Game over: Lotus in Melbourne am Boden

Absturz der Vorjahressieger: Nach einer indiskutablen Leistung qualifiziert sich Lotus in Melbourne nur für die letzte Startreihe - Antrieb mach Auto unfahrbar

(Motorsport-Total.com) - Im vergangenen Jahr hatte Lotus mit Kimi Räikkönen den Großen Preis von Australien noch gewonnen, doch nach den großen Problemen bei den Testfahrten hatte niemand mit einer Wiederholung der Vorjahrserfolgs gerechnet. Doch die Vorstellung, die das Team bisher in Melbourne abliefert, hätten sicherlich nicht einmal die größten Pessimisten erwartet. Platz 21 mit über sechs Sekunden Rückstand für Romain Grosjean, keine gezeitete Runde für Teamkollege Pastor Maldonado - so lautete das desaströse Ergebnis des Qualifyings für das erste Rennen der Formel-1-Saison 2014. Nach der Rückversetzung von Esteban Gutierrez (Sauber) werden die Lotus-Piloten im Rennen von den Plätzen 20 und 21 starten.

Titel-Bild zur News: Romain Grosjean

Romain Grosjean kämpft in Melbourne mit seinem Lotus Zoom

"Unser Programm war sehr schwierig. Viel mehr kann ich eigentlich nicht sagen", ringt Maldonado nach der herben Schlappe um Worte. "Wir sind sicherlich nicht dort, wo wir sein wollten", steuert Teamkollege Grosjean bei. Während Red Bull, Toro Rosso und auch Caterham die Probleme der Testfahrten mehr oder weniger im Griff haben, setzt sich bei Lotus das Bild aus Bahrain fort.

In den Freien Trainings standen die E22 von Grosjean und Maldonado mehr an der Box, als dass sie auf der Strecke fuhren, und bei den wenigen Runden schienen Piloten und Auto keine harmonische Einheit zu bilden, sondern ständig gegeneinander zu kämpfen. "Das Energiemanagement ist nicht nicht gerade großartig, auch nicht im Quali-Trimm", ringt Grosjean um Fassung. "Es sind kleine Sachen, die einen großen Einfluss auf das Auto haben. Dadurch wird es teilweise regelrecht unfahrbar."

Schlechtes Energiemanagement macht Auto unfahrbar

Dies wurde im Qualifying offensichtlich, gleich mehrmals kam Grosjean von der Strecke ab. "Wenn ich drei Kurven lang normal fahren kann, ist das schon gut", klagt der Franzose sein Leid. "Aber ich kann dafür niemandem die Schuld geben. Manchmal ist es der Motor, manchmal das ERS, manchmal die elektronische Bremse. Dadurch bekommt man den Reifen nicht ins Arbeitsfenster", listet Grosjean die Problemliste auf. "Die beste Runde war die erste in Bahrain, seitdem konnte ich keine drei Runden am Stück fahren", so die erschütternde Bilanz des Franzosen.

"Heute Vormittag sind wir vier oder fünf gezeitete Runden gefahren. Aber die waren nicht sauber, dann ich hatte Verkehr. Ich bin einfach keine gescheite Runde gefahren", berichtet auch Maldonado. Noch schlimmer erging es ihm im Qualifying. "Auf meiner Aufwärmende tauchten erneut Probleme auf, daher musste ich wieder anhalten. Nachdem sie diese gelöst hatten, begann es zu regnen. Game Over", so der knappe Kommentar des Venezolaners, der ohne Zeit blieb, von der Rennleitung allerdings für das Rennen zugelassen wurde.

Um die massiven Probleme mit der Technik des E22 in den Griff zu bekommen, zog Lotus bereits beim ersten Saisonrennen einen der sechs "Joker" und überzog die nächtliche Sperrstunde. Doch ohne Erfolg. "Es ist sehr hart für die Jungs, die die ganzen Nacht an der Reparatur der Autos gearbeitet haben. Und dann konnte ich im dritten Freien Training nicht einmal eine Runde fahren. Das ist sehr hart und nicht wirklich 'fair', wenn man sieht, welche Anstrengungen wir unternehmen", sagt Grosjean.

Stimmung im Team am Tiefpunkt

Pastor Maldonado

Pastor Maldonado im Kies - ein Bild mit Symbolcharakter Zoom

"Eigentlich hätten wir dieses Problem schon bei den Winterests beheben sollen, aber dort gab es zu viele andere Probleme, die es überdeckt haben", sagt Grosjean über die fehlerhafte Abstimmung der verschiedenen Systeme des Antriebsstrang untereinander sowie mit den anderen elektronischen Systemen des Fahrzeugs. "Gut ist, dass wir das Problem erkannt haben. Allerdings weiß ich nicht, wie lange es dauern wird, um es zu beheben, ob es auf Anhieb gelingt oder erst im vierten oder fünften Versuch." Maldonado hat hingegen weniger Hoffnungen. "Alle Probleme, die wir hatten, haben wir gelöst, aber es tauchen immer neue auf."

Durch die Pannenserie und die schwachen Leistungen scheint auch die Stimmung im Team im Keller zu sein. Bei den Funksprüchen, die in der heutigen TV-Übertragung zu hören waren, klangen alle Beteiligten reichlich frustriert. "Wir ärgern uns sehr über diese Situation", gibt Grosjean zu. "Wir versuchen das Positive zu sehen und die wenigen Dinge zu lernen, die wir lernen können", meint der Franzose.

Hoffnungsvoll stimmt Lotus unter anderem der Blick zu den Renault-Kollegen, die bei den Tests unter ähnlichen Problemen litten, deren Autos in Melbourne nun aber deutlich schneller und zuverlässiger sind. "Toro Rosso und Red Bull sehen besser aus als in den vergangenen Woche. Das ist ein klarer Fortschritt. Hoffentlich machen wir bald die gleichen Fortschritte", hofft Maldonado.

Maldonado hält Zielankunft für möglich

Ein Fortschritt wäre eine Zielankunft im Rennen (Am Sonntag ab 7:00 Uhr im Formel-1-Live-Ticker!), die Maldonado trotz der bisherigen Pannenserie für möglich hält. "Im Rennen pusht man nicht so hart. Es wird unser erster Longrun über eine Renndistanz. Es wäre sehr wichtig, ins Ziel zu kommen. Das würde uns sehr helfen, um die Jungs zu motivieren, denn sie arbeiten so hart, selbst in der Nacht."


Fotos: Lotus, Großer Preis von Australien


Unter dem Strich fühlt sich Lotus im Qualifying deutlich unter Wert geschlagen. "Wir kennen unseren Wert und wissen, dass das Auto nicht dort steht, wo es hingehört. Das Auto fühlt sich in Ordnung an, wenn es richtig fährt", sagt Grosjean. Und auch Maldonado beteuert: "Wir stehen nicht hinten, weil das Auto langsam ist, sondern weil wir Probleme haben."

Doch möglicherweise hängt die aktuelle Situation auch mit der schwierigen wirtschaftlichen Lage des Teams und dem personellen Aderlass in Enstone zusammen, wie Grosjean zwischen den Zeilen andeutet. "Das Team weiß, wie man ein schnelles Auto baut, aber es gab viele Regeländerungen, und unsere Situation war in letzter Zeit nicht einfach", sagt der Franzose. "Es kommen einfach viele Dinge zusammen, die nicht richtig laufen. Wenn Auto und Fahrer konstante Leistung bringen, werden wir unser wahres Potenzial sehen." Doch ob dies schon am Sonntag in Melbourne der Fall sein wird, ist zu bezweifeln.