"Nelsinho" Piquet: Weltmeister in zweiter Generation?

Nelson Piquet jun. im Porträt: Wie er im Windschatten des berühmten Vaters aus Brasilien nach Europa ging und in die Formel 1 aufstieg

(Motorsport-Total.com) - Damon Hill hat 1996 Geschichte geschrieben, als er als erster und bisher einziger Sohn eines Formel-1-Weltmeisters den Erfolg des Vaters wiederholte und sich selbst auch die Krone in der Königsklasse des Motorsports sicherte. Genau das möchte ab 2008 auch Nelson Piquet jun. versuchen: Weltmeister in zweiter Generation zu werden!

Titel-Bild zur News: Nelson Piquet jun.

Nelson Piquet jun. wird 2008 für Renault in der Formel 1 an den Start gehen

Der 22-Jährige ist Sohn des dreifachen Champions Nelson Piquet, der 1981, 1983 und 1987 den WM-Titel gewonnen hat. Am 10. Dezember ging für ihn ein Traum in Erfüllung, nämlich als er vom Renault-Team als Stammfahrer für 2008 bestätigt wurde. Piquet wird damit seine erste Formel-1-Saison an der Seite von Doppelweltmeister Fernando Alonso bestreiten und debütiert unter ähnlichen Voraussetzungen wie vor einem Jahr Shooting-Star Lewis Hamilton.#w1#

Der Name öffnete viele Türen

"Ich hatte wirklich eine schöne Kindheit, obwohl ich vielleicht nicht so viel Freizeit hatte wie andere Kids." Nelson Piquet jun.

Doch der Weg ins Renault-Cockpit war gar nicht so einfach, wie es von außen betrachtet erscheinen mag. Natürlich wurden ihm durch den berühmten Namen und vor allem das Geld des Vaters viele Türen geöffnet, die anderen Nachwuchspiloten in der Regel verschlossen bleiben, aber als es darum ging, diese optimalen Voraussetzungen umzusetzen, brachte er seine Leistungen auf den Punkt. Und beginnen musste er sowieso wie jeder andere auch als blutjunger Kartfahrer.

Was viele nicht wissen: Piquet ist im Gegensatz zu seinem Vater nicht in Brasilien aufgewachsen, sondern war schon in jungen Jahren recht international unterwegs. Bis ins Alter von acht Jahren lebte er in Frankreich, erst dann ging es zurück in die eigentliche Heimat. Doch lange verharrte er dort nicht, schließlich musste er seine Rennfahrerkarriere in Europa vorantreiben. Als 17-Jähriger machte er sich also auf den Weg, um den Motorsportkontinent Nummer eins zu erobern.

"Ich bin sehr froh darüber, dass ich in Europa und Brasilien aufgewachsen bin, denn so konnte ich alles ein bisschen kennen lernen. Ich kenne auch viele verschiedene Menschen auf der ganzen Welt", erklärt der designierte Renault-Pilot. "Ich hatte wirklich eine schöne Kindheit, obwohl ich vielleicht nicht so viel Freizeit hatte wie andere Kids. Aber ich bedaure das nicht, denn dafür habe ich nun diese Chance als Rennfahrer."

Europa ist die eigentliche Heimat

"Wenn ich nach Brasilien komme, fühlt es sich nicht mehr wie meine Heimat an." Nelson Piquet jun.

"Wenn ich nach Brasilien komme, fühlt es sich nicht mehr wie meine Heimat an, weil mein Leben und mein Job in Europa sind, in England. Dort muss ich sein, dort spielt sich für mich alles ab und dort habe ich auch mein Haus. Vielleicht kann ich Brasilien wieder mehr genießen, wenn ich einmal voll in der Formel 1 gelandet bin, denn jetzt mache ich mir einfach viel zu viele Gedanken, dass mir irgendeine Gelegenheit entgehen könnte, wenn ich nicht in England bin. Aber Brasilien ist toll", meinte er.

Piquets Karriere begann in den 1990er-Jahren im Kartsport, aber von Anfang an war nicht offensichtlich, dass er eines Tages in die Fußstapfen seines Vaters treten würde: "Bei meinen ersten Kartrennen war ich furchtbar langsam! Ich hatte manchmal Angst. Es war kein guter Anfang, aber nach zwei Jahren oder so habe ich dann Rennen und Meisterschaften gewonnen." Genauer gesagt 1997 sicherte er sich erstmals den Titel in Brasilien.

Mangels Erfolgs hielt sich das Interesse am Motorsport zunächst in Grenzen: "Die Formel 1", so Piquet, "hat mich als Kind überhaupt nicht interessiert. Ich fand die Rennen langweilig, weil sowieso immer Michael (Schumacher; Anm. d. Red.) gewonnen hat. Erst als ich in die Formel 3 kam, begann ich mich ein bisschen dafür zu interessieren, aber auch noch nicht sehr. Eigentlich hat der Formel-1-Traum erst begonnen, als ich zum ersten Mal testen durfte."

Sternstunde in der A1GP-Serie

Nelson Piquet jun.

Premierensieg: In Brands Hatch schrieb Nelson Piquet 2005 A1GP-Geschichte Zoom

2003 bestritt der Youngster seine erste komplette Saison in Europa, prompt wurde er Gesamtdritter in der Britischen Formel 3. In seinem zweiten Jahr sicherte er sich bereits den Titel, 2005 feierte er dann seinen ersten Sieg in der GP2 und 2006 wurde er hinter Hamilton Vizemeister. Zwischendurch schrieb er Geschichte, als er in Brands Hatch 2005 das erste A1GP-Rennen der Geschichte für das Team Brasilien von Emerson Fittipaldi gewann.

Jener Triumph auf der britischen Traditionsstrecke zählt heute noch zu jenen Sternstunden, an die er sich sehr gerne zurückerinnert: "Das war klasse! Das Rennen zu gewinnen, das erste der Serie, noch dazu für Brasilien - einfach klasse! Brands Hatch ist aber auch meine Strecke. Ich bin dort bis jetzt glaube ich acht Rennen gefahren, von denen ich sechs oder sieben gewonnen habe. Silverstone ist ähnlich für mich."

Keine Scheu vor Hamilton

"Ich glaube, dass ich schneller bin als er." Nelson Piquet jun.

Zu jenem Zeitpunkt hatte Piquet schon seine ersten Formel-1-Testfahrten hinter sich und es war im Grunde genommen klar, wo sein Weg hinführen würde. Auch im Titelduell mit Hamilton hatte er 2006 bis kurz vor Schluss echte Chancen. Daher zieht er auch nicht den Kopf ein, wenn er an das neuerliche Aufeinandertreffen mit dem britischen Überflieger denkt, der ja 2007 nur knapp am WM-Titel vorbeigeschrammt ist.

"Er ist vielleicht nicht der allerschnellste Fahrer, was den Speed angeht, aber er ist ein sehr guter Racer", sagt Piquet, dessen Selbstbewusstsein nicht so leicht zu erschüttern ist: "Ich glaube, dass ich schneller bin als er. Ich glaube nicht, dass ein normaler Fahrer all die Meisterschaften gewonnen hätte, die ich gewonnen habe. Ich habe mich bei Renault bei vielen Tests bewiesen und bin sicher, dass ich zu den Spitzenfahrern gehören werde."

"Ich bin sehr glücklich über diese Chance, denn wir leben in der Formel 1 kein normales Leben. Es ist ein Traum, den sich jeder gerne erfüllen würde. Die Formel 1 ist das Umfeld, in dem ich immer schon sein wollte. Wenn ich hier bin, dann kann mich sonst nichts mehr kratzen", erzählt er mit strahlender Miene. "Ich hatte unglaublich viel Glück, dass mir diese Chance gegeben wurde - und ich bin nicht nur wegen dieser Chance Rennfahrer geworden, sondern weil ich es einfach liebe."

Keine Reue wegen 2007

"Wenn ich schon dieses Jahr für Renault gefahren wäre, wäre es vielleicht gar nicht so gut gewesen." Nelson Piquet jun.

Allerdings stört ihn kaum, dass er ein Jahr länger warten musste als Hamilton, um endlich seine Chance zu bekommen: "Wenn ich schon dieses Jahr für Renault gefahren wäre, wäre es vielleicht gar nicht so gut gewesen, weil das Team nicht so gut in Form ist. Vielleicht ist das ein Zeichen. Vielleicht sitze ich nächstes Jahr dann genau zum richtigen Zeitpunkt im Auto, wie es bei Lewis ja auch der Fall war."

Unabhängig vom Sportlichen weiß er, dass er als Formel-1-Fahrer ein schönes Leben hat: "Ich schätze, ich bin in dieser Hinsicht sehr privilegiert. Andere Leute sitzen den ganzen Tag am Schreibtisch oder haben gar keinen Job. Da muss ich jeden Tag daran denken, wie viel Glück ich habe und wie anders mein Leben sein könnte", so Piquet, der in seinem Leben dank des Vaters finanziell immer unabhängig war.

Insofern tut er sich auch schwer mit der Frage, was er denn machen würde, wenn er nicht Rennfahrer wäre: "Vielleicht würde ich in der Firma meines Vaters arbeiten", entgegnet er achselzuckend und nicht mit allerletzter Überzeugung. "Aber ich kenne nur den Rennsport, von daher weiß ich nicht so genau, was ich sonst machen würde. Ich hatte viel mit PR und Ingenieuren zu tun - vielleicht was in dem Bereich."

Piquet liebt seine Spielzeuge

Nelson Piquet sen.

Noch steht der kleine "Nelsinho" im Schatten des Vaters Nelson Piquet sen. Zoom

Momentan sieht sein Tagesablauf anders aus: "Wenn ich mal frei habe, spiele ich PlayStation oder X-Box, vielleicht schaue ich mir auch einfach mal einen Film im Fernsehen an. Für so was habe ich sonst ja keine Zeit. Wenn ich unterwegs bin, ist in den Hotels mein Notebook mein bester Freund, denn damit kann ich im Internet surfen oder mit meinen Freunden chatten. Da sitze ich nach dem Abendessen oft bis 1:00 Uhr nachts am Notebook."

Dass Piquet wie so viele junge Menschen das Internet als primäre Kommunikationsplattform verwendet, ist durch seinen Reisestress einerseits verständlich, aber andererseits auch irgendwie bezeichnend für seinen Charakter. Ein so schräger Vogel wie sein Vater ist er nämlich nicht: "Ich bin eher schüchtern, wenn ich jemanden nicht kenne, und genau das Gegenteil, wenn mir jemand vertraut ist", gibt er zu.

Auf den Spuren der Rosbergs

"Ich bin aber nicht meines Namens wegen hier, denn das interessiert nach einer Weile niemanden mehr." Nelson Piquet jun.

Seine einzige Bezugsperson war im fremden Europa jahrelang der Vater, der mit einem Navigationsbusiness nach seiner Karriere noch mehr Millionen gescheffelt hat als in der Formel 1. Piquet sen. gründete für seinen Sprössling einen eigenen Rennstall, der in der GP2 immer noch unter dem Namen Minardi/Piquet an den Start geht, und knüpfte für ihn als Manager wichtige Kontakte - genau wie auch Keke für Nico Rosberg.

"Mein Vater", philosophiert der Junior heute, "war eine Hilfe, denn durch ihn sind Sponsoren und Medien auf mich aufmerksam geworden. Ich bin aber nicht meines Namens wegen hier, denn das interessiert nach einer Weile niemanden mehr. Ich bin hier, weil ich meine Leistungen gebracht habe. Am meisten helfen kann er mir heute bei Verhandlungen, denn er weiß, wie man mit Leuten umgehen muss, oder mit Ratschlägen."

"Zum Beispiel gibt er mir Tipps, was ich mit meinem ersten Geld anfangen soll, denn er meint, ich soll mir unbedingt ein Motorhome zulegen, damit ich es an den Rennwochenenden etwas entspannter habe. Solche Dinge eben, da kann er mir dank seiner Erfahrung helfen", sagt Piquet. Der Tipp mit dem Motorhome ist übrigens eine weitere Analogie zu Rosbergs, denn auch der Williams-Pilot schläft seit einiger Zeit direkt an der Strecke, wann immer es möglich ist.

Respekt vor dem Teamchef

"Vor Flavio hat jeder Angst, denn er ist kein sehr offener Zeitgenosse." Nelson Piquet jun.

Und dann ist da neben dem Vater noch Flavio Briatore, der letztendlich entschieden hat, dem jungen Piquet 2008 auf Kosten der bekannten Größen Heikki Kovalainen und Giancarlo Fisichella eine Chance zu geben. Der 22-Jährige pflegt zu seinem Teamchef im Moment noch ein eher distanziertes Verhältnis - ganz im Gegenteil zu seinem Vater, der sich wohl wegen des gemeinsamen Latino-Temperaments prächtig mit der Renault-Formel-1-Speerspitze versteht.

"Vor Flavio hat jeder Angst, denn er ist kein sehr offener Zeitgenosse", meint Piquet nicht ohne den Hauch eines Grinsens im Gesicht. "Mein Vater hat 2006 immer gesagt, ich soll Flavio anrufen, aber ich habe immer geantwortet: 'Ich weiß nicht, ob Flavio der Typ ist, den man einfach anrufen kann, um mal Hallo zu sagen, Dad!' Wenn ich für Flavio Rennen fahre, wird er sicher massiv Druck auf mich machen."

Nun liegt es an ihm selbst, diesem Druck standzuhalten und die sicher großen Erwartungen zu erfüllen. Dass das nicht einfach wird, ist klar, denn Alonso kam nur unter der Voraussetzung zu Renault zurück, dass er wie eine Nummer eins behandelt wird. Sollte Piquet allerdings trotzdem ähnlich gut gegen den Spanier Abschneiden wie Hamilton 2007, dann steht einer großen Karriere mit Sicherheit nichts mehr im Weg...