Arbeit hier zu analysieren. Genauso wenig gibt es einen genauen Ablauf meiner Arbeit."

"Die Position, die ich ausführe, hat es bisher nicht gegeben. Ich weiß nicht, ob es die anderswo schon einmal gegeben hat. Es gibt weder einen Titel noch einen Ablauf noch ein Schema, sondern es ist eher so gedacht, dass ich in Problemphasen meine unterstützende Meinung einbringe."

"Im Moment ist das nicht wirklich notwendig. Es ist minimal, was ich da beitragen könnte. Ich bin sehr happy, denn es gibt nichts Schöneres als wenn man nach so vielen Jahren Freunde verlässt, aber dann sieht, es geht trotzdem weiter. Darüber freut man sich natürlich."

Frage: "Sagst du dir aufgrund der starken Ferrari-Leistungen, dass du vielleicht ein Jahr zu früh aufgehört hast?"
Schumacher: "Nein, im Gegenteil: Ich freue mich, dass es so weitergeht, wie es im letzten Jahr aufgehört hat."

Besucher zu sein, ist eine "interessante Erfahrung"

Frage: "Was ist dir durch den Kopf gegangen, als wir alle in Australien waren und du am Sonntag am frühen Morgen das Rennen zu Hause geschaut hast?"
Schumacher: "Überraschenderweise nicht sehr viel, weil es noch zu weit weg war für mich. Es ist jetzt anders, wo ich hier im Fahrerlager bin, aber es von so weit weg zu beobachten, das war eine interessante Erfahrung. Ich hatte Zeit, mir die ersten drei Rennen anzuschauen."

Frage: "Ross Brawn findet es mühsam, die Rennen im Fernsehen anzuschauen, weil man nicht die Informationen wie an der Rennstrecke hat. Wie geht es dir damit?"
Schumacher: "Ein bisschen anders, weil ich bei den meisten Rennen online bin."

Frage: "Es gibt eine neue Fahrergeneration..."
Schumacher: "Die ersten Rennen waren aufregend - neue Fahrer, neue Gesichter, ein toller Wettkampf. So soll es sein."

Lob vom Ex-Champion für Hamilton

Frage: "Was sagst du zu den Leistungen von Lewis Hamilton?"
Schumacher: "Er macht einen sehr guten Job. Ich bin aber angesichts seiner Rennen im Vorjahr nicht überrascht darüber. Er ist schnell und macht keine Fehler. Ob er ein Weltmeister der Zukunft ist, muss man abwarten, denn es gibt viele gute Fahrer im Feld."

"Im Moment habe ich kein Bedürfnis, ins Auto zu steigen." Michael Schumacher

Frage: "Du hast gesagt, du verspürst kein Bedürfnis, ins Auto einzusteigen. Wie sehr spielt da die Angst eine Rolle, es vielleicht zu sehr zu mögen?"
Schumacher: "Gar nicht. Wenn ich die Sehnsucht verspüren würde, dann hätten sich wahrscheinlich Möglichkeiten ergeben. Im Moment habe ich kein Bedürfnis, ins Auto zu steigen."

Frage: "Als Fahrer musstest du dich immer sehr politisch äußern. Hast du jetzt das Gefühl, dass du sagen darfst, was du willst?"
Schumacher: "Im Privaten ja, das konnte ich aber vorher auch."

Schumacher genießt sein Leben ohne Zeitplan

Frage: "Was macht dir an deinem neuen Leben am meisten Spaß?"
Schumacher: "Die Zeit zu haben, einmal Urlaub zu machen - speziell wenn die Kinder Ferien haben. Man kann einfach die Zeit nutzen, um zusammen zu sein. Das war in zehn Jahren davor ja nicht möglich. Ich kann jetzt meinen eigenen Zeitplan machen."

Frage: "Was geht dir heute durch den Kopf, wenn du morgens aufwachst, und wie strukturiert ist dein Leben jetzt noch?"
Schumacher: "Es ist offensichtlich, dass man nicht jeden Morgen aufwachen und an die Formel 1 denken muss, sondern dass einem andere Dinge durch den Kopf gehen. Das ist aufregend."

Frage: "Was vermisst du am meisten, wenn du an die Formel-1-Szene denkst?"
Schumacher: "Den Kontakt zu den Jungs. Das sind doch viele Freundschaften. Speziell der Donnerstag war immer sehr angenehm, als wir gemeinsam Kicker gespielt haben. Diese persönlichen Dinge fehlen mir schon."

Frage: "Wo holst du dir das Adrenalin, das du früher durch die Formel 1 hattest? Du bist mal mit Walen getaucht, hast gesegelt und so weiter. War da auch etwas Spezielles dabei?"
Schumacher: "All die Dinge waren Highlights, auf andere Art und Weise. Ich habe das nicht gemacht, um den Adrenalinspiegel hoch zu halten, sondern das waren Dinge, die ich machen wollte, wozu es aber vorher nicht gereicht hat. Die einzige Sache, die mir immer schon viel Spaß gemacht hat, ist das Fußballspielen. Das kann ich natürlich jetzt noch ein bisschen intensiver betreiben."

Keine Lust auf den Job des Teamchefs

Frage: "Hast du Ambitionen, einmal ein Team zu besitzen oder Teamchef bei Ferrari zu werden?"
Schumacher: "Nein, überhaupt nicht."

Frage: "Spitzensportler tun sich nach dem Rücktritt oft schwer mit dem Abbau des Trainingsumfangs. Wie bewusst bist du dieses Thema angegangen?"
Schumacher: "Dadurch, dass ich meine Fußballkarriere jetzt vorantreiben musste, gibt es da keine Einschränkungen. Es geht weiter, ich trainiere andere Dinge, aber ich habe nicht bewusst drauf achten müssen. Ich mach schon weniger, klar. Und ins Fitnessstudio gehe ich nicht mehr."

Frage: "Du machst einen sehr fitten Eindruck. Glaubst du, dass du hier auf Anhieb die gleichen Zeiten fahren würdest wie die Kollegen um dich herum?"
Schumacher: "Das Schöne ist, dass man genau diese Frage in beide Richtungen sehen kann. Jeder hat seine eigene Antwort. Das Schöne ist, dass ich genau zum richtigen Zeitpunkt abgetreten bin, so dass man da keine vorgefertigte Meinung hat."

Frage: "Du bist ja auch Botschafter der Fußball-EM im nächsten Jahr. Was wirst du da machen?"
Schumacher: "Es ist in erster Linie eine Bereitstellung meiner Person. Wir haben vor, mit ein paar Bambinis gewisse Übungen zu machen und den Tag zu verbringen, bei uns im Klub - als Werbekampagne für die Europameisterschaft. Ansonsten sind damit nicht wirklich große Verpflichtungen für mich verbunden."

Frage: "Bundespräsident Horst Köhler hast das Bundesverdienstkreuz für dich abgelehnt. Hast du das mitbekommen und hättest du es gerne?"
Schumacher: "Ich habe unterschiedliche Versionen gehört, warum das nicht zustande kommt. Ich finde es aber schön, dass manche Bürger darüber nachdenken. Das ist viel wichtiger als jeder Titel und jede Ehrung. Mir war das in der Vergangenheit nicht so wichtig. Daran hat sich nichts geändert."

Frage: "Weißt du schon, zu welchen Rennen du noch kommen wirst?"
Schumacher: "Nein. Das lasse ich auf mich zukommen. Wenn ich gebraucht werde oder wenn ich Lust habe, werde ich kommen."