• 22.03.2004 09:45

Frank Williams: "Natürlich ist Michael der Beste"

Frank Williams spricht im Interview über die Privatteams, Probleme mit Fahrern, seine Sorgen und den besten Fahrer der Formel 1

(Motorsport-Total.com) - Im Interview mit dem 'emagazine' der 'Credit Suisse' spricht der Teamchef des Williams-Teams über Privatteams wie Sauber, die Probleme mit Fahrern, was ihm Sorgen bereitet und warum Michael Schumacher der momentan beste Fahrer der Formel 1.

Titel-Bild zur News: Frank Williams

Frank Williams dachte nie daran, seinen Job aufzugeben

Frage: "Sie sind 1969 mit fünf Leuten ins Abenteuer Formel 1 gestartet. Heute ist BMW-Williams ein Industriebetrieb mit 370 Beschäftigten und einem Budget von mehreren 100 Millionen Franken. Denken sie manchmal mit Wehmut an die guten alten Zeiten zurück?
Frank Williams: "Eigentlich nicht. Ich geniesse zu sehr die Gegenwart. Natürlich hatten wir Spass damals, doch es war auch knallharte Arbeit, wir mussten jeden Penny umdrehen und wir bezahlten eine Menge Lehrgeld, bis wir uns im Formel-1-Business zurechtfanden."#w1#

Frage: "In der heutigen Formel 1 haben immer weniger die Rennpioniere sondern die Manager das Sagen. Ist die Zeit der leidenschaftlichen 'Racer' vorüber?"
Williams: "Möglicherweise. Trotzdem werden auch heute sämtliche Formel-1-Teams von Leuten geführt, die ihren Job mögen. Einige davon lieben ihn sogar. Die erste Gruppe, die Manager, erbringen nicht unbedingt eine schlechtere Leistung. Man kann leidenschaftlich sein und gleichzeitig viele Fehler machen. Oder man kann kaltblütig handeln und dabei sehr effizient sein. Sie können nicht die einen gegen die andern ausspielen."

Größter Respekt vor Peter Sauber

Frage: "In welche Gruppe gehört Peter Sauber?"
Williams: "Er ist definitiv ein Racer. Der Mann lebt zu hundert Prozent für den Automobilrennsport und er ist bereit, dafür fast alles zu opfern. In jeder Saison ringt er um sein Budget, doch er würde nie aufgeben. Ein redlicher Sportsmann, dem ich den grössten Respekt zolle."

Frage: "Dabei gibt es einen gewichtigen Unterschied zwischen ihnen beiden: Sie sind eine Verbindung mit einem Automobilhersteller eingegangen, während Peter Sauber viel Wert auf seine Unabhängigkeit legt."
Williams: "Halt, halt. Williams ist genauso unabhängig wie Sauber. BMW ist unser Motorenlieferant, doch haben sie weder Aktien von uns noch kontrollieren sie unser Management. Williams ist das Formel-1-Team: Wir heuern die Fahrer an, wir sammeln die Sponsoren-Gelder."

"In Deutschland steht eher die Disziplin im Vordergrund"

Frage: "BMW-Williams ist die erfolgreiche Symbiose zwischen einem deutschen Motorenwerk und einem englischen Rennteam. Wie überbrücken sie die kulturellen Gräben?"
Williams: "Nun, wir peilen das gleiche Ziel an: Rennen zu gewinnen. Unser Weg dorthin ist nicht identisch, doch ziemlich ähnlich. Dafür sorgt die Technik: Die Gesetze der Physik und der Mechanik sind auf der ganzen Welt die gleichen. Unterschiede gibt es trotzdem: In England setzt sich ein Team aus Individuen zusammen, die getrieben sind durch ihre innere Motivation. In Deutschland steht eher die Disziplin im Vordergrund. Deshalb ist ein deutsches Unternehmen auch etwas starrer aufgebaut als ein britisches."

"Wir haben es nie geschafft, konstant an der Spitze zu bleiben"

Frage: "Neun Weltmeistertitel für das Team, sieben Fahrertitel: Das Palmarès von Williams ist eindrücklich. Was ist ihr Erfolgsgeheimnis?"
Williams: "Wenn ich eins hätte, würden wir nicht seit 1997 auf einen Weltmeistertitel warten. Das ist eine lange Zeit, und es bereitet mir etwas Sorgen. Trotz aller Erfolge haben wir es nie geschafft, konstant an der Spitze zu bleiben."

Frage: "Ihren Gegnern ging es nicht besser."
Williams: "Da haben sie wohl recht, doch spielt es für uns keine Rolle."

Der Schwanz soll nicht mit dem Hund wedeln

Frage: "Williams hatte immer den Ruf eines Rennstalls, in dem das Team wichtiger ist als die Fahrer. Haben sie etwas gegen Stars?"
Williams: "Nein. Ein Fahrer ist sehr wichtig für ein Team. Doch wollen wir verhindern, dass der Schwanz mit dem Hund wedelt, wie man auf Englisch sagt. Na ja, immer ist uns das nicht gelungen: Ayrton Senna oder Nigel Mansell haben wohl manchmal den Hund etwas durchgeschüttelt. Doch das war die Ausnahme. Gewöhnlich liessen wir uns von den Fahrern nicht unter Druck setzen. Wenn einer einen höheren Preis verlangte, als wir zu zahlen bereit waren, liessen wir ihn ziehen - sogar dann, wenn er gerade Weltmeister geworden war. Das hat uns natürlich Kritik eingebracht. Doch nur so konnten wir im Geschäft bleiben."

Frage: "Jones, Mansell, Rosberg, Piquet, Prost, Senna, Hill, Villeneuve: An großen Namen fehlte es trotzdem nie bei Williams. Gibt es einen gemeinsamen Nenner zwischen ihnen?"
Williams: "Lassen Sie mich nachdenken... Sie waren alle clever, mental sehr stark, ausgesprochen geschickt, sehr professionell in ihrer Arbeitsweise und auf ihre Art sehr ungewöhnlich."

"Fahrer sind nicht einfach im Umgang"

Frage: "Launische Diven?"
Williams: "Fahrer sind tatsächlich nicht einfach im Umgang. Zwar sind nicht alle unter ihnen Superstars - im Moment hat wohl nur Michael Schumacher diesen Status - doch die globale TV-Präsenz der Formel 1 macht sie praktisch zu einem öffentlichen Gut. Juan-Pablo Montoya zum Beispiel ist in seiner Heimat Kolumbien bekannter als der Präsident. Denn er hat es geschafft, sein Land auf der Weltkarte zu platzieren. Darauf ist er auch stolz. Und manchmal reagieren solche Leute halt etwas empfindlich auf Kritik."

Frage: "In diesem Jahr jährt sich zum zehnten Mal der tödliche Unfall Ihres berühmtesten Fahrers, Ayrton Senna. Dachten sie damals ans Aufhören?"
Williams: "Nein, auf keinen Fall. Alle Fahrer wissen, dass es ihr letzter Tag sein könnte, wenn sie ins Cockpit steigen. Das sind die Regeln des Business, eines gefährlichen Business. Sie müssen damit umgehen, und wir müssen damit umgehen. Man darf nicht vergessen, dass viel mehr Leute beim Bergsteigen umkommen als in der Formel 1. Doch sind sie meist unbekannt, und ihre Unfälle werden nicht im Fernsehen übertragen."

"Natürlich ist Michael Schumacher der Beste"

Frage: "Eine Frage kann sich ein Journalist schlecht verkneifen, wenn er einem so ausgewiesenen Formel-1-Experten gegenübersitzt. Wer ist zur Zeit der beste Fahrer im Feld?"
Williams: "Da brauchen Sie keinen Experten für die Antwort, jedes Kind könnte sie Ihnen geben. Natürlich ist es Michael Schumacher. Keiner kann ihm das Wasser reichen - wenigstens nicht im Moment. Der Kerl hat nicht nur Talent, er denkt den ganzen Tag auch unentwegt an die Formel 1. Und er ist ein Teamleader. Er verbringt viel Zeit damit, zu überlegen, wie er sein Team voranbringen kann."

Frage: "Da werden aber ihre Fahrer keine Freude haben, wenn sie das hören."
Williams: "Die kennen meine Meinung. Was nicht heißt, dass ich es ihnen gleich jeden Tag unter die Nase reiben muss..."