• 24.10.2010 07:14

  • von Christian Nimmervoll & Dieter Rencken

Hülkenberg: Entscheidung erst nach Saisonende?

Williams muss sich zwischen deutschem Talent und venezolanischen Millionen entscheiden - Nico Hülkenberg gesteht Anlaufschwierigkeiten ein

(Motorsport-Total.com) - Obwohl die südamerikanische Presse berichtet, dass Pastor Maldonado seinen Williams-Vertrag für 2011 bereits in der zweiten Oktober-Woche unterschrieben hat, wird sich die Fahrerentscheidung beim britischen Team wohl noch weiter hinauszögern. Laut Informationen von 'Motorsport-Total.com' ist es wahrscheinlich, dass die offizielle Bekanntgabe sogar erst nach Saisonende erfolgen wird.

Titel-Bild zur News: Nico Hülkenberg und Patrick Head

Nico Hülkenberg im Gespräch mit Williams-Teilhaber Patrick Head

Zur Auswahl stehen offenbar noch mehrere Kandidaten: Rein von der sportlichen Performance her würde man gerne an Routinier Rubens Barrichello und Youngster Nico Hülkenberg festhalten, doch für Maldonado sprechen angeblich 15 Millionen venezolanische Erdöl-Argumente. Auch Adrian Sutil steht bei den Verantwortlichen in Grove hoch im Kurs und hat sich noch nicht definitiv zu Force India bekannt. Der Deutsche gilt aber nur als Außenseiter.

Negative Bilanz gegen Barrichello

Das große Thema ist derzeit: Darf Hülkenberg bleiben oder nicht? Der 23-Jährige liegt im internen Stallduell mit 17:41 (Punkte) beziehungsweise 5:12 (gewonnene Qualifyings) im Rückstand, kam zuletzt aber immer besser in Fahrt. Der derzeitige Aufwärtstrend kommt auch wenig überraschend, schließlich war er ab der zweiten Saisonhälfte noch in jeder für ihn neuen Rennserie im Rhythmus - umsonst wurde er nicht A1GP-, Formel-3- und GP2-Champion.

Andererseits tun Fehler wie im gestrigen Qualifying, als er drauf und dran war, Barrichello zu schlagen und ins Top-10-Finale einzuziehen, dann aber nach persönlich bester Zwischenzeit einen Fahrfehler einbaute, doppelt weh. Hülkenberg steht unter Beobachtung - und ein überzeugender Auftritt wie beim Grand Prix von Italien reicht nicht: "Monza war ein ziemlich starkes Rennen, aber wir wollen vor Saisonende noch ein oder zwei mehr von dieser Sorte sehen", fordert Patrick Head.

"Leider hat Nico in Singapur das Qualifying verpatzt. Dann kam noch die Rückversetzung um fünf Positionen dazu, an der wir schuld waren, und das bedeutete den 17. Startplatz. Von da aus noch Zehnter zu werden, war nicht schlecht, aber er fuhr das ganze Rennen im Windschatten eines Vordermannes, sodass er sein Potenzial oder das des Autos nie wirklich zeigen konnte", so der Williams-Teilhaber. "Um eine lange Antwort abzukürzen: Er muss bessere Ergebnisse einfahren."

Pastor Maldonado

Pastor Maldonado ist Nico Hülkenbergs Nachfolger als GP2-Meister Zoom

Head findet, dass das Nachwuchstalent bereits "ausreichend bewiesen" hat, dass es in die Formel 1 gehört. Auch Hülkenberg selbst ist trotz der Ungewissheit optimistisch: "Das Team hat eine Option auf mich", erklärt er gegenüber 'Autosport'. "Ich kann das Datum nicht nennen, aber sie wurde noch nicht eingelöst. Es ist eine Frage der Zeit. Das Feedback des Vorstands und der Chefs ist sehr positiv. Ich glaube, dass ich bleiben werde - und ich möchte bleiben."

Schweigen über Maldonado

Was die angebliche Vertragsunterschrift von Maldonado in der venezolanischen Hauptstadt Caracas angeht, hält man sich bei Williams bedeckt: "Da müsst ihr Herrn Parr fragen, der leider in England ist. Ich kann da leider nicht weiterhelfen", schiebt Head den Schwarzen Peter grinsend von sich weg. "Ich bin mir sicher, dass immer aufregende Storys aus Caracas kommen, aber vielleicht nicht immer zum Thema Formel 1." Aber er bestätigt: "Ich bin in die Fahrerentscheidung eingebunden."

Hülkenberg gibt zu: "Ich hätte mehr erreichen können." Aber: "Es war sehr schwierig für mich, denn vor Bahrain hatte ich nur sieben Testtage und ein Auto, das nicht so gut war wie erwartet. Mit so wenig Erfahrung im Qualifying und Rennen den Job abzuliefern, war nicht einfach, denn das Auto war schwierig zu fahren. Im Vergleich zu Rubens ist mir das am Anfang eindeutig nicht gelungen", meint der Deutsche selbstkritisch.

"Seit Saisonmitte habe ich es aber besser im Griff", fährt er fort, "und ich fühle mich viel wohler. Ich kann die Leistungen konstant abrufen, was auch notwendig ist, wenn ich in der Formel 1 bleiben möchte." Ein Knackpunkt war das Qualifying in Valencia, "wo ich das ganze Wochenende hinter Rubens war, aber in Q3 gelang mir dann eine großartige Runde und so stand ich vor ihm", erinnert sich Hülkenberg.


Fotos: Nico Hülkenberg, Großer Preis von Südkorea


Dann folgten ein sechster Platz in Budapest und ein siebter in Monza: "Italien", so der Williams-Pilot, "war die beste Performance der gesamten Saison: Sehr gutes Qualifying, keine Fehler im Rennen und von der ersten Runde bis zwei Runden vor Schluss hatte ich einen Red Bull im Rückspiegel. Ich stand konstant unter Druck - es war ein harter, aber sauberer Fight. Ich habe mich so breit wie möglich gemacht und zweimal die Schikane abgeschnitten, aber Mark war nicht nahe genug dran."

Hülkenberg kommt auf Touren

"Der schwierigste Teil waren die ersten sechs oder sieben Rennen, im Qualifying Leistung zu bringen und es dann auch im Rennen hinzubekommen, ohne Erfahrung und mit wenig Sicherheit. Rubens hat mir jedes Mal in den Arsch getreten. Da fragst du dich irgendwann, warum das so ist, weil du es ändern musst. Die Leute fangen auch an zu fragen, aber da musst du cool bleiben", schildert Hülkenberg und hält fest: "Mental bin ich ziemlich stark."

Vergleiche mit Lewis Hamilton, der 2007 ebenfalls aus Formel 3 und GP2 direkt in die Formel 1 durchmarschiert ist, hält der in Oxford lebende Exil-Deutsche nicht für zulässig. Denn während Hamilton von McLaren akribisch auf die Formel 1 vorbereitet wurde, "hatte ich 2009 nur zwei Testtage, sonst nichts. Die Leute erwarten aber, dass ich genauso einschlage wie Hamilton damals", seufzt er angesichts des hohen Erwartungsdrucks.

Nico Hülkenberg

Nico Hülkenberg hat noch drei Rennen, um sein Talent zu beweisen Zoom

Für Williams geht es nun darum, die Entscheidung zwischen einem vielversprechenden Nachwuchstalent, das schon am Ende der ersten Saison gut mit Barrichello mithalten kann, der sein Potenzial in der Formel 1 wahrscheinlich längst ausgeschöpft hat, und einem ebenfalls mit etwas Talent ausgestatteten Bezahlfahrer zu treffen. Maldonado wäre der erste Fahrer in der Williams-Geschichte, dessen stärkstes Argument für eine Verpflichtung Sponsorengelder sind.

Also: Talent oder Millionen? "Das sind Dinge, die wir gegeneinander abwägen", sagt Head und bleibt vage: "Ich finde es furchtbar, mich hinter dem Vorstand zu verstecken, aber genau dort besprechen wir diese Dinge. Im Moment sind wir nicht in einer Position, irgendwelche definitiven Entscheidungen zu treffen. Ich weiß, das klingt für euch nach einer Floskel, aber wenn wir soweit sind, werden wir eine Bekanntgabe machen."

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