Quali-Aufreger: Wieso Hülkenberg gegen Hamilton kämpfte
Nico Hülkenberg verwickelte Lewis Hamilton im Sotschi-Qualifying in ein Duell, wie es manche Rennen nicht bieten: Der Grund dafür und was er sich für Sonntag ausrechnet
(Motorsport-Total.com) - Es war der Aufreger des spannenden Qualifyings in Sotschi: Mercedes-Superstar Lewis Hamilton wärmte in Q3 gerade seine Reifen auf, als ihn plötzlich Nico Hülkenberg beim Anbremsen der ersten Kurve attackierte. Der Brite vereitelte das Vorhaben, der Renault-Pilot ließ sich aber nicht abschütteln, und die beiden flogen Rad an Rad durch die ultraschnelle Kurve 3. Erst dann presste sich der Emmericher vorbei und machte sich vor dem Silberpfeil breit - Hamilton musste sich geschlagen geben. Ein Zweikampf, wie man ihn selbst in Rennen nicht so oft sieht. Und das im Qualifying.
© LAT
Nico Hülkenberg biegt Lewis Hamilton im Zweikampf - und das im Qualifying! Zoom
Darauf angesprochen, gibt sich Hülkenberg zunächst cool - und tut so, als wisse er von nichts: "Daran kann ich mich gar nicht erinnern. Ich war so im Tunnel und mit mir selbst beschäftigt." Nachsatz: "Das hat wohl keinen bleibenden Eindruck hinterlassen." Und auch Hamilton lässt sich nichts anmerken: "Es braucht viel mehr, um mich zu stören."
Doch warum kam es überhaupt zur Attacke? Hülkenberg, der sich plötzlich doch wieder erinnern kann, erklärt: "Wir haben beschlossen, dass wir bereits in der zweiten Runde unsere Zeit fahren, also eine schnellere Outlap fahren. Und weil ich damit rechnete, dass Lewis noch eine Aufwärmrunde fahren würde, habe ich versucht, vorbei zu kommen."
Die Hamilton-Schikane
Dazu kommt, dass es besonders unangenehm ist, Hamilton im Qualifying vor der schnellen Runde vor sich zu haben, wie Hülkenberg verrät: "Er lässt normalerweise eine superlange Lücke nach vorne, wenn er seine Runde beginnt, also wollte ich vor ihm sein." Die Gegenwehr kam für den Renault-Piloten überraschend: "Ich weiß nicht, was er sich dabei gedacht hat. Aber das ist keine große Sache."
Folgen hatte der Zwischenfall keine: Hülkenberg, dessen Reifen beim ersten Q3-Versuch nach dem Hamilton-Duell bereits etwas zu heiß waren, verbesserte seine persönliche Bestzeit im zweiten Versuch um eineinhalb Zehntel auf 1:35.285 Minuten, wodurch er seinen ehemaligen Teamkollegen Sergio Perez hinter sich ließ und Startplatz acht einfuhr. An Ende fehlten ihm 2,091 Sekunden auf die Bestzeit von Landsmann Sebastian Vettel.
Er rechnet allerdings nicht damit, die Position auch im Rennen halten zu können: "Ein Punkt ist unser Ziel." Denn der Renault-Bolide ist im Rennen meist schwächer als im Qualifying. Der neue Frontflügel sollte das Problem zwar beheben, doch ganz glücklich ist Hülkenberg mit den Änderungen noch nicht. "Das wird morgen ein hartes Stück Arbeit. Ich glaube nach wie vor, dass das Rennen für uns der schwierigere Teil ist. Das Auto lag auch gestern im Longrun nicht super, weshalb ich etwas skeptisch bin. Wir haben natürlich über Nacht etwas an der Balance getan, weshalb es morgen hoffentlich ein bisschen besser wird."
Hülkenberg fürchtet im Rennen sein Ex-Team
Während er Williams vor allem wegen der Mercedes-Antriebseinheit als stark einschätzt, rechnet er vor allem mit viel Druck durch die beiden Force-India-Piloten direkt hinter ihm: "Sie sahen gestern sehr stark aus, heute ein bisschen schwächer. Morgen sind sie sicher sehr schnell." Hülkenbergs Renault-Team wird vermutlich froh sein, wenn das Sotschi-Wochenende vorbei ist. Denn: Die Truppe aus Enstone ist nach den Überstunden der letzten Tage bereits ausgelaugt.
Beim Boliden wurden Jolyon Palmer musste über Nacht ein Chassiswechsel vorgenommen werden, weil wegen eines Auspuff-Lecks am Vortag Teile des Autos durchgeschmort waren. Daher konnte er auch am Vormittag im Freien Training bloß vier Runden fahren. Und im Qualifying setzte er seinen Boliden in die Reifenstapeln, wodurch er seinen Mechanikern noch mehr Arbeit beschwerte. Der Brite startet somit als 16., obwohl er laut Technikchef Nick Chester "locker das Tempo hatte, es auch in Q3 zu schaffen."
Palmer klagt nach Crash: "Habe immer Probleme"
Der Grund für Palmers Ausrutscher? Nach einem Fehler in der ersten schnellen Runde stand er laut eigenen Angaben "unter Druck. Ich habe alles gegeben, fuhr zu stark über den Randstein - und das war es." Den Unfall nimmt er auf seine Kappe, aber er führt ihn auch auf die Umstände zurück: "Ich habe in dieser Saison nur einmal ein ordentliches drittes Training absolviert - in China. Sonst hatte ich immer ein Problem. Und wenn man kaum Runden fährt, dann muss man etwas aus dem Hut zaubern, zumal das Tempo ja eigentlich gut ist."
Dennoch glaubt er an daran, dass das Wochenende ein gutes Ende nehmen könnte: "Im Vorjahr war ich 17. in der Startaufstellung und nach einer Runde Zehnter. Wenn uns das wieder gelingt, dann sind Punkte möglich. Alles kann bei diesem Rennen passieren, vor allem beim Start."