• 26.09.2010 12:44

  • von Dieter Rencken

Interview: McLaren erlaubt freies Racing

Technikchef Jonathan Neale spricht über die Fortschritte seit Ungarn, reduziertes Risiko in der WM-Schlussphase und McLarens Einstellung zum Stallduell

(Motorsport-Total.com) - Weil Teamchef Martin Whitmarsh noch im FOTA-Meeting war, musste McLarens Technischer Direktor Jonathan Neale die Pressekonferenz vor dem Grand Prix von Singapur alleine abhalten. Der Brite sprach heute Nachmittag über die Entwicklungsarbeiten hinter den Kulissen, aber auch über den WM-Kampf - und machte deutlich, dass McLaren Lewis Hamilton und Jenson Button erlauben wird, frei gegeneinander zu fahren. Die beiden stehen heute nebeneinander in der zweiten Startreihe...

Titel-Bild zur News: Jonathan Neale

McLaren-Technikchef Jonathan Neale kündigt weitere Entwicklungen an

Frage: "Jonathan, wie schätzt du eure derzeitige Form ein?"
Jonathan Neale: "Wenn wir ein bisschen zurückschauen, auf Ungarn, dann war das ziemlich schmerzvoll für uns - dort haben uns 1,7, 1,8 Sekunden gefehlt. Das wurde verschlimmert durch die anschließende Fabrikschließung. Dieses Gefühl ein paar Wochen mitschleppen zu müssen, ohne etwas dagegen tun zu können, war sehr unangenehm."#w1#

"Aber wir haben inzwischen wieder sehr hart am Auto gearbeitet, die Aerodynamik verbessert und auch versucht, das Fahrverhalten angenehmer zu gestalten. Wir kamen mit einem verbesserten Auto und einigen Upgrades hierher, aber du kannst dir nie ganz sicher sein, ob du genug unternommen hast, denn wir konnten ja seit Ungarn nie auf einer High-Downforce-Strecke testen."

Guter Auftakt am Freitag

"Hier war uns schon am Freitag klar, dass Red Bull schnell ist. Wir waren uns ziemlich sicher, dass Ferrari nahe dran sein würde, aber Jenson zeigte, dass wir auch in etwa dabei sind. Jenson hat gezeigt, dass es ein starker Freitag für uns war. Wir haben noch am Setup gearbeitet und an der Technik von Lewis' Auto und am Samstagmorgen war dann auch Lewis' Auto abgestimmt."

"Leider sind wir mit Jenson im dritten Training ein bisschen vom Weg abgekommen, was uns frustriert hat. Wir behielten aber kühlen Kopf, haber über Mittag am Heck gearbeitet und die weichen Reifen funktionierten besser für ihn, denn am Samstagnachmittag ging es vor allem darum, die weichen Reifen zum Arbeiten zu bekommen. Wir wussten, dass sie schnell sind, waren uns aber nicht sicher ob schon in der ersten Runde."

"Die zweite Startreihe gibt uns das Gefühl, dass es gut gelaufen ist. Über dieses Rennen hier sind wir mehr besorgt als über andere, die noch anstehen. Gestern war ein guter Tag für uns und beide Fahrer hatten das Gefühl, dass noch mehr drin gewesen wäre. Ich weiß aber andererseits nicht, ob es gestern überhaupt einen Fahrer gab, der das nicht so empfunden hat..."

¿pbvin|512|3137||0|1pb¿Frage: "Wie zufrieden bist du mit dem neuen Frontflügel?"
Neale: "Der neue Frontflügel ist optisch ziemlich anders. Auf den schnelleren Strecken sollte da noch mehr kommen und ich glaube nicht, dass wir hier schon alles gesehen haben. Zuversichtlich stimmt uns aber, was im Heck des Autos passiert. Daran haben wir über die vergangenen Rennen hinter den Kulissen gearbeitet."

Frage: "Was genau habt ihr am Heck verändert?"
Neale: "Wir fuhren einige verschiedene Motorenmodi und hatten einige Veränderungen im Auspuffbereich. Da entwickeln wir auch noch weiter. All das kommt noch. Wir arbeiten in diesem Bereich eng mit Mercedes zusammen. Weil die Testfahrten so eingeschränkt sind, muss man all das am Freitag ausprobieren."

"Was die Weltmeisterschaft angeht, wird sich unsere Einstellung zum Risiko ein bisschen verändern. Weniger als ein Sieg Unterschied zwischen den fünf Fahrern bedeutet, dass wir fehlerfrei sein müssen. Wir wissen, dass Unfälle hier Einfluss auf den Rennausgang nehmen können, daher wollen wir auf keinen Fall zu viel Risiko eingehen. Bei uns kommt noch mehr, aber bei den anderen Teams sicher auch. Ich war am Freitagmorgen am Flughafen und hatte alle möglichen neuen Teile im Handgepäck. Ich habe dort Adrian Newey getroffen, der auch ein paar Koffer dabei hatte..."

Die Krux mit den Teilen im Gepäck

Frage: "Stimmt es, dass diese Teile fast verloren gegangen wären?"
Neale: "Ich hatte eine Reihe an Last-Minute-Teilen dabei und auch eine neuen Frontflügel. Die waren wundervoll verpackt, wie das immer der Fall ist, wenn sie frisch aus der Fabrik kommen. Als ich in den Flieger stieg, vergewisserte ich mich, dass die Teile an Bord waren, und beim Aussteigen wartete ich, bis sie aus dem Flieger kamen."

"Dann kamen die ganzen Koffer mit den Teilen durch und ich wartete auf die Box mit dem Frontflügel. Dabei fuhr Adrians Zeug auch an mir vorbei. Die Flughafen-Mitarbeiter dachten aber, dass es weder Gepäck war noch Flugzeugteile, wegen der guten Verpackung, also haben sie die Boxen einfach hinten gelassen! Es hat ein paar Stunden gedauert, die Dinger zu finden."

Frage: "Werdet ihr Jenson und Lewis heute auf unterschiedliche Strategien ansetzen?"
Neale: "Nein, ich glaube nicht. Es gibt hier keine besondere Taktik. Uns ist klar, dass wir das Rennen nicht in der ersten Kurve gewinnen werden. Wenn ich mir die Kommentare der beiden Fahrer in der ersten Reihe so durchlese, dann sollten wir die beiden erstmal ihr Ding machen lassen."


Fotos: McLaren, Großer Preis von Singapur, Samstag


"Wir werden Druck machen und versuchen, Mark Webber hinter uns zu halten. Jenson war hier viel aggressiver als sonst, was auf einem Stadtkurs sehr gut ist - ihm bereitet das Spaß. Lewis hat sein Auto gut im Griff, aber er ist enttäuscht, dass er in Q3 nicht mehr aus den weichen Reifen herausholen konnte. Ich glaube aber, dass hier jeder Fahrer Zeit liegen gelassen hat. Wenn es trocken bleibt, haben wir denke ich sehr gute Chancen."

"Ich garantiere, dass sie auch gegeneinander fahren werden. Alle fünf Fahrer liegen innerhalb eines Sieges - und Jenson ist nicht weniger hungrig als Lewis, dieses Rennen zu gewinnen. Die beiden machen hinter den Kulissen ziemlich viel Spaß miteinander, aber wir wissen, dass nur wenige Punkte zwischen ihnen liegen, daher erwarten wir, dass sie gegeneinander fahren."

Frage: "Hat Fernando Alonso die beste Ausgangsposition?"
Neale: "Das würde ich nicht unbedingt sagen. Es war eine fantastische Runde von ihm, aber wenn ich mir die Pace der Red Bulls anschaue, dann wird er in den ersten zwei, drei Runden alle Hände voll zu tun haben. Unser Auto sollte mit viel Benzin auch stark sein. Ich glaube, Alonso muss eher nach hinten schauen, besonders am Start."