• 24.06.2001 20:13

Michelin hadert mit der weißen Linie

Auf dem Nürburgring war Michelin erneut konkurrenzfähig - Ralf Schumachers Leichtsinnsfehler kostete Punkte

(Motorsport-Total.com) - Zwei kleine Patzer kosteten dem BMW-Williams-Team und Michelin binnen einer Minute den möglichen Sieg beim überaus spannenden Großen Preis von Europa: Nur wenige Sekundenbruchteile hinter seinem Bruder Michael eilte Ralf Schumacher ? der Sieger des Grand Prix von Kanada zwei Wochen zuvor ? zum ersten von zwei geplanten Reifenwechseln an die Box, rutschte aber um Zentimeter an der idealen Halteposition vorbei. Die dadurch verursachte geringfügige Zeitverzögerung beim Tankstopp konnte der amtierende Weltmeister Michael Schumacher nutzen, um seine Führung auf dem Nürburgring zu verteidigen.

Titel-Bild zur News: Pierre Dupasquier

Pierre Dupasquier musste ansehen, wie man alle Siegchancen vergab

Beim Herausbeschleunigen aus der Boxengasse unterlief dem Jüngeren der beiden Formel-1-Piloten aus dem benachbarten Kerpen ein fataler Fehler: Er überquerte verbotenerweise eine weiße Linie, die die Boxenausfahrt gegenüber der Rennstrecke abgrenzt. Die Sportkommissare kannten kein Pardon: Ralf Schumacher musste eine Zehnsekunden-Strafe absitzen. Das Bruderduell um den Sieg, das bis dahin die mehr als 300.000 Zuschauer vor Ort und Zigmillionen von Fans vor den TV-Bildschirmen in Deutschland faszinierte, war damit vorzeitig entschieden. Während der Pilot des BMW-Williams-Teams das Ziel noch als Vierter sah, hielt sein Kollege Juan-Pablo Montoya die blauweißen Farben seines Rennstalls hoch und brachte vor dem McLaren-Mercedes-Piloten David Coulthard einen ungefährdeten zweiten Rang heim. Der Kolumbianer beendete das Rennen zugleich als bester Pilot mit Michelin-Bereifung.

Die Enttäuschung stand ihm ins Gesicht geschrieben: Beinahe fluchtartig verließ Ralf Schumacher am Ende des Großen Preises von Europa den Nürburgring. Der dritte Sieg seiner Formel-1-Karriere und der erste auf heimischem Boden schien zum Greifen nah und glitt ihm doch durch die Finger. Dabei standen alle Vorzeichen auf Erfolg: Hochsommerliche Temperaturen brachten den Asphalt des legendären Eifelkurses auf bis zu 34 Grad Celsius und damit fast zum Glühen. Ralf Schumacher wusste: je wärmer, desto Michelin. Bereits im Qualifying hatte er seinen Williams-BMW in die erste Startreihe gestellt, gleich vor seinem drittplatzierten Teamkollegen Juan Pablo Montoya. "Schön, wieder mit Michael in der ersten Reihe zu stehen", flachste der 25-Jährige anschließend. "Aber ich arbeite dran, dass die Reihenfolge auch mal wechselt." Und er wünschte sich für den Rennsonntag: "Höhere Temperaturen, weil das unseren Pneus entgegen kommt." Patrick Head, Technischer Direktor: "Wir sind mit unserer Reifenwahl zufrieden. Das Ergebnis zeigt, dass Michelin weitere Fort-schritte gemacht hat."

Für das im wahrsten Sinne des Wortes heiße Rennen griffen Michelin-Sportdirektor Pierre Dupasquier und Formel-1-Projektleiter Pascal Vasselon in die Trickkiste: Sie ließen die oberste Laufflächenschicht von den Rennreifen der BMW-Williams abschälen. Gewünschter Effekt: Praktisch ab Rennbeginn konnte Ralf Schumacher das hohe Tempo des führenden Ferrari mitgehen. Ab Runde zehn kristallisierte sich ein deutlicher Vorteil heraus, und der Abstand zum amtierenden Weltmeister schmolz um gut eine halbe Sekunde pro Umlauf. Bald steckte die Nase des blauweißen Renners im Heck des roten Ferrari ? ein Vorbeikommen jedoch gab es trotz aller Attacken nicht. Eines jedoch war eindeutig bewiesen: Die Rennreifen von Michelin waren nicht nur schneller, sie blieben auch über eine längere Distanz konstant.

Nach der Stop-and-go-Strafe übernahm Juan-Pablo Montoya die Rolle des obersten Michael-Schumacher-Jägers, doch der Abstand zwischen den beiden erwies sich als zu groß. "Das Auto bot mir immer noch Reserven, um schneller zu fahren, wenn ich es musste", resümierte der Formel 1-Neuling aus Kolumbien nach dem Rennen. "Auch mit den Reifen war ich sehr zufrieden, sie erwiesen sich als sehr gut und konstant."

Die WM-Punkte verpassten die beiden Jaguar-Piloten Eddie Irvine und Pedro de la Rosa mit den Plätzen sieben und acht zwar knapp, unzufrieden zeigten sie sich aber nicht: "Mehr ging nicht", fasste Ir-vine, der das Rennen als Zwölfter aufgenommen hatte, zusammen. "Wir müssen im Qualifying besser werden. Unsere Rennstrategie war exzellent, und die Rennreifen von Michelin haben perfekt funktio-niert. Ich habe eine ganze Zeit lang Heinz-Harald Frentzen verfolgt und wusste erst nicht, ob er soviel Treibstoff an Bord hat oder ob es meine Michelin-Pneus sind, die mir solch einen Vorteil verschaffen. Auf den Geraden habe ich teilweise Gas weggenommen, um Benzin zu sparen, und konnte ihm den-noch problemlos folgen ? so gut waren die Reifen. Wir sind auf dem richtigen Weg." Auch Jaguar-Teamchef Bobby Rahal war voll des Lobes: "Auch wenn wir keine Punkte geholt haben, so hat dieses Wochenende klar gezeigt, dass wir uns im Aufwärtstrend befinden. Meine Anerkennung dafür gilt ganz besonders auch unserem Reifenpartner Michelin."

Kommentare:

Juan-Pablo Montoya (BMW-Williams) (2.):
"Mein Auto war heute wirklich sehr gut. Zu Beginn des Rennens war ich sehr vorsichtig. Ralf und Michael zogen davon, und ich konnte in Ruhe meinen Rhythmus finden. Das Auto bot mir immer noch Reserven, um schneller zu fahren, wenn ich es musste. Auch mit den Reifen war ich sehr zufrieden, sie erwiesen sich als sehr gut und sehr konstant."

Ralf Schumacher (BMW-Williams) (4.):
"Ich bin außerordentlich enttäuscht. Schließlich habe ich die Chance gehabt, vor heimischem Publikum zu gewinnen. Ich habe bei der Ausfahrt aus der Box in den Spiegel geschaut und mich offensichtlich stärker auf den Verkehr hinter mir als auf diese weiße Linie konzentriert."


Eddie Irvine (Jaguar-Cosworth) (7.):
"Ich habe eine ganze Zeit lang Heinz-Harald Frentzen verfolgt und wusste erst nicht, ob er soviel Treibstoff an Bord hat oder ob es meine Michelin-Pneus sind, die mir solch einen Vorteil verschaffen. Auf den Geraden habe ich teilweise Gas weggenommen, um Benzin zu sparen, und konnte ihm den-noch problemlos folgen ? so gut waren die Reifen. Wir sind auf dem richtigen Weg."