Kolumne: Warum Lotus 2013 erfolgreich sein muss

Chefredakteur Christian Nimmervoll berichtet über den turbulenten Winter des Lotus-Teams und hofft im Interesse des Sports auf Erfolge in der Formel 1

Titel-Bild zur News: Präsentation des Lotus-Renault E21

Lotus stellte den E21 heute als erstes Team vor, online über YouTube Zoom

Liebe Leser,

in unserer Fotostrecke anlässlich der heutigen Lotus-Präsentation lassen wir die vielfältige Geschichte des Teams noch einmal Revue passieren. Was in den 1970er-Jahren als Traumgebilde von Ted und Bob Toleman begann, ist heute eines der fünf wichtigsten Teams in der Königsklasse, mit rund 500 Mitarbeitern am Standort Enstone und einem ehemaligen Weltmeister (Kimi Räikkönen) im Cockpit. Aber das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Rennstall hinter den Kulissen - wie viele andere Teams auch - einen finanziellen Überlebenskampf kämpfen muss.

Bereits im Februar vergangenen Jahres wurden erstmals Gehälter zu spät überwiesen, was irgendwie den Weg in die Medien fand und zu neuerlichen Gerüchten über eine finanzielle Schieflage des Teams führte. Ex-Teamchef Flavio Briatore hatte solche Spekulationen nach seinem unfreiwilligen Abschied infolge der "Crashgate"-Affäre immer wieder genüsslich angeheizt und bei befreundeten Medienvertretern von früher Gehör gefunden.

Doch was zunächst als beleidigtes Winseln eines ehemaligen Mitarbeiters abgetan wurde, verdichtete sich im Laufe des Jahres 2012 durch verschiedene Indizien immer mehr. Nach den (angeblich nur um zwei Tage) verspätet ausgezahlten Gehältern im Februar mussten die Mitarbeiter auch im Herbst länger als abgemacht auf ihre Gagen warten. Auch dafür wurde eine vermeintlich plausible Erklärung geliefert: Bernie Ecclestone habe interessierte Investoren an Land gezogen, und wegen deren Wertfeststellungsverfahren ("Due Diligence") verzögerten sich manche Überweisungen.

Mastercard und Honeywell

Zu jenem Zeitpunkt wurden im Paddock Gerüchte gestreut, wonach Ecclestone Lotus erneut einen Vorschuss auf FOM-Gelder gewährt haben soll, wie das schon 2011 einmal der Fall war. Ob das wirklich stimmt, ist uns unbekannt. Wie dem auch sei: Am 4. November gewann Kimi Räikkönen überraschend den Grand Prix von Abu Dhabi - und plötzlich schien sich das Blatt zu wenden. Denn auch wenn mit dem anvisierten Sponsor Mastercard weiterhin keine Einigung erzielt werden konnte, bahnte sich ein Abschluss mit der amerikanischen Honeywell-Gruppe an, einem 132.000 Mitarbeiter zählenden Konzern, der 2011 36,5 Milliarden US-Dollar Umsatz erwirtschaftet hatte.

Die Verhandlungen mit Honeywell waren bereits so weit fortgeschritten, dass sich zwei ebenfalls interessierte Teams aus dem Pitch zurückzogen. Lotus-Designs mit Honeywell-Logos waren fix und fertig, die Unterschrift nur noch Formsache. Parallel dazu kam es im Dezember zu weiteren Gesprächen mit Investoren. Diese wollten sich jedoch nicht mit 49 Prozent abspeisen lassen, wie es Lopez und seinem Partner Eric Lux vorschwebte, sondern eine Mehrheit am Team übernehmen - im Idealfall 100 Prozent. Laut Informationen von 'Motorsport-Total.com' lag ein konkretes Angebot im dreistelligen Millionenbereich auf dem Tisch.

Lopez, aufgrund von gesundheitlichen Problemen zunächst sehr an einem Verkauf interessiert, schlug das Angebot, das das Team auf einen Schlag finanziell saniert hätte, aus. Dabei hätte sich Genii bei einem solchen Deal schadlos gehalten und praktisch alle Kosten, die in drei Jahren Formel 1 entstanden sind, von den Investoren zurückbekommen. Lopez und Lux hätten drei Jahre weltweite Gratiswerbung einstreifen und sich wirtschaftlich unbeschadet aus dem mutmaßlich riskanten Geschäft verabschieden können. Doch sie entschieden sich dagegen - möglicherweise in der Hoffnung, dass 2013 der sportliche Durchbruch gelingen würde und damit auch die Millionen fließen werden.


Fotos: Präsentation des Lotus E21


Womit sie jedoch möglicherweise nicht gerechnet hatten: Bernie Ecclestone hätte einen Wechsel an der Spitze des Lotus-Teams unterstützt und war über den geplatzten Verkauf alles andere als erfreut. Ich überlasse es dem Leser, ob er zwischen diesen beiden Ereignissen einen Zusammenhang feststellen kann, aber nur wenig später war der schon sicher scheinende Honeywell-Deal plötzlich abgesagt. Stattdessen, so munkelt man in Marketing-Kreisen, interessiert sich die milliardenschwere Gruppe plötzlich für a) einen möglichen Las-Vegas-Grand-Prix oder b) für ein Engagement als Seriensponsor der Formel 1. Beides würde Ecclestone helfen.

Wie viel Geld fehlt im Lotus-Etat?

Während der Verkaufsgespräche im Dezember gingen Lopez/Lux noch davon aus, Honeywell sicher an Bord zu haben, dennoch klaffte schon damals eine Lücke im zweistelligen Millionenbereich im geplanten Etat 2013. Spinnt man diesen Faden weiter, müssten jetzt eigentlich mindestens 50 Millionen fehlen - es sei denn, dem Team gelingt rechtzeitig noch ein Überraschungscoup. Dass die Lotus-Schulden durch Zahlungen von Genii angeblich um 15 Prozent reduziert wurden, ist bestenfalls Augenauswischerei und dient möglicherweise lediglich der Besänftigung der ungeduldigsten Gläubiger.

Doch selbst wenn Lotus (und zwar bei weitem nicht als einziges Formel-1-Team) finanziell mit dem Rücken zur Wand steht, könnte der Turnaround 2013 gelingen. Teamchef Eric Boullier hat es geschafft, den intensiv von McLaren und Mercedes umworbenen Technikdirektor James Allison doch irgendwie zu halten, und Kimi Räikkönen bleibt an Bord, obwohl er angeblich noch auf erhebliche Teile seiner 2012er-Gage wartet - möglicherweise eine Folge seines stark prämienorientierten Vertrags, der ihn durch 207 gesammelte WM-Punkte zu einem der Topverdiener des vergangenes Jahres machte.

Christian Nimmervoll

Christian Nimmervoll ist seit 2003 Chefredakteur von Motorsport-Total.com Zoom

Lotus muss die finanzielle Krise nur durchstehen, möglichst rasch sportliche Erfolge feiern - und Jackie Stewarts oftmals unterschätztes Kontakt-Netzwerk anzapfen. Dann könnte das Team schon sehr bald über den Berg sein und in der Liga der Großen mitspielen. Und man darf nicht vergessen: Lotus hat über den Energydrink Burn einen Fuß in der Tür des Coca-Cola-Konzerns. Vielleicht öffnet der ja sein Füllhorn, wenn das "Probejahr" 2013 gut verläuft. Alleine schon aufgrund der beeindruckenden Fan-Community von Räikkönen wäre das sicher im Interesse des Sports.

Christian Nimmervoll

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