• 23.05.2009 17:32

  • von Christian Sylt

Pay-TV: Ecclestones schärfste Waffe

Zum Nachdenken: Warum Max Mosleys umstrittene Budgetobergrenze am Ende wieder einmal Bernie Ecclestone entgegenkommen könnte

(Motorsport-Total.com) - Während sich bei der Berichterstattung über den großen Formel-1-Streit in Monte Carlo alles um FOTA-Chef Luca di Montezemolo und FIA-Präsident Max Mosley dreht, könnte es am Ende wieder einmal Bernie Ecclestone sein, der das entscheidende Ass aus dem Ärmel zieht. Wundern würde das nach all den Jahren jedenfalls niemanden mehr.

Titel-Bild zur News: Bernie Ecclestone und Max Mosley

"Max, mein alter Freund, unser Plan scheint wieder einmal voll aufzugehen!"

Nach dem gestrigen Meetingmarathon meinte der 78-Jährige auf die Frage, ob er nun optimistischer sei als zuvor, nur lapidar: "Ich bin optimistisch, dass es noch mehr Meetings geben wird." Und einem anderen Journalisten steckte er schnippisch: "In erster Linie wurde heute der Mineralwasserverzehr angekurbelt." Ecclestone ist möglicherweise so gelassen, weil er eine scharfe Waffe in seinem Arsenal weiß, die die Teams auf dem falschen Fuß erwischen könnte.#w1#

Der Vorvertrag von Mai 2006

Das Drohszenario, dass mehrere Teams aus der Formel 1 aussteigen könnten, würde nicht existieren, wenn alle Teams ein Concorde-Agreement unterschrieben hätten, das sie an die Formel 1 binden würde. Im Mai 2006 wurde zwar ein Vorvertrag unterschrieben, in dem festgelegt ist, wie viel Preisgeld der Halter der kommerziellen Rechte an die Teams auszahlen muss, aber man nimmt an, dass dieses Dokument rechtlich nicht bindend ist.

Es heißt, dass das Fehlen eines Concorde-Agreements den Teams mehr hilft als Ecclestone, weil sie jederzeit aussteigen können. Doch das muss nicht zwingend der Fall sein. In einer Entscheidung der Europäischen Kommission von 2001 heißt es: "Das Concorde-Agreement (...) garantiert, dass Free-TV die hauptsächliche Übertragungsweise zum Zuschauer sein wird." Ohne Concorde-Agreement ist diese Garantie nicht mehr als eine Seifenblase, die jederzeit platzen kann.

Wie Ecclestone davon profitieren würde, die Formel 1 aus dem Free-TV zu nehmen, ist nicht ganz offensichtlich, aber es ist möglich. Vor vier Monaten wurden die TV-Rechte für die englische Premier League an die Pay-TV-Kanäle Sky und Setanta verkauft - für die Kleinigkeit von 1,8 Milliarden Pfund (umgerechnet gut zwei Milliarden Euro). Dabei ging es nur um die Übertragungsrechte für Großbritannien, begrenzt auf eine Laufzeit von vier Jahren.

Unerschlossenes Potenzial

Im Kontrast dazu soll die Formel 1 pro Jahr nur 240 Millionen Pfund aus TV-Rechten lukrieren, umgerechnet also gut eine Milliarde Euro in vier Jahren. Nur 60 Prozent des Premier-League-Deals entsprechen also mehr als den globalen TV-Einnahmen! Mit ähnlichen Deals in den fünf größten Märkten könnte die Formel 1 in der Theorie 20 Mal mehr Geld einnehmen als im Moment. Pay-TV-Kanäle sind in der Regel zahlungswilliger als Free-TV-Anbieter.

TV-Kamera

Die Fernsehkameras könnten künftig nur noch für das Pay-TV aufzeichnen... Zoom

Die Sponsoren wären über einen Rückzug ins Pay-TV natürlich nicht erfreut, weil die Formel 1 dann ihre derzeit 600 Millionen Zuschauer sicher nicht halten könnte. Der Hauptgrund, weshalb Sponsoren derart hohe Summen zahlen, ist die hohe Reichweite. Mit einer Budgetobergrenze benötigen die Teams jedoch nicht mehr so viel Sponsorgeld, sodass sie auf die TV-Reichweite weniger Wert legen müssten. Ein Schelm, wer hier eine Verschwörung vermutet...

Natürlich würde eine geringere TV-Reichweite auch die Einnahmen durch Bandenwerbung an den Rennstrecken reduzieren. Derzeit spült dieser Faktor geschätzte 125 Millionen Euro pro Jahr in Ecclestones Kasse - Tendenz fallend, wenn Sponsoren wie ING ihr Engagement aufgrund der Weltwirtschaftskrise beenden werden. Die Mehreinnahmen aus diversen Pay-TV-Verträgen würden diesen Rückgang aber mehr als kompensieren.