Lieber Nico, bleib wie du bist!

Missverständnisse zwischen Rennfahrern und Journalisten gibt es oft, aber Nico Rosberg ist der Letzte, dem man so etwas wünscht

Lieber Nico Rosberg,

Titel-Bild zur News: Nico Rosberg

Nico Rosberg gehört zu den offeneren Erscheinungen im Formel-1-Paddock

wie ich deinen Twitter-Mitteilungen entnehme, bist du gerade tierisch genervt darüber, wie deine Aussagen über die Fußball-WM der Frauen von uns Medien sensationalisiert wurden. Das kann ich gut verstehen. Nur um unsere Leser aufzuklären, worum es geht, hier die Abschrift deiner Journalistenrunde in Valencia:

Journalist A: "Nico, kann ich einmal eine Nicht-Formel-1-Frage stellen?"

Nico Rosberg: "Ja."

Journalist A: "Die Fußball-WM beginnt am Wochenende, weißt du das?"

Rosberg: "Natürlich weiß ich das. Die Frauen-Nationalmannschaft wird doch von Mercedes-Benz gesponsert. Das stimmt doch, oder? Ich verfolge das natürlich auch. Ich werde vor dem Fernseher stehen, wenn sie im Finale sind."

Journalist A: "Würdest du dich auch für Frauen interessieren, wenn sie nicht von Mercedes gesponsert werden?"

Rosberg: "Jaja."

Journalist B: "Du siehst aber erst im Finale zu?"

Rosberg: "Wahrscheinlich erst im Finale, vielleicht gucke ich auch Halbfinale. Ich glaube aber erst das Finale."

Journalist A: "Fragen wir einmal anders herum: würdest du eine Formel 1 akzeptieren, in der nur Frauen fahren - so quasi als Neben-Formel-1-? Was hätte das für eine Bedeutung für dich?"

Rosberg: "Nur Frauen..."

Journalistin: "Also eine Frauen-Formel-1?"

Journalist A: "Ja, eine Frauen-Formel-1, so wie es jetzt eine Frauen-Fußball-WM gibt."

Rosberg: "Boah, was soll ich jetzt darauf antworten?"

Christian Nimmervoll

Chefredakteur Christian Nimmervoll versteht den Ärger von Nico Rosberg Zoom

Journalist A: "Das ist ja die kritische Frage, was soll ich mit Frauen-Fußball anfangen? Oder was soll ich überhaupt mit Frauen-Sport anfangen?"

Journalist C: "Frauen überhaupt?"

Journalist A: "Nein, nein, nein. Aber verstehst du die Frage: was hat Frauen-Sport überhaupt für eine Berechtigung?"

Gruppe: "Boah!"

Journalist D: "Jetzt outet sich hier aber jemand."

Journalist A: "Ich will doch beim Sport die denkbar beste Leistung erleben. Wenn eine Frau von der Grundkonstitution her weniger Leistung bringen kann, interessiert mich das schon nicht. Nicht weil sie eine Frau ist, sondern weil die Leistung nicht Spitze ist..."

Journalist C: "Hast du einmal Männer-Kunstschwimmen gesehen?"

Journalist A: "Das geht ja auch vize-versa."

Journalist im Hintergrund: "Ich glaube, das haben einmal zwei Schwuchteln versucht..."

Rosberg: "Aber es gibt doch auch Paralympics, die man sich auch ansieht. Das ist doch so, dass dort ein Mensch nicht die ganz große Leistung bringen kann, aber unter sich sind sie alle ähnlich und deswegen ist es trotzdem spannend."

Journalist A: "Sehr guter Einwand."

Journalist im Hintergrund: "Frauen sind eigentlich grundsätzlich behindert."

Journalist A: "Gute Einwände kommen nur, wenn Fragen pushy waren. Ja. Jetzt schreiben wir: Rosberg findet Frauen-Fußball wie Paralympics."

(Allgemeines Gelächter)

Rosberg: "Tja, wenn man es richtig machen würde... Tja."

Journalist A: "Ne, ne."

¿pbvin|512|3839||0|1pb¿Von einer Sportnachrichtenagentur, deren Artikel auch auf 'Motorsport-Total.com' veröffentlicht werden, wurde dir daraufhin unterstellt, du hättest dich "erheblich in der Wortwahl" vergriffen. Das ist nicht in Ordnung, denn wenn man sich das Transkript durchliest, dann waren es wohl eher die beteiligten Journalisten, die sich in der Wortwahl vergriffen haben. Nur: Deren Aussagen interessieren die Öffentlichkeit eben nicht.

Man sollte aus dem Ganzen kein großes Drama machen, schließlich ist es ganz normal, dass bei einer lockeren Flapserei auch mal eine Wortmeldung dabei ist, die nicht hundertprozentig politisch korrekt ist. Wir Medien sind dir aber eine Entschuldigung schuldig, schließlich bist gerade du einer, der uns immer guten Stoff liefert - oft kritisch, meistens ehrlich (was die Formel 1 als Business ja von Natur aus nicht immer zulässt) und immer unterhaltsam.

Daher geben wir deiner Sicht der Dinge hier gern eine Plattform. Folgendes Statement hast du dieser Tage auf deiner offiziellen Internetseite gepostet: "Da ich nun schon seit drei Tagen angefeindet werde, stelle ich hier noch mal klar: Ich bin ein Fan von der Frauen-Nationalmannschaft und werde mitfiebern und genauso interessiere ich mich auch für einige Events der Paralympics."


Fotos: Nico Rosberg, Großer Preis von Europa, Sonntag


"Manchmal kommt man sich wie im Haifischbecken Formel 1 vor. Wie oft wir uns im Formel-1-Journalismus falsch interpretiert fühlen und das dann nicht mehr zu bremsen ist. Und manches wird dann als Wahrheit dargestellt. Darum werden wir Fahrer immer vorsichtiger mit dem, was wir sagen. Dadurch ist es nicht mehr wie in den Rockstar-80er-Jahren, sondern man kann oft nicht sagen, was man denkt. Auch wenn es eigentlich nur positiv gemeint ist."

Ich hoffe inständig, dass dieser unerfreuliche Anlass nicht dazu führt, dass du dir nun (wie viele deiner Kollegen) jedes Wort fünfmal überlegst, bevor du mit den Medien sprichst. Wenn's mal nicht so gelaufen ist, zählen Wörter wie "Quatsch" und "Mist" zu deinem Standardrepertoire. Das ist mir viel sympathischer als die ewigen Worthülsen anderer Fahrer, wo ein beschissener Tag schon mal zu einer "Herausforderung" wird oder eine schmerzende Niederlage zu einem "charakterbildenden Tag".

Hier beißt sich die Katze in den Schwanz: Denn genau wegen dieser aalglatten Corporate-Heads neigen wir Journalisten dazu, jede noch so inhaltsleere Aussage zu analysieren, zerlegen und interpretieren. Wenn dann mal einer frei von der Leber spricht, schießt man schon mal über das Ziel hinaus. Aber wenn du dir deswegen selbst den Schnabel verbietest, gewinnen "die anderen"! Mir ist eine Formel 1 mit lauter Nico Rosbergs 1.000 Mal lieber als ein Theater voller PR-Marionetten, die vor lauter Konzern-Gehirnwäsche ihre eigene Meinung gar nicht mehr unterdrücken müssen, sondern sie schon wirklich vergessen haben...

¿pbvin|512|3841||0|1pb¿Es ist eine Sache, wie jemand im Fernsehen rüberkommt, aber eine andere, wie er sich an den Grand-Prix-Wochenenden gibt, wie er in den Medienrunden mit den Journalisten spricht. Mir fallen Fahrer ein, die sich in der Öffentlichkeit so verstellen, dass sie von den Fans vergöttert werden, dabei sind sie abseits der TV-Kameras arrogante Schnösel. Bei dir ist eher das Gegenteil der Fall: Du bist im Umgang im Fahrerlager wesentlich angenehmer, als du auf die Öffentlichkeit wirkst. Das ist nur mein Eindruck. Aber mit deinem Videoblog auf YouTube sammelst du gerade Sympathien, wie mir die vielen Reaktionen der Internetuser zeigen.

Daher, lieber Nico, bitte ich dich: Bleib so, wie du bist! Und ganz nebenbei bemerkt: Fahr auch auf der Strecke so weiter wie bisher. Denn außer Bernie Ecclestone ist noch kaum jemand auf die Idee gekommen, dass das Denkmal Michael Schumacher auch deswegen so wanken könnte, weil du es ins Wanken gebracht hast. Wer sagt, dass "Schumi" wirklich schlechter ist als vor fünf Jahren?

Dein

Christian Nimmervoll

PS, nur für's Protokoll: 'Motorsport-Total.com' saß bei der fraglichen Medienrunde in Valencia nicht mit am Tisch.