Kein Concorde-Agreement: "Niemand übermäßig pedantisch"

Martin Whitmarsh findet es nicht ideal, aber grundsätzlich tragfähig, ohne Concorde-Agreement zu fahren, während Charlie Whiting an korrekte Prozesse glaubt

(Motorsport-Total.com) - Eigentlich sollte das neue Concorde-Agreement längst ratifiziert sein, schließlich wurden die ersten kommerziellen Verträge (Laufzeit: bis Ende 2020) bereits vor über einem Jahr abgeschlossen (zunächst nur mit Ferrari und Red Bull). Doch vor dem zweiten Grand Prix der Formel-1-Saison 2013, am kommenden Wochenende in Malaysia, gibt es nach wie vor keine finale Einigung - und mit Marussia steht ein Team sogar immer noch ohne jedwede kommerzielle Vereinbarung mit Bernie Ecclestone da (was übrigens für juristische Schwierigkeiten sorgen könnte, zumindest rein theoretisch).

Titel-Bild zur News: Martin Whitmarsh

McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh ist nicht glücklich mit der Situation Zoom

Das letzte Mal, dass es in einer Saison kein Concorde-Agreement gab, war 2009, doch damals hatten sich alle Beteiligten zumindest darauf verständigt, sich bei der Erstellung neuer Regeln an die Bedingungen des vorhergehenden Agreements zu halten. Grundsätzlich werden neue Regeln ja von der Technischen oder Sportlichen Arbeitsgruppe entwickelt, einem Gremium der Technik- beziehungsweise Sportchefs aller Teams unter dem Vorsitz von Charlie Whiting, dem Technischen Delegierten der FIA.

Diese beiden Arbeitsgruppen geben ihre Vorschläge dann an die Formel-1-Kommission weiter, die aus 26 Vertretern von Teams, Grand-Prix-Veranstaltern, Motoren- und Reifenherstellern, Sponsoren und so weiter besteht. Die Kommission kann Vorschläge durchwinken oder ablehnen, aber keine eigenen Regeln erarbeiten. Letzte Instanz ist dann schlussendlich der Motorsport-Weltrat der FIA. Doch in Ermangelung eines Concorde-Agreements hat es seit Ewigkeiten keine Sitzung der Kommission mehr gegeben.

Whitmarsh: Situation nicht ideal

Eine Situation, die "tragfähig, aber nicht wünschenswert", ist, wie Martin Whitmarsh auf Anfrage von 'Motorsport-Total.com' einräumt. "Ich denke, jetzt ist allen klar, dass FIA und FOM hart zusammenarbeiten. Im Grunde genommen arbeiten die verschiedenen Leute weitgehend so, als wäre ein Concorde in Kraft. Es gibt allerdings eindeutig offene Fragen, wie die Regeländerungen passiert sind. Ist das eine korrekte Führung des Sports?", so der McLaren-Teamchef, gleichzeitig auch Vorsitzender der Teamvereinigung FOTA.

Whiting ohne allzu große Sorgen


Fotos: Großer Preis von Malaysia, Pre-Events


"Ich schätze, dass momentan niemand übermäßig pedantisch sein will, daher ist es im besten Interesse des Sports, wenn wir uns darauf konzentrieren, ein neues Concorde mit klaren Regeln zu verabschieden, auf das sich die Investoren verlassen können und das den Teams Sicherheit gibt, anstatt sich über die Details der Regeländerungen zu streiten", sagt er. "Ist das noch für ein paar Monate tragfähig? Ja. Ist es gesund und der richtige Weg für den Sport in den nächsten Jahren? Nein. Aber ich sehe Anzeichen dafür, dass sehr hart zusammengearbeitet wird, um ein neues Concorde zu verabschieden."

Die große Gefahr dabei, nicht "übermäßig pedantisch" zu sein, liegt jedoch darin, dass Abweichungen von den vorgesehenen Prozessen jenen Teams eine Angriffsfläche bieten könnten, die mit den neuen Regeln nicht einverstanden sind. So steht zum Beispiel schon seit Monaten die unausgesprochene Drohung im Raum, dass einige Teams den Europäischen Gerichtshof einschalten könnten, weil Ecclestone in ihren Augen seine marktbestimmende Position zu seinem eigenen Wettbewerbsvorteil ausnutzt.

FIA-Vertreter Whiting ist allerdings zuversichtlich, dass auch in der derzeitigen Situation alles korrekt abläuft: "In Ermangelung eines Concorde-Agreements - von dem wir jedoch hoffen, dass es bald ratifiziert wird - müssen wir uns auf den Sportkodex berufen. Da steht ganz klar drin, wie Regeländerungen eingeführt werden können", stellt er klar. Sprich: Die FIA kann den "luftleeren Raum" ohne Concorde-Agreement nutzen, um nach eigenem Ermessen zu verwalten, ohne die Teams zwingend konsultieren zu müssen.

Charlie Whiting

Charlie Whiting orientiert sich derzeit am Internationalen Sportkodex der FIA Zoom

Das tut der Weltverband aber trotzdem, wenn auch nicht in den bekannten Arbeitsgruppen: "Wir konsultieren die Teams durch ein Gremium, das de facto eine Sportliche oder Technische Arbeitsgruppe ist. Dadurch werden uns Dinge vorgeschlagen, und dann wenden wir uns mit den finalen Vorschlägen an den Weltrat. Dem Weltrat sage ich dann, wie die Teams einen Vorschlag bewerten. Tatsächlich ist der Prozess also kaum anders als früher. Es gibt aber derzeit keine Formel-1-Kommission", schildert Whiting.

Die bisher für eine Mehrheitsfindung notwendigen 70 Prozent unter den Teams sind ebenfalls ein Relikt der Vergangenheit: "Wir haben keine feste Mehrheit", räumt der Brite ein. "Ich kann nur dem Weltrat sagen: Sechs von elf Teams sind dafür. Dann muss der Weltrat entscheiden. Aber in Artikel 199 steht ganz klar beschrieben, wie das Technische und Sportliche Reglement geändert werden kann. Danach arbeiten wir im Moment, aber wir hoffen natürlich, dass wir bald zu den etablierteren Prozeduren zurückkehren können."