• 10.07.2009 22:18

  • von Fabian Hust

Muss das "Überhol-Reglement" überholt werden?

Die technischen Experten diskutieren darüber, ob das Ziel der Arbeitsgruppe Überholen erreicht wurde, oder ob es die Notwendigkeit gibt, nachzubessern

(Motorsport-Total.com) - Das Reglement der Formel 1 wurde vor der laufenden Saison umfangreich geändert, vor allem, um das Überholen zu erleichtern. Immer wieder wird darüber diskutiert, ob die einst gegründete "Arbeitsgruppe Überholen" ausreichend gut gearbeitet hat, oder ob man noch weitere Modifikationen an den Regeln vornehmen muss, damit die Fans mehr Überholmanöver sehen können.

Titel-Bild zur News: Fernando Alonso, Mark Webber

Gibt es zu wenig Überholmanöver? Das ist die alte Streitfrage

"Ich denke, dass die Arbeitsgruppe Überholen gute Arbeit verrichtet hat", so Pat Symonds, Chefingenieur bei Renault. "Unglücklicherweise sind die Beweise, die dies untermauern, spärlich. Wir hatten ein paar Regenrennen, und es gab häufig Autos, die nicht auf ihrer üblichen Position in der Startaufstellung standen, und solche Dinge."#w1#

"Aber ich habe mich diesem Thema in der vorletzten Woche, gleich nach Silverstone, gewidmet. Da konnte ich sehen, wie viel wir von dem, was wir uns vorgenommen hatten, erreicht haben. Meiner Meinung nach gibt es keinen Zweifel daran, dass die Autos nun etwas dichter auffahren können."

"Wenn man die Rennen statistisch analysiert, die es dieses Jahr wert sind, analysiert zu werden, dann gab es ein wenig mehr Überholmanöver. Meiner Meinung nach sind wir womöglich nicht so weit gegangen, wie wir dies gewünscht hatten oder wollten. Wir wollten versuchen, Zeiten-Unterschiede zu erhalten, die wir benötigen, um erfolgreiche Überholmanöver zu produzieren. Vielleicht sind wir da nicht weit genug gegangen."

"Aber gleichzeitig denke ich, dass wir im Hinblick auf den Abtrieb ein sehr niedriges Ziel gesetzt hatten, schließlich wussten wir, dass die Teams in 20 Stunden am Tag und sieben Tage in der Woche arbeiten werden, und den Abtrieb bald wieder zurück gewinnen würden. Dies ging jedoch ein wenig weiter, als wir dies erwartet hatten. Dies ist neben anderen Dingen dem Überholen nicht zuträglich."

"Wir benötigen immer dieses Niveau an Abtrieb", so Paddy Lowe von McLaren-Mercedes. "Dies war wichtig, denn dies beeinflusst das Gewicht beträchtlicher als alles andere, und die Tatsache, dass der Abtrieb, der dieses Jahr durch die Autos erzielt wurde, beträchtlich höher als erwartet ist, bedeutet zwangsläufig, dass als Ergebnis ein Teil der erzielten Arbeit aufgezehrt wurde."

"Ein weiterer Faktor, der es wert ist, berücksichtigt zu werden, und der meiner Meinung nach ziemlich fundamental ist, ist die Tatsache, dass die Formel 1 vom Anfang bis zum Ende durchweg professioneller wurde, es vom Anfang bis zum Ende in der Startaufstellung mehr Ressourcen gibt und die Leistungsdichte größer geworden ist."

"Fakt ist, dass der Zeiten-Unterschied vom Ende bis zum Anfang der Startaufstellung rund halb so groß ist, wie er das noch vor fünf Jahren war. Wenn nun alle Autos so deutlich enger zusammen liegen, bedeutet dies, dass es immer schwieriger sein wird zu überholen. Das ist also ein ziemlich schwieriges Problem, das es zu lösen gilt."

¿pbvin|512|1627||0|1pb¿"Die Autos sind meiner Meinung nach definitiv besser als im vergangenen Jahr", so Sam Michael, Technischer Direktor des Teams. "Wie schon Pat gesagt hat, ist es schwierig, dies zu quantifizieren und eine Zahl zu nennen. Einige der Verbesserungen wurden erzielt, in dem die Autos näher zusammengerückt sind, man hat hinter dem Auto nicht mehr so verwirbelte Luft, wenn man sich die klaren Linien der Seitenkästen und all diese Dinge anschaut. Das hat definitiv einen Unterschied ausgemacht."

"Als wir vor ein paar Monaten die Vorbereitungen auf das Berufungsverfahren in Bezug auf den Diffusor vorbereiteten, da schauten wir uns die Strömungssimulation an verschiedenen Teilen des Autos an, und es gab zwei oder drei Dinge, die die Angelegenheit verschlechterten, nicht nur aufgrund des Niveaus an Abtrieb, sondern aufgrund der Tatsache, dass dies für die Luft hinter dem Auto ziemlich schlecht war."

"Meiner Meinung nach war es ein Schritt in die richtige Richtung, aber dies ist eines der Dinge, an denen man weiter arbeiten muss. Man bekommt nicht in einem Schritt eine magische Lösung, solange nicht jemand etwas falsch macht, und ich denke nicht, dass dies jemand machen möchte."

"Eine der Dinge, die im Hinblick auf das kommende Jahr diskutiert werden, ist die Abschaffung der Radabdeckungen, dass man keine stehenden oder rotierenden Radabdeckungen mehr hat. Dies war eines der Dinge, welche bei den CFD-Studien als negativer Effekt auf das Verfolgen von Autos aufgefallen waren. Man muss drei oder vier solcher kleinen Dinge finden, die dann einen Unterschied ausmachen. Es geht meiner Meinung nach in die richtige Richtung, aber wir brauchen noch mehr."

"Meiner Meinung nach haben die Strecken womöglich den größten Einfluss", so Adrian Newey von Red Bull Racing. "Alle scheinen dies bequemer Weise zu vergessen, da es einfacher erscheint, die Autos zu verändern als die Strecken zu verändern. Dies ist der erste Punkt."

"Der zweite Punkt ist meiner Meinung nach die Tatsache, dass die Leute diese Idealvorstellung haben, dass Überholen fantastisch ist, und nun ist es das nicht. Das ist eine selektive Wahrnehmung. Nach wie vor hat man hin und wieder noch ein paar großartige Überholmanöver, so wie dies immer der Fall sein sollte."

"Ich sehe die Notwendigkeit nicht, das Überholen deutlich einfacher zu gestalten, denn wenn das Überholen zu einfach wird, dann überholt das schnellere Auto hinter dir einfach und verschwindet wieder. Man hatte nicht einmal die Aufregung zweier Autos, die ein paar Runden miteinander kämpfen. Meiner Meinung nach ist das Problem nicht so groß, wie es die Leute machen."

In den 70er Jahren generierten die Autos einen gigantischen Windschatten, in denen sich der Hinterherfahrende saugen konnte: "Das war damals eine andere Technologie", erklärt Newey. "Die Autos hatten zu der Zeit fast alle denselben Motor, der exakt dieselbe Leistung zeigte. Zudem haben sich die Strecken verändert. Wir haben keine Kurse mehr, die dem Monza-Typ entsprechen, wir haben keine Kurse für Windschatten mehr, so wie dies damals der Fall war."

"Wenn wir auf Ovalen fahren würden, dann wäre dies vielleicht ein Weg, um die Dinge anzugehen. Damals hatte man jedoch genau das gegenteilige Problem. Bei einigen der IRL-typischen Rennen wechseln alle die Positionen die gesamte Zeit über, und ich bin sicherlich der Meinung, dass das Überholen dann zu einfach ist. Das ist dann faktisch ziemlich langweilig, da es zur Gewohnheit wird."

"Ich persönlich empfinde NASCAR-Rennen nicht sehr interessant, denn die gesamte Kunst scheint es zu sein, bei drei verbleibenden Runden ungefähr auf dem vierten Platz zu liegen. Das ist meine persönliche Meinung, aber ich erachte sie sicherlich nicht als moderne Formel 1. Das wären ziemlich künstliche Regeln, wenn man damit ankommen würde."

Symonds: "Meiner Meinung nach gab es auch eine weit verbreitete falsche Vorstellung, dass es der Arbeitsgruppe Überholen lediglich darum ging, ein Auto zu produzieren, das einen erzwungenen Windschatten hat. Vielmehr ging es darum, zu versuchen, Regeln zu entwickeln, die dazu führen, dass ein Auto innerhalb des Windschattens funktioniert. Dies ist etwas, das meiner Meinung nach ziemlich häufig missverstanden wurde."