• 21.06.2012 22:50

Hamilton: "Eines der härtesten Rennen des Jahres"

Warum Lewis Hamilton mit einer hoffnungslosen Reifenschlacht rechnet, wer für ihn in Valencia Favorit ist und wieso er nicht mehr an seinen Sieg in Kanada denkt

(Motorsport-Total.com) - Bei Lewis Hamilton platzte in Kanada endlich der Knoten. Der McLaren-Star feierte endlich seinen ersten Saisonsieg und übernahm damit die WM-Führung. Doch dem Briten ist bewusst, dass die Karten beim Grand Prix von Europa wieder neu gemischt werden. Diesmal gilt die enorme Hitze in Valencia als entscheidendes Kriterium. In der Medienrunde spricht Hamilton über mögliche Auswirkungen der hohen Temperaturen, gibt Tipps für das Wochenende ab und erklärt, warum er kaum über seinen Sieg in Montreal nachgedacht hat.

Titel-Bild zur News: Lewis Hamilton

Gute Laune. Lewis Hamilton scherzt mit McLarens Pressemann Steve Cooper

Frage: "Lewis, neues Wochenende, neue Chance! McLaren hat in Valencia noch nie gewonnen. Wie kann man das ändern?"
Lewis Hamilton: "Indem man viele Updates bringt - was wir nicht getan haben. (lacht) Nein, wir müssen auf die Reifen schauen und sie zum Arbeiten bringen. Wir werden versuchen, einmal oder zweimal zu stoppen."

Frage: "Habt ihr irgendwas Neues am Auto?"
Hamilton: "Nein. Nicht an diesem Wochenende. Wir haben ein paar Kleinigkeiten, aber sie sind nicht signifikant genug, um einen großen Unterschied zu machen. An diesem Wochenende stehen aber ohnehin die Reifen im Vordergrund."

Frage: "Wie schätzt du die Situation mit den Reifen ein?"
Hamilton: "Es ist so heiß hier. Wow! Das Wetter ist wirklich unglaublich. Da kann es schnell passieren, dass man die Reifen überhitzt - es wird auf jeden Fall passieren. Die Streckentemperatur wird sich jenseits von 40 Grad bewegen. Die Reifen kühl und im Temperaturfenster zu halten, wird so gut wie unmöglich. Das wird eines der interessanten Rennen des Jahres."

Frage: "Sind die Temperaturen mit Bahrain vergleichbar?"
Hamilton: "Ich habe das Gefühl, dass es hier heißer als in Bahrain ist. Vielleicht ist die Luftfeuchtigkeit aber auch nur größer. Wir hatten in Bahrain große Probleme, aber wir wissen jetzt, warum es nicht lief. Hoffentlich sind wir also an diesem Wochenende in einer besseren Position."

"Die Reifen kühl und im Temperaturfenster zu halten, wird so gut wie unmöglich." Lewis Hamilton

Wen Hamilton auf der Rechnung hat

Frage: "Wer hat deiner Meinung nach die besten Chancen, der achte Sieger im achten Rennen zu werden?"
Hamilton: "Wer weiß? Ich hoffe, dass es keinen achten Sieger geben wird. Ich bin sicher, dass einer gewinnt, der schon ein Rennen gewonnen hat."

Frage: "Wer ist dein Favorit?"
Hamilton: "Fernando. Der Ferrari wird hier sehr schnell sein."

Frage: "Warum glaubst du, dass du hier gewinnen kannst?"
Hamilton: "Weil wir beim letzten Rennen sehr konkurrenzfähig waren. Ich weiß aber, dass das kommende Wochenende eines der härtesten des Jahres werden wird - wegen der Temperaturen. Sie sind irreal. Es hatte heute glaube ich 37 Grad. Es wäre ein Traum, zu gewinnen. Ein Traum, den jeder träumt."

Frage: "Wie schätzt du Sauber ein? Ihr Auto geht mit den Reifen sehr sorgsam um..."
Hamilton: "Es ist phänomenal, was sie geschafft haben. Aber sogar noch beeindruckender ist für mich Lotus. Sie haben mich beim letzten Rennen am meisten beeindruckt, und sie werden hier sehr schnell sein. Sie schonen die Reifen."

Frage: "Was machen sie anders als McLaren?"
Hamilton: "Wenn man zurückblickt, dann waren wir bei Longruns nie wirklich gut. Zumindest nicht, seit ich hier bin. Ich war darin nie wirklich gut, Longruns zu fahren und die Reifen am Leben zu halten. Das war auf meiner Seite der Garage stets ein Problem - seit 2007. Vielleicht liegt es am Fahrstil - wer weiß? Wir müssen abwarten. Auf jeden Fall spielen die Bremsen, die Räder, die Bremsbelüftung, der Auspuff eine Rolle. Ich weiß nicht. Wir müssen da noch eine Lösung finden."

"Ich war darin nie wirklich gut, Longruns zu fahren und die Reifen am Leben zu halten." Lewis Hamilton

Frage: "Überholmanöver sind hier sehr schwierig."
Hamilton: "Ich finde es gar nicht so schlimm - mit DRS. In der Vergangenheit war es hier natürlich nicht so leicht, zu überholen. Dennoch bin ich der Meinung, dass die Pole-Position - wie jedes Jahr - hier sehr wichtig sein wird."

Warum Montreal keine Rolle mehr spielt

Frage: "Du bist zum ersten Mal in dieser Saison WM-Leader. Gehst du mit mehr Selbstvertrauen in dieses Wochenende?"
Hamilton: "Nein. Es macht keinen Unterschied. Es ist immer noch so früh in der Saison. Alles ändert sich so schnell. Wir hatten sieben verschiedene Sieger. Vielleicht werden wir an diesem Wochenende keinen achten Sieger haben. Das ist bei dieser Wetterprognose sehr wahrscheinlich. Wir müssen uns weiterhin voll auf unsere Arbeit konzentrieren und dürfen durch unsere Position nicht selbstgefällig werden."

Frage: "Wie waren die Emotionen nach deinem Sieg?"
Hamilton: "All das befindet sich jetzt in der Vergangenheit - das ist aus und vorbei. Ich habe seitdem gar nicht darüber nachgedacht. Es war ein unglaubliches Wochenende, wirklich unglaublich. Manchmal muss man sich wirklich kneifen, und es wird einem bewusst, dass man in der Formel 1 ist und gerade ein Rennen gewonnen hat. Ich war an der Spitze - vor allen 23 Fahrern. Das ist schwer zu begreifen. Es war ein sehr stolzer Moment, und mein Vater war wirklich glücklich, die ganze Familie freute sich mit mir. Es ist toll, wieder diesen Aufwind im Team zu haben. Ich bin in die Fabrik zurückgekehrt und habe die Leute in den roten T-Shirts gesehen - das wirkt sich auf jeden Einzelnen aus. Das macht mich stolz."

Frage: "In Kanada hatten wir zum ersten Mal in der Geschichte der Formel 1 ein Siegerfoto mit drei ehemaligen GP2-Piloten. Was bedeutet das für dich als ehemaliger GP2-Champion?"
Hamilton: "Wirklich? Das wusste ich nicht. Ich finde das ziemlich cool, denn es zeigt, wie gut die Qualität ist. Es handelt sich um eine großartige Schule für zukünftige Formel-1-Fahrer. Es ist definitiv der Weg, an dem man nicht vorbeikommt. Das ist inzwischen glaube ich erwiesen. Es ist toll, dass bessere Fahrer daraus hervorgehen und sie eine Chance in der Formel 1 bekommen."

"Es ist toll, wieder diesen Aufwind im Team zu haben." Lewis Hamilton

Frage: "Du hast das Podest mit Romain Grosjean geteilt. Er war in der Endphase des Rennens sehr schnell und hat aufgeholt. Glaubst du, dass du in Sicherheit warst oder hätte es noch eng werden können?"
Hamilton: "Nein. Er hat zu mir nach dem Rennen gesagt, dass es noch viel enger hätte werden können. Ich antwortete, dass ich frische Reifen hatte - viel frischere Reifen als er. Wenn ich hätte pushen müssen, dann wäre ich weg gewesen. Dennoch hat er unglaubliche Arbeit geleistet, wenn man in Betracht zieht, von wo er kam. Ich freue mich für ihn und für sein Team, dass sie dieses Jahr so phänomenale Arbeit leisten. Ich habe keine Ahnung, wie er es geschafft hat, mit diesen Reifen so lange zu fahren. Ich werde versuchen, das herauszukriegen."

Frage: Als du am Sonntagmorgen in Montreal aufgewacht bist - hattest du da das Gefühl, dass es dein Tag werden würde?"
Hamilton: "Ich kann mich wirklich nicht mehr erinnern, aber ich glaube nicht. Ich erinnere mich, dass mein Trainer gesagt hat: 'Wenn du heute gewinnst, dann landest du im See'. Ich sagte darauf, dass er mitkommen muss. Er sagte: 'Kein Problem'."

Frage: "Wie lautet die Wette für dieses Wochenende? Hier ist der See etwas größer..."
Hamilton: "Ich weiß nicht, was mir diesmal blüht. Es ist aber jedenfalls heiß genug, um das zu wiederholen. Wir werden sehen."


Fotos: McLaren, Großer Preis von Europa


Frage: "Hast du die Woche nach Kanada genossen?"
Hamilton: "Ganz ehrlich: Nach Kanada bin ich sofort nachhause gefahren und saß gleich im Simulator. Alles war sofort wieder ganz normale Alltag. Das fühlt sich aber ganz gut an. Man könnte natürlich auf diesem Hoch bleiben, das man durch diesen Sieg hat, und es durchziehen - von einem Wochenende zum nächsten. Ich denke aber, dass es wichtig ist, wieder auf den Boden zurückzukommen und sich auf den nächsten Sieg zu konzentrieren, denn er kann dir von einem Augenblick auf den anderen weggeschnappt werden."

"Wir waren im Rennen sehr schnell, aber im Qualifying waren wir nicht unbedingt die Schnellsten. Wir werden hier vermutlich ein völlig anderes Ergebnis sehen, aber ich hoffe, dass wir nach wie vor dabei sein werden. Die Teams bringen ständig Updates. Morgen und am Samstag werden wir wissen, wie sich die anderen weiterentwickelt haben. Ich rechne damit, dass andere Teams einen größeren Schritt nach vorne gemacht haben als wir. Vielleicht wirkt sich das auch nicht aus - wir werden sehen."

Frage: "Glaubst du, dass es hier möglich sein wird, die Führung im Rennen so wie in Kanada zu erkämpfen, oder sind Überholmanöver hier zu schwierig?"
Hamilton: "Es ist schwieriger, aber in Kanada ging es vor allem darum, dass ich neuere Reifen als die Jungs vor mir hatte. Wäre Fernando zur gleichen Zeit wie ich an die Box gekommen, dann hätten wir ein etwas anderes Rennen erlebt - es wäre härter geworden. Sie haben sicher daraus gelernt. Hier gibt es aber immerhin die Gerade, auf der man überholen kann. Und DRS. Ich fahre aber jetzt schon so lange, und jedes Mal stellen mir die Leute diese Fragen. Und ich muss ehrlich sagen, dass ich wirklich nicht weiß, was an diesem Wochenende passieren wird. Ich hoffe, dass bei meinem Auto das Setup punktgenau passt, dass wir mit den Reifen überhaupt keine Probleme haben werden. Dennoch wird man jedes Mal aufs Neue überrascht, wenn man ins Auto einsteigt - auf die eine oder andere Weise."

Wie Hamilton an den WM-Kampf herangeht

Frage: "Du warst hier schon dreimal Zweiter. Wie gerne magst du diese Strecke hier?"
Hamilton: "Ich mag sie wirklich gerne. Das Wetter ist gut, und diese Stadt hier ist sehr schön. Sie haben sehr viel Geld ausgegeben, um sie in den vergangenen drei Jahren zu verbessern. Wir hatten hier 2007 die Präsentation unserer neuen Fahrerpaarung und ich hatte die Ehre, ein Teil davon zu sein. Dann bauten sie diese Strecke, bei der es sich um eine heißere Version von Monaco handelt." (lacht)

Frage: "Du willst natürlich einerseits gewinnen, andererseits ist die Konstanz dieses Jahr so wichtig. Wie findet man da den richtigen Kompromiss?"
Hamilton: "Ich habe das Gefühl, dass die Leute annehmen, dass ich nicht wirklich pushe, aber ich fahre immer Vollgas. Ich nutze meine Fähigkeiten nur auf eine andere Art und Weise, um sie richtig einzusetzen. Das muss man diese Saison auch machen. Man kann nicht dauernd hundertprozentig attackieren, denn dann würde man rückwärts fahren. Ich versuche, die bestmöglichen Manöver zu machen, damit meine Reifen halten und das bestmögliche Ergebnis herausspringt."

"Grundsätzlich wollen wir es natürlich immer auf das Podest schaffen. Ein Sieg ist ein Bonus. Ich bin aber hier, um zu gewinnen. Wir werden noch herausfinden, ob unser Auto uns die Möglichkeit geben wird, das zu tun. Generell waren wir hier aber immer recht stark."

"Allgemein waren wir bei der Entwicklungsgeschwindigkeit in der Vergangenheit immer die Besten." Lewis Hamilton

Frage: "Fernando und du sind die einzigen Fahrer, die bei jedem Rennen in die Punkteränge fuhren."
Hamilton: "Jeder weiß, wie wichtig Konstanz ist. Dennoch gibt es ein paar Leute, die nicht bei jedem Rennen gepunktet haben - und dennoch fehlen ihnen nur ein paar Punkte. Es kann aber gut sein, dass die Konstanz dieses Jahr sogar noch wichtiger ist als in den vergangenen Jahren."

Frage: "Wann rechnest du damit, dass die Ausgangssituation für diese Weltmeisterschaft klar sein wird? Wird das bei den kommenden drei Rennen vor der Sommerpause schon der Fall sein oder erst danach?"
Hamilton: "Ich habe wirklich keine Ahnung. Darüber habe ich ehrlich gesagt noch nicht einmal nachgedacht. Ich weiß nur, dass die Entwicklung des Autos und des Team der entscheidende Faktor sein könnte. Natürlich müssen wir uns um die Reifen kümmern. Es wird eine Rolle spielen, ob das Team die Reifen versteht. Das Gleiche gilt für die Updates. Mehr Abtrieb sollte dafür sorgen, dass die Reifen länger halten. Es wird interessant, wer der Schnellste sein wird. Allgemein waren wir bei der Entwicklungsgeschwindigkeit in der Vergangenheit immer die Besten. Wir müssen aber abwarten, ob das auch dieses Jahr so sein wird."

Frage: "Wie stark schätzt du McLaren im Kräfteverhältnis 2012 ein?"
Hamilton: "ich schätze, dass wir im Qualifying in etwa die Drittschnellsten sind. Im Rennen sind wir entweder Erster oder Zweiter. Wir waren beim letzten Rennen aus irgendeinem Grund die Schnellsten. Dieses Wochenende könnte aber wieder anders laufen."

Bleibt Hamilton bei McLaren?

Frage: "Du bist natürlich voll auf die Rennen fokussiert, musst aber natürlich auch ein bisschen an deine Zukunft denken. Wie gelingt dir das?"
Hamilton: "Ich denke über meine Zukunft nach, wenn ich nicht an der Rennstrecke bin."

Frage: "Ron Dennis ist als harter Verhandler bekannt. Würde es für dich eine Rolle spielen, wenn die Vertragsangelegenheit vor dem Saisonende oder danach nicht geklärt ist?"
Hamilton: "Es würde mir auf jeden Fall Sorgen machen, wenn sie nach Saisonende noch nicht ausgeräumt ist. Derzeit kümmert es mich aber nicht. Ich bin stolz, immer noch Teil dieses Teams zu sein, hier Erfolg zu haben und mit den Jungs zusammenzuarbeiten. Ich bin gespannt auf den nächsten Schritt, aber alles braucht seine Zeit. Die Dinge passieren, wann sie passieren müssen."

Frage: "Rechnest du damit, bei McLaren zu bleiben?"
Hamilton: "Darauf konzentriere ich mich im Moment nicht. Mein Management wird sich irgendwann - wenn ich sie darum bitte - mit mir zusammensetzen. Dann werden wir uns darauf konzentrieren. Derzeit möchte ich aber keine Energie damit verschwenden. Ich möchte mich darauf konzentrieren, diese Weltmeisterschaft zu gewinnen - das ist die härteste WM, die ich seit langer Zeit in meiner Karriere erlebt habe."

"Es würde mir auf jeden Fall Sorgen machen, wenn meine Zukunft nach Saisonende noch nicht klar ist." Lewis Hamilton

Wie Hamilton die Fußball-EM erlebt

Frage: "Wirst du nach dem Rennen Fußball schauen?"
Hamilton: "Ja, ich werde auf jeden Fall schauen. Das Team und das ganze Land wird zuschauen. Ich finde, dass sie sich bisher gut geschlagen haben. Ich drücke ihnen auf jeden Fall die Daumen drücken."

Frage: "Wie intensiv verfolgst du die Europameisterschaft?"
Hamilton: "Nicht sehr intensiv. Ich konzentriere mich viel mehr auf das Rennen hier."

Frage: "Für Frankreich steht ein großes Spiel bevor - sie spielen gegen Spanien. Glaubst du, dass die Spanier unschlagbar sind?"
Hamilton: "Nein. Niemand ist unschlagbar. Sie haben natürlich viele Spieler vom FC Barcelona, was es schwierig macht, doch alles ist möglich. Es hängt von der Tagesverfassung ab - wie sie an diesem Tag spielen. Frankreich könnte aufwachen und an diesem Tag über sich hinauswachsen. Vielleicht werden sie an diesem Tag in der perfekten Verbindung zueinander stehen und gewinnen. Wer weiß? Ich hoffe aber vor allem, dass England weiterkommt."

"Es handelt sich um so einen stolzen Moment, da draußen dein Land zu repräsentieren und die Flagge zu schwenken." Lewis Hamilton

Frage: "Weckt der Fußball deine patriotische Seite?"
Hamilton: "Die patriotische Seite ist bei mir immer da. Das hat man ja beim letzten Rennen mit der Flagge gesehen. Ich werde einen Beutel im Cockpit unterbringen, denn so etwas wiegt ja nicht so viel, und da die Flagge unterbringen - für den Fall, dass wir ein Rennen gewinnen. Es handelt sich um so einen stolzen Moment, da draußen dein Land zu repräsentieren und die Flagge zu schwenken. Es handelt sich um einen Moment, den nur wenige erleben dürfen, aber es ist etwas ganz Besonderes."