Hamilton: "Es gibt keine Frustration"

(Motorsport-Total.com) - Schon seit dem Saisonauftakt in Australien ist Lewis Hamilton nicht mehr aus den Schlagzeilen der Formel-1-Berichtertstattung wegzudenken. Doch sind es 2009 nicht die sportlichen Höhenflüge, weswegen der britische Rennfahrer derzeit eine erhöhte Medienpräsenz genießt: Noch ist die als "Liegate" getaufte Affäre um den amtierenden Weltmeister nicht ad acta gelegt worden. Diese Thematik wurde auch nach dem Freien Training in Bahrain im Interview ausführlich behandelt...

© xpb.cc

Lewis Hamilton hat die Folgen von "Liegate" noch nicht ganz ausgestanden

Frage: "Lewis, kannst du hier einen Fortschritt erkennen?"
Lewis Hamilton: "Wir machen einfach nur in unserem Programm weiter. Natürlich haben wir einen kleinen Schritt gemacht, aber wir haben hier keine neuen Teile am Start."#w1#

Solider Trainingsauftakt in der arabischen Wüste

Frage: "Kannst du dein Training zusammenfassen?"
Hamilton: "Wir waren konstant und hatten zwei produktive Sessions. Ich fühle mich zuversichtlich und wir wollen weiter Druck machen."

Frage: "Zwischen dem Ersten und dem Letzten liegen 1,5 Sekunden. Das ist ziemlich wenig..."
Hamilton: "Es geht richtig eng zu. Wir wissen natürlich nicht, wer mit wie viel Sprit unterwegs ist, aber wir kommen ganz sicher voran. Dennoch gibt es da ein paar Jungs, die etwas schneller sind als wir."

Frage: "Hier gibt es starke Winde und möglicherweise sogar Sandstürme. Wie fühlt sich die Rennstrecke bei Seitenwind an?"
Hamilton: "Das kommt immer ganz darauf an, an welcher Stelle die Seitenwinde auftreten. Wenn das in den Kurven fünf und sechs der Fall ist, dann kann es ziemlich hektisch werden - wie auch in Kurve 13. Momentan ist das Wetter jedenfalls perfekt. Es ist recht heiß, aber der Wind ist schwach. Die Parole lautet also: Daumen drücken, dass das so bleibt."

Frage: "Was hast du dir für dieses Rennwochenende vorgenommen?"
Hamilton: "Wir wollen Punkte holen und etwas weiter vorne ins Ziel kommen. Das Hauptziel ist im Moment, WM-Zähler abzugreifen - so viele, wie nur irgend möglich."

Frage: "Was kannst du an diesem Wochenende von deinem Auto erwarten?"
Hamilton: "Ich hoffe sehr, dass wir weiterhin so zuverlässig sein können. Das wäre eine richtig gute Sache. Wir geben alles, um zu siegen, sind dafür aber momentan einfach nicht schnell genug. Dennoch: Wir kommen langsam aber sicher näher. Es wird aber noch zwei oder drei Rennen brauchen."

Frage: "Du denkst also nicht an das Podium?"
Hamilton: "Die Top 5 wären eine schöne Geschichte. So ein Ergebnis würden wir uns wünschen."

Noch sieht Hamilton nicht alle Felle davonschwimmen...

Frage: "Geht es darum, die Frustration in Grenzen zu halten, bis du wieder in einem konkurrenzfähigen Auto sitzt?"
Hamilton: "Da gibt es keine Frustration."

Frage: "Der Wagen scheint etwas besser zu sein. Wo würdest du euch einordnen?"
Hamilton: "Das Fahrzeug fühlt sich hier etwas besser an, dabei haben wir weder Veränderungen vorgenommen noch Updates angeschraubt. Wir arbeiten einfach am Setup und widmen uns ganz den Feineinstellungen. Dadurch haben wir hier ein besseres Gefühl. Die Reifen bleiben weniger oft stehen und das ist definitiv ein positives Signal. Wir wissen nicht, was die anderen treiben, sind mit unserer Leistung aber zufrieden."

Frage: "Wie schwierig ist diese Saison für dich?"
Hamilton: "Ich habe in meiner Karriere schon viele harte Zeiten überstanden und auch die vergangenen Saisons waren nicht ohne. In diesem Jahr bin ich deutlich zufriedener mit meiner persönlichen Leistung, denn darauf schaue ich sehr genau. Ich will einfach sicherstellen, dass ich noch konstanter werde. Was die Situation des Teams betrifft: So etwas kommt nun einmal vor. Man hat eben seine Hochs und Tiefs. Wir befinden uns aber schon mittendrin in der Aufholjagd."

Frage: "Denkst du, dass du dem Team dabei geholfen hast, sich in die richtige Richtung zu bewegen?"
Hamilton: "Dabei handelt es sich um eine Kombination verschiedener Dinge. Heikki und ich arbeiten sehr gut zusammen, um das Team voran zu bringen. Natürlich brauchen die Jungs nach den bisherigen Ergebnissen eine gewisse Aufmunterung, denn auch in der Fabrik wird gute Arbeit geleistet. Insgesamt erledigen wir in meinen Augen einen guten Job und bewegen uns definitiv in die richtige Richtung. Das liegt gewiss nicht an einer Einzelperson."

Frage: "Glaubst du noch immer an eine Chance in der WM?"
Hamilton: "Ich denke, wir sind noch im Rennen. Aber die anderen Jungs haben schon einen kleinen Vorsprung. In 14 Rennen kann allerdings noch so einiges passieren, also bleiben wir zuversichtlich. Wir wollen einfach weiterhin den bestmöglichen Job machen und dann werden wir sehen, ob wir aufholen können oder nicht. Wenn das klappt, dann wollen wir uns gut verkaufen und uns anschließend auf die kommende Saison konzentrieren."

Der Spaß an der Formel 1 ist ungebrochen

Frage: "Wie viel Spaß macht dir das Rennfahrern im Augenblick, wo du doch gerade nicht an der Spitze bist?"
Hamilton: "Es ist noch immer eine sehr große Herausforderung und verschafft mir sehr viel Freude. Ich habe großen Spaß daran."

Frage: "Du erlebst sowohl auf als auch neben der Strecke eine schwierige Zeit. Wie schaffst du es als amtierender Weltmeister, trotzdem weiterzumachen?"
Hamilton: "Mich kann man mental nicht besiegen. Konzentration stellt für mich kein Problem dar. Ich gehe Heim, lade dort meine Akkus wieder auf und habe die ganze Zeit meine Familie um mich herum. Solange ich meine Angehörigen hinter mir weiß, werde ich kämpfen."

Frage: "Wie kannst du die Gedanken an die Anhörung in der kommenden Woche verdrängen?"
Hamilton: "Darüber denke ich gar nicht nach."

Frage: "Das ist doch eine ziemliche Zerreißprobe, oder nicht? Wie kannst du als Rennfahrer eines Teams, das die am Herzen liegt, nicht daran denken, wenn du nicht im Auto sitzt?"
Hamilton: "Wir haben ein Ziel. Darauf arbeiten wir hin - und zwar ohne uns ablenken zu lassen."

Frage: "Du hast in den vergangenen Wochen einen persönlichen Tiefschlag hinnehmen müssen. Hast du das Gefühl, diese Situation hinter dir gelassen zu haben?"
Hamilton: "Ja. Ich arbeite hart und fühle mich mit jedem neuen Tag besser."

Frage: "Trifft der Begriff 'persönliches Trauma' darauf zu?"
Hamilton: "Es handelt sich nur um eine besonders schwierige Zeit. Ich würde es eigentlich überhaupt nicht beschreiben, denn so sehr habe ich mich damit noch nicht beschäftigt."

Fans und Familie geben Hamilton neue Kraft

Frage: "Du scheinst nun deutlich gelassener zu sein..."
Hamilton: "Ich freue mich, hier zu sein. Ich wurde von den Menschen in Bahrain sehr gut behandelt und wir wurden überhaupt nicht abgelenkt. Wir konzentrieren und lediglich auf den Wagen und genießen das."

Frage: "Du hast auf der anderen Seite der Strecke fleißig Autogramme geschrieben. Was hat dir das angesichts der jüngsten Ereignisse bedeutet?"
Hamilton: "Das ist wahnsinnig wichtig für mich. Das vergangene Wochenende war in Bezug auf mein persönliches Leistungsbefinden nicht gerade eine tolle Sache. Ich bin dann mit all den Geschenken der chinesischen und japanischen Fans nach Hause gefahren und habe mir alles genau angesehen. All die Briefe haben mir einen großen Schwung verschafft. Es ist immer richtig toll zu sehen, wie die Fans den Union Jack schwenken. Das mag ich sehr."

Frage: "Fühlst du dich nach den Geschehnissen der vergangenen Rennen nun stärker?"
Hamilton: "Aber klar. Ich verbessere mich ständig. Als ich Nelson Mandela getroffen habe, hat er mir gesagt, dass er mit seinen 90 Jahren noch immer lernt und auch ich werde an jedem einzelnen Tag meines Lebens noch etwas dazulernen."

Frage: "Einige Teammitglieder haben von einer regelrechten Aufbruchsstimmung im Rennstall und dem Beginn einer neuen Ära gesprochen. Teilst du diese Aufregung?"
Hamilton: "Das unterscheidet sich nicht weiter von anderen Situationen. Schön ist aber, dass die Jungs noch immer sehr enthusiastisch zu Werke gehen und härter denn je arbeiten. Sie scheinen noch besser zu sein, als jemals zuvor."

Frage: "Wie sieht deine längerfristige Zukunft aus? Wirst du auch noch in fünf Jahren hier sein?"
Hamilton: "Ich bin hier, habe Spaß und werde meinem Team nicht den Rücken kehren, nur weil es einmal hart wird. Wir hatten gemeinsam schon gute und schlechte Zeiten und ich bin glücklich damit, wo ich bin. Wir haben noch eine lange Reise vor uns und hoffentlich habe ich hier noch eine lange Zeit vor mir."