Red Bull Renault - Von der Zweckehe zur Liebesbeziehung

Wie sich Red Bull und Renault nach anfänglichen Schwierigkeiten zusammenrauften und nun die Formel 1 dominieren und worauf es bei einem Formel-1-Motor ankommt

(Motorsport-Total.com) - Das Blatt hat sich gewendet: Vor wenigen Jahren machte man bei Red Bull keinen Hehl daraus, mit den Renault-Motoren unzufrieden zu sein. Es fehle an Leistung, hieß es stets, die Mercedes-Motoren seien den französischen Aggregaten deutlich überlegen. Ende 2009 warf man McLaren vor, die Wechselpläne des Aufsteiger-Teams auf das Stuttgarter Kraftpaket mittels Veto zerschlagen zu haben, um eine Red-Bull-Dominanz in der Formel 1 zu verhindern.

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Red Bull und Renault dominieren seit zwei Jahren die Formel 1

Zwei Jahre später sieht die Welt völlig anders aus: Red Bull sicherte sich im Vorjahr beide WM-Titel, dieses Jahr deutet alles darauf hin, dass man neben Sebastian Vettels Titelverteidigung auch in der Konstrukteurs-WM wieder zuschlagen wird. Und aus der Zweckehe scheint eine Liebesbeziehung geworden zu sein: Am Rande des Monza-Wochenendes gab man eine Verlängerung des Vertrages bis 2016 bekannt - somit setzen die "Bullen" auch in der ab 2014 beginnenden V6-Ära auf die Motorenexperten aus Viry-Chatillon.

Red Bull unterstützte Renault

Auch das einstige Leistungsdefizit auf Hochgeschwindigkeits-Strecken scheint kein großes Thema mehr zu sein - in Spa-Francorchamps und in Monza triumphierte Weltmeister Vettel. Laut dessen Teamkollegen Mark Webber, der 2007 gemeinsam mit den Renault-Motoren zum Team stieß, war die Partnerschaft anfangs "ziemlich herausfordernd." Doch gemeinsam gelang es Renault und Red Bull, den Boliden von Adrian Newey und den Motor zu einer unschlagbaren Einheit zu machen. "Es ist uns gelungen, dass der Motor auf einem ziemlich hohen Niveau funktioniert", bestätigt Webber.¿pbvin|512|4171|infiniti|0|1pb¿

Daran waren die Techniker in Milton Keynes keineswegs unbeteiligt: "Das Team hat Renault auch dabei geholfen, mehr aus ihrem Motor herauszuholen. Wir wissen, dass der Auspuff jetzt eine Rolle spielt, es gibt viele unterschiedliche Dinge, die abseits der Strecke Aufmerksamkeit erfordern und Zeit benötigen. Das Zusammenspiel von Motor und Chassis ist sehr wichtig."

"Das Team hat Renault auch dabei geholfen, mehr aus ihrem Motor herauszuholen." Mark Webber

Wie Renault und Red Bull zur Einheit wurden

Das bestätigt auch Renaults Motorenchef Rob White gegenüber 'Motorsport-Total.com': "Red Bull hat uns sehr hart gepusht, was wir als absolut gesund ansehen. In den vergangenen zwei Jahren haben wir die Früchte dieser gemeinsamen Bemühungen geerntet." Zu Beginn der Partnerschaft war Red Bull neben dem Werks-Rennstall nur die zweite Wahl, dennoch, so White, "wurden die Teams gleich behandelt, denn Renault besitzt eine Kultur der Fairness."¿pbvin|512|4175|red bull|0|1pb¿

Später wuchs das Vertrauen und "als sich Red Bull besser entwickelte, konnten wir unseren Teil dazu beitragen. Wir haben sie kennengelernt und sie uns und wir haben gelernt, die Beziehung zwischen Red Bull und Renault besonders effektiv zu gestalten." Doch was meint der Brite damit genau? "Wir versuchen, die allgemeine Performance des Autos statt einer unabhängigen Charakteristik zu verbessern, daher gibt es einen unterschiedliche Bereiche umfassenden Austausch", erklärt er die Herangehensweise von Renault.

"Wir versuchen, die allgemeine Performance des Autos statt einer unabhängigen Charakteristik zu verbessern." Rob White

"Wir versuchen im Großen und Ganzen, das Vorankommen in der Weltmeisterschaft zu optimieren, brechen das dann auf das Rennergebnis, dann auf die Rundenzeit und so weiter herunter. Es ist eine Herangehensweise auf unterschiedlichen Ebenen, aber insgesamt steht die Performance des Autos über einem individuellen Aspekt des Motors", präzisiert er.

Aus der Vergangenheit gelernt

Obwohl es in der Ehe auch Krisen gab, ist man bei Red Bull heute heilfroh, stets an Renault als Motorenpartner festgehalten zu haben. "Die Kontinuität war sehr wichtig und ein absolutes Kernthema", erklärt Webber. "Wenn man alle drei Jahre den Motor wechselt, dann ist das sehr hart - in punkto Design, Personal und so weiter. Das war bei uns sehr gut. Wenn man so einen Partner besitzt und mit ihm alle guten Ergebnisse einfährt, dann ist die Ehe umso schöner. Nichts währt ewig, aber wir werden noch lange zusammenarbeiten und es ist eine gute Partnerschaft."

Was Webber meint, manifestierte sich bei Red Bull 2006 auf bittere Art und Weise: Weil der damalige Technikchef Mark Smith beim Design des neuen Boliden nicht berücksichtigt hatte, dass der Ferrari-Motor eine größere Kühlung benötigt als der Cosworth-Motor aus dem Vorjahr, konnte man bei den Wintertests stets nur wenige Kilometer fahren, ehe das Aggregat aus Maranello überhitzte. Den Technikern blieb nichts anderes übrig, als große Kühlöffnungen in die Karosserie zu schneiden - die Aerodynamik des Boliden funktioniert durch diese Notlösung aber alles andere als optimal.

"Wenn man alle drei Jahre den Motor wechselt, dann ist das sehr hart - in punkto Design, Personal und so weiter." Mark Webber

Im gleichen Jahr stieß Stardesigner Adrian Newey zum Team, der sich für die Saison 2007 aufgrund der Elektronik für einen weiteren Wechsel auf Renault-Motoren stark machte - der Beginn einer Erfolgsgeschichte. Das Designgenie wusste bereits aus seiner erfolgreichen Zeit bei Williams, wozu Renault imstande ist.

Renaults Erfolgsstrategie

Motorenchef White bestätigt: "Rennsiege und WM-Titel liegen der Motorenabteilung in Viry-Chatillon im Blut. Da wir in der Vergangenheit Rennen und Weltmeisterschaften gewonnen haben, wissen die Leute dort, wie es sich anfühlt. Man versucht, diese Gefühle abzurufen und daher sind wir voll motiviert, es immer wieder zu schaffen."¿pbvin|512|4164|red bull|0|1pb¿

Dennoch läuft man nicht Gefahr, sich auf den Lorbeeren der Vergangenheit - seit 2005 holte man als Motorenhersteller vier Konstrukteurs- und drei Fahrer-WM-Titel - auszuruhen. "Die wichtigste Erkenntnis ist, wie schwierig es ist, die erforderlichen Resultate zu holen, um die Weltmeisterschaften anzuführen", sagt White. "Jedes Rennen und jede Weltmeisterschaft ist anders und die Vergangenheit gibt dir kein Recht, etwas in der Zukunft für gegeben zu halten. Daher müssen wir erkennen, dass alle unsere Hoffnungen für die Zukunft auf Resultaten und dem gegenwärtigen Erfolg beruhen."

"Wir müssen erkennen, dass alle unsere Hoffnungen für die Zukunft auf Resultaten und dem gegenwärtigen Erfolg beruhen." Rob White

In Zukunft stärkerer Gegenwind?

Die wahre Aufgabe sei es daher, "nach vorne zu blicken und so viel wie möglich aus unseren guten und weniger guten Ergebnissen in der Vergangenheit zu lernen, daraus einen Vorteil zu ziehen und die Wahrscheinlichkeit zu maximieren, auch in Zukunft gut abzuschneiden."

Der Brite rechnet damit, dass es in den kommenden Jahren schwierig sein wird, das derzeitige Niveau zu halten: "Die kommende Weltmeisterschaft ist immer schwieriger als die vorangegangene. Nicht nur wir verlangen uns selbst mehr ab, sondern auch unsere Konkurrenten werden immer hungriger und entschlossener. Jedes gute Ergebnis von uns motiviert unsere kompetente Konkurrenz und wir müssen vorne bleiben."

"Jedes gute Ergebnis von uns motiviert unsere kompetente Konkurrenz." Rob White

Renault: Reglementeinschränkungen werden überbewertet

Zyniker behaupten, dass die Motoren in der Formel 1 ohnedies standardisiert sind und in diesem Bereich keine Fortschritte möglich sind. White hält dagegen: "Wenn wir uns das aktuelle technische Reglement anschauen, das auf dem Jahr 2006, dem ersten Jahr der V8-Motoren, basiert, dann gibt es einige Dimensionen und Kriterien, die für uns alle fixiert sind. Ich glaube wirklich, dass es sich nur um einen kleinen Teil im großen Feld des Motorendesigns und der Entwicklung handelt - es werden zehntausende eigenständige Design-Entscheidungen getroffen, daher sind die geringen Vorgaben im Regelbuch keine große Sache."

White unterstützt das aktuelle Reglement: "Die Vorgaben liefern so etwas wie ein Sicherheitsnetz für den Sport, sie sorgen dafür, dass sich die Motoren in ihrer Gesamtanordnung ähneln. Das ist eine gute Sache für den Motorenmarkt in der Formel 1 und für den Sport. Ich habe das Gefühl, dass das nicht einmal die puristischsten Motoren-Fachleute stören sollte."

"Es werden zehntausende eigenständige Design-Entscheidungen getroffen." Rob White

Worauf es bei einem modernen Formel-1-Motor ankommt

Doch worauf kommt es bei einem aktuellen Formel-1-Motor eigentlich an? White verweist auf vier Kernpunkte: Leistung, Fahrbarkeit, Spritverbrauch und der Einbau in den Boliden. "Bei einem vernünftigen Motor ohne besonderen Schwachpunkt ist die Leistung bei Vollast die für die Performance entscheidendste Disziplin", verweist er auf die einstige Schwäche des Renault-Aggregats.¿pbvin|512|4161|red bull|0|1pb¿

Danach reiht er die traditionelle Renault-Stärke: die Fahrbarkeit. "Sie ist besonders wichtig, denn die Rundenzeit, die man durch eine schlechte Fahrbarkeit liegenlässt, ist ziemlich groß. Spritverbrauch ist auch wichtig. Der vierte Bereich wäre alles, was mit dem Einbau ins Auto zu tun hat, mit der Wärmeabführung durch Öl und Wasser, der Robustheit im Rennauto. Da kann das Rennteam ziemlich bestraft werden, wenn das Arbeitsfenster des Motors zu schmal ist, wenn der Motor sehr fragil ist und - einmal außerhalb der Behaglichkeits-Zone - Performance verliert oder kaputt wird."

"Bei einem vernünftigen Motor ohne besonderen Schwachpunkt ist die Leistung bei Vollast die entscheidendste Disziplin." Rob White

Vor allem in punkto Zuverlässigkeit sieht White das auf Zuverlässigkeit ausgelegte derzeitige Motorenreglement als großen Fortschritt. "Ein Vorteil der Motoreneinfrierung ist, dass wir extrem viel dabei gelernt haben, die Motoren anzugleichen, die Laufzeit zu verlängern, ohne dabei Leistung zu verlieren, und mit frühem Missbrauch umzugehen, weil wir den Motor ja wieder verwenden müssen. Das sind Dinge, die nicht sichtbar sind, die aber die Qualität der Rennteams deutlich verbessert haben."