• 29.08.2005 14:33

Monza: Altehrwürdig, aber kein bisschen altbacken

Auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke in Italien könnten am kommenden Wochenende wieder einige Formel-1-Rekorde gebrochen werden

(Motorsport-Total.com) - Altehrwürdig, aber kein bisschen altbacken: Nach dem Grand Prix der Türkei steht jetzt mit dem 'Autodromo Nazionale di Monza' wieder eine Traditionsstrecke auf dem Grand-Prix-Kalender. Noch dazu markiert der Kurs die vorletzte europäische Station der diesjährigen Formel-1-Saison. Die rennbegeisterten Tifosi, die erneut zu Tausenden in den Königlichen Park von Monza strömen werden, sorgen stets für eine besonders einzigartige und ausgelassene Atmosphäre.

Titel-Bild zur News: Geschwindigkeitsmessgerät

In Monza werden die Formel-1-Autos oft mit mehr als 360 km/h geblitzt...

Von der jüngsten Grand-Prix-Rennstrecke, dem 'Istanbul Otodrom', zum geschichtsträchtigsten Formel-1-Kurs: Die Königsklasse des Motorsports unternimmt in kaum 14 Tagen eine Zeitreise der besonderen Art. Nirgendwo auf der Welt wurden mehr Große Preise ausgetragen als im Königlichen Park von Monza. 55 Mal gastierte der Grand-Prix-Zirkus seit Einberufung der Formel-1-Weltmeisterschaft 1950 auf dem heute 5,793 Kilometer langen 'Autodromo Nazionale di Monza'. Nur ein einziges Mal, 1980, blieb die Traditionspiste unberücksichtigt, als der Große Preis von Italien nach Imola verlegt wurde.#w1#

Nirgendwo erreichen die Autos höhere Geschwindigkeiten

Die Fans nennen den 1922 erbauten Kurs ehrfürchtig die "magische Strecke", und das liegt nicht nur an der malerischen Lage inmitten des "Parco Reale". Nirgendwo erreichen die Formel-1-Boliden höhere Geschwindigkeiten als auf den langen Geraden von Monza, obwohl nachträglich eingefügte Schikanen wie die Variante della Roggia oder die Variante Ascari die Vollgasorgie inzwischen portionieren. Noch immer gilt dieses Asphaltband als absolute Highspeedstrecke. Erst 2002 drehte Juan-Pablo Montoya am Steuer eines Williams BMW während des Qualifyings mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 259,823 km/h die schnellste Runde in der Geschichte der Formel 1.

Ein Rekord, der in diesem Jahr eventuell verbessert werden könnte: Mit einem Spitzentempo von 372 km/h überbot Mark Webber vergangene Woche bei Testfahren in Monza bereits den bisherigen Höchstgeschwindigkeitsrekord von 369,9 km/h, 2004 aufgestellt von Antonio Pizzonia.

Dass diese irren Tempi speziell für Motoren und Bremsen eine hohe Belastung darstellen, versteht sich fast von selbst. Über Sieg oder Niederlage entscheiden in Monza jedoch die aerodynamischen Qualitäten der Formel-1-Boliden, ihre Reifen und das Potenzial des Chassis. Um den Luftwiderstand zugunsten möglichst hoher Geschwindigkeiten auf den Geraden zu minimieren, rücken die Monoposti mit den flachsten Flügeleinstellungen der gesamten Saison aus. Dies bedeutet aber auch, dass die Bodenhaftung in den schnellen Kurven wie zum Beispiel der weltberühmten Parabolica kaum noch durch aerodynamischen Abtrieb unterstützt wird. Die möglichen Kurventempi hängen mehr als sonst von der Leistungsfähigkeit der Rennreifen und dem mechanischen Grip ab, den Chassis und Fahrwerk generieren.

Anforderungen an die Reifen sind sehr groß

"Das charakteristischste Merkmal von Monza sind die langen Geraden", bestätigt Pierre Dupasquier, der Sportdirektor von Michelin. "Die Autos erreichen Geschwindigkeiten von 360 km/h und mehr, was die Temperaturen in den Pneus in die Höhe treibt. Dazu kommen noch sehr schnelle Kurven, die insbesondere für die hinteren Reifen eine besondere Herausforderung darstellen. Überraschenderweise treiben die Kurven den Reifenverschleiß jedoch nicht außergewöhnlich in die Höhe, da der Asphalt vergleichsweise sanft zu den Pneus ist. Diese seltene Kombination verlangt einen sehr spezifischen Kompromiss für die Laufflächenmischung."

Wie sich die Reifenfrage auf der Traditionsrennstrecke aus Fahrersicht darstellt, erläutert Toyota-Pilot Ralf Schumacher: "In Monza wird der linke Vorderreifen durch die schnellen Rechtskurven Lesmo eins und Lesmo zwei, aber vor allem durch die Parabolica extrem belastet", so der Deutsche. "Vor allem eingangs der Kurve bietet die Parabolica wenig Grip. Für eine schnelle Rundenzeit ist sie aber extrem wichtig, da sich die sehr lange Start- und Zielgerade anschließt."

Einbeziehen der Randsteine spielt ebenfalls eine Rolle

Hinzu kommt: Auf der Jagd nach Zehntelsekunden beziehen die Fahrer die hohen Randsteine aggressiv in ihre Ideallinie mit ein. Dabei muss nicht nur das Fahrwerk enorme Kräfte absorbieren, auch die Rennpneus federn über ihre Flanken einen großen Teil der einwirkenden Energie ab: "Für ein modernes Formel-1-Auto kommt dies der Maximalstrafe gleich", stöhnt Pat Symonds, der Chefingenieur des Renault-Teams.

Gleichzeitig ist für die Stabilität beim Herunterbremsen und beim Kurvenfahren eine eher steife Konstruktion erforderlich: "Aufgrund des verringerten aerodynamischen Abtriebs bremsen die Fahrer auf dieser Strecke früher als auf anderen Kursen", ergänzt Dupasquier. "Das bedeutet für uns, dass unsere Reifen ihren Grip möglichst gleichmäßig entwickeln müssen, um eine bestmögliche Rückmeldung an den Piloten zu gewährleisten."