Peter Sauber im exklusiven Interview

Weniger als zwei Wochen vor dem ersten Grand Prix 2003 nahm sich Peter Sauber Zeit, Fragen von 'F1Total.com' zu beantworten

(Motorsport-Total.com) - Nur noch weniger als zwei Wochen bis zum ersten Grand Prix der neuen Saison in Melbourne und das Sauber-Team hat seine Vorbereitungen bereits abgeschlossen. Kurz vor der Abreise nach Australien nahm sich Teamchef Peter Sauber allerdings noch Zeit, einige Fragen von 'F1Total.com' zu beantworten.

Titel-Bild zur News: Peter Sauber

Am 9. März beginnt für Peter Sauber und sein Team die neue Saison

Frage: "Nur noch ein paar Tage bis zum ersten Rennen. Was wäre für Sie in Melbourne ein akzeptables Abschneiden?"
Peter Sauber: "Wie in den beiden letzten Jahren stecken wir uns hohe Ziele: Im Training wollen wir einen Sauber-Petronas unter die ersten Zehn bringen und vom Rennen in Melbourne möchten wir vier WM-Punkte mitnehmen."

Platz fünf im Markenpokal bleibt das Ziel

Frage: "Ist der fünfte Platz in der Weltmeisterschaft bei der starken Konkurrenz der Hersteller überhaupt zu verteidigen?"
Sauber: "In der Tat ist es so, dass hinter den großen Drei sechs Teams um die Plätze kämpfen. Die vier Werksteams von Renault, BAR-Honda, Toyota und Jaguar betreiben einen enormen Aufwand. Auch Jordan ist nicht zu unterschätzen. In diesem Feld wollen wir eine wichtige Rolle spielen. Das wird sicher nicht einfach werden, aber ich bin dennoch zuversichtlich, dass wir das dank unserer effizienten Struktur und Arbeitsweise schaffen können."

Frage: "Langfristiges Ziel eines jeden Teams muss der WM-Titel sein. Lebt dieser Traum noch?"
Sauber: "Das ist nicht ein Traum, sondern ein langfristiges Ziel. Aber wir machen einen Schritt nach dem andern. Wir investieren zurzeit 50 Millionen Euro in einen topmodernen Windkanal, der es uns ermöglichen wird, unsere Wettbewerbsfähigkeit mittelfristig weiter zu verbessern."

C22 verfügt über "fantastische Zuverlässigkeit"

Frage: "Der C22 scheint sehr zuverlässig zu sein, allerdings war man mit der Aerodynamik am Anfang nicht zufrieden. Wie sehr wird sich die Aero-Spezifikation vom Rollout in Barcelona von der Melbourne-Version des C22 unterscheiden?"
Sauber: "In der Tat hat der Sauber-Petronas C22 eine fantastische Zuverlässigkeit an den Tag gelegt, was eine sehr gute Basis darstellt. Die aerodynamische Entwicklung bleibt nie stehen. Bei unseren Tests wurden laufend neue Teile ausprobiert und wir werden nun die beste Konfiguration in Melbourne verwenden. Der C22 hat ein sehr großes Potenzial, das wir nun Schritt für Schritt weiter ausschöpfen werden."

Frage: "Heinz-Harald Frentzen wurde bei Jordan unter anderem entlassen, weil er seine eigenen Ideen den Ingenieuren aufdrängen wollte. Ist sein technisches Engagement daher vielleicht sogar schon störend oder sehen Sie es als Bereicherung?"
Sauber: "Wir kennen Heinz-Haralds großes Interesse an der Technik und erleben das durchaus als Bereicherung."

Für Vergleich der Fahrer ist es noch zu früh

Frage: "Kann man die Arbeitsweise von Heinz-Harald und Nick vergleichen?"
Sauber: "Um diesen Vergleich wirklich schlüssig zu ziehen, muss man die ersten Rennen abwarten."

Frage: "Wer von Ihren Fahrern war bei den bisherigen Tests schneller?"
Sauber: "Soweit sich das vergleichen lässt, waren die beiden sehr ausgeglichen, was ich positiv werte."

Frage: "Ihnen wurde vorgeworfen, es sei marketingtechnisch falsch, zwei Deutsche ins Team zu holen. Jetzt gibt es um dieses Duell aber viel medialen Wirbel. Tritt vielleicht sogar ein positiver Effekt auf, was Präsenz des Teams in der Öffentlichkeit angeht?"
Sauber: "Unser primäres Auswahlkriterium für Fahrer sind nicht Marketingüberlegungen, sondern die Frage, welche Piloten für unser Team optimale Resultate erzielen können. Das beste Marketing im Sport sind nach wie vor gute Resultate. Wenn aus der Tatsache, dass bei uns zwei deutsche Piloten unter Vertrag sind, zusätzliche Publicity entsteht, dann haben wir dagegen sicher nichts einzuwenden."

"Ärztliche Schweigepflicht" auch in der Formel 1...

Frage: "Felipe Massa testet 2003 für Ferrari. Waren Sie über seinen schon lange bestehenden Vorvertrag mit Ferrari immer informiert?"
Sauber: "Auch in der Formel 1 gibt es so etwas wie ärztliche Schweigepflicht..."

Frage: "Michael Schumacher hat vor ein paar Jahren einen Sauber getestet. Ist es denkbar, so eine Aktion demnächst zu wiederholen?"
Sauber: "Nein, das ist nicht vorgesehen."

Frage: "Nächstes Jahr gilt ein neues Motorenreglement. Ist es denkbar, dass Sauber dann zumindest zu Saisonbeginn dieselben Motoren verwenden wird wie Ferrari?"
Sauber: "Weil im nächsten Jahr ein Motor ein ganzes Rennwochenende lang halten muss, können die heutigen Triebwerke nicht mehr verwendet werden. Es ergibt sich also automatisch, dass dann nur noch eine Spezifikation verwendet wird."

"Bedauerlich, dass man in einer Familie ein Gericht anrufen muss"

Frage: "Glauben Sie, dass Ihr Ferrari-Kundenmotor auf demselben Niveau ist wie beispielsweise die Aggregate von Mercedes oder Toyota?"
Sauber: "Da ich die genauen Werte der Konkurrenz-Motoren nicht kenne, kann ich diese Frage nicht abschließend beantworten. Auf jeden Fall sind die Unterschiede aber gering."

Frage: "Was sagen Sie zum Brief von Ron Dennis und Frank Williams an Max Mosley?"
Sauber: "Es ist bedauerlich, dass man in einer Familie wie der Formel 1 ein Gericht anrufen muss, aber grundsätzlich kann ich Frank Williams und Ron Dennis in diesem speziellen Fall verstehen. Es geht hier ums Prinzip."

Frage: "Stimmt der Vorwurf der beiden Teams, dass die kurzfristig angeordneten Reglementsänderungen der FIA mit den Bestimmungen des Concorde Agreements nicht übereinstimmen?"
Sauber: "Wie bei jedem komplexen Regelwerk gibt es Interpretationsspielraum, der in die eine oder andere Richtung ausgelegt werden kann. Das ist hier nicht anders."

Sauber hätte nicht vom 'Fighting Fund' profitiert

Frage: "Ähnlich wie wegen der Irak-Krise in der Staatengemeinschaft zieht sich auf anderer Ebene auch durch die Formel 1 ein Riss. Können Sie verraten, welche Teams das neue Reglement voll unterstützen und wer sich am meisten dagegen weigert?"
Sauber: "Bei aller Ernsthaftigkeit, mit der wir die Formel 1 betreiben, dürfen wir nicht die Relationen verlieren. Gemessen an den derzeitigen Problemen in der Weltpolitik sind unsere Sorgen in der Formel 1 sehr klein."

Frage: "Angeblich hätte Sauber auch vom sogenannten 'Fighting Fund' profitieren können, diese Hilfe jedoch abgelehnt. Stimmt das?"
Sauber: "Das ist so nicht ganz korrekt. Dieses Geld war vorgesehen, um die Motorendeals von Minardi und Jordan zu finanzieren. Wir sind ja als Team insofern in einer andern Position, als wir die Motoren von Petronas erhalten. Wir haben dieser Lösung damals zugestimmt."

Frage: "Sie hatten nie einen großen Tabakkonzern als Sponsor. Ist das eine Frage Ihrer Philosophie oder gab es nie die Möglichkeit zur Zusammenarbeit mit einer solchen Firma?"
Sauber: "Tatsache ist, dass sich bei uns nie ein Sponsor aus der Tabakindustrie aufgedrängt hat. Zudem sind wir heute mit unseren Partnern sehr glücklich."

"Formel 1 unterliegt natürlichen Wellenbewegungen

Frage: "Wann sehen Sie ein Ende der derzeitigen Situation in der Formel 1? Wann erholt sich die Lage?"
Sauber: "Die Formel 1 unterliegt, wie andere Sportarten oder auch die Wirtschaft, ganz natürlichen Wellenbewegungen. Sie war auf einem extrem hohen Niveau und kühlt sich jetzt etwas ab. Es wird sicher noch eine Weile dauern, bis diese Phase abgeschlossen ist. Dennoch ist es uns gelungen, in diesem schwierigen Umfeld mit dem russischen Mobilfunkanbieter 'MTS' einen neuen Partner zu gewinnen, was die Attraktivität unseres Teams unterstreicht. Um die Formel 1 als Ganzes mache ich mir keine Sorgen, dazu hat sie in den vergangenen Jahren einen viel zu hohen Stellenwert erobert."

Frage: "Abschließend noch die Frage nach Ihrer persönlichen WM-Vorschau 2003...?"
Sauber: "Weltmeister wird, wer Michael Schumacher schlägt."