• 23.11.2013 14:33

  • von Dominik Sharaf

Formel 1 zum halben Preis? "Problemlos", glaubt Brawn

Der Mercedes-Teamchef sieht den Betrieb mit halbem Budget unverändert weiterlaufen - "Kleine" fordern mehr Präsenz, Domenicali keine Schnäppchenpreise

(Motorsport-Total.com) - Es ist das täglich Brot der Formel 1: Erst beklagen sich die Verantwortlichen, dass sie kein Geld hätten, dann geben sie es mit vollen Händen aus. Oder andersherum. Christian Horner ist da keine Ausnahme, schließlich nannte der Red-Bull-Teamchef die 2014 beginnende Turboära mit ihren massiven Regeländerungen selbst für seine Truppe, die mit dem mutmaßlich größten Budget im Geschäft, eine finanzielle "Herausforderung". John Booth kann über Jammern auf diesem Niveau nur müde lächeln.

Titel-Bild zur News: Ross Brawn

Es ist zum Nägel kauen: Brawn will sparen, kann das Potenzial aber nicht nutzen Zoom

Der Marussia-Amtskollege bemerkt auf die Horner-Aussagen angesprochen: "Ich hätte liebend gerne solche Probleme wie Christian sie im Moment hat." Doch im Armenhaus der Königsklasse war man auf die Mehrbelastung vorbereitet und blickt der Zukunft deshalb ohne Bangen entgegen. "Wir wussten um die Kosten für den Antriebsstrang schon vor vielen Monaten Bescheid, sie sollten niemanden überraschen. Wir haben im kommenden Jahr eine Aufgabe, die wir stemmen können", so Booth. Dafür allerdings galt es, Opfer zu bringen - und zwar bei der Entwicklung für 2013.

Caterham ist keinen anderen Weg gegangen und hat seine Ausgabenkalkulation für dieses Jahr an kommenden Aufgaben ausgerichtet. "Wir wussten, dass es in der Fabrik mit Energie- und Baukosten, aber auch beim Auto so viel zu investieren gibt", erinnert Teamchef Cyril Abiteboul und zeigt sich optimistisch. "Unsere Bilanz ist so aufgebaut, dass wir das kompensieren." Aber muss die Formel 1 überhaupt teuer sein? Ross Brawn glaubt das nicht und stellt eine Theorie auf: "Wir sollten im Kopf behalten, dass wir noch Rennen fahren würden, wenn wir die Budgets halbieren."

FIA müsste Finanzregime durchsetzen

Den Grund für hohe Kosten und damit den finanziellen Druck ortet er in den Standards, die der Sport anlegt. Schließlich würden Hersteller und Sponsoren genug Geld pumpen, um den Betrieb sorgenfrei aufrecht zu erhalten. "Es liegt daran, dass wir auf den höchstmöglichen Standard wollen und das bedeutet, dass wir den Etat ausbauen, wo es nur geht", erklärt Brawn die Mentalität. "Es würde keinen Unterschied machen, hätte jeder morgen 50 Prozent seines Budgets." Passieren wird das trotzdem nie. "Fakt", schmettert Brawn ab. "Es ist nicht so lange her, dass wir jedes Rennen auf jeder Strecke mit zuverlässigen Autos für das halbe Geld bestritten."


Fotostrecke: Die wertvollsten Paydriver

Der Mercedes-Teamchef glaubt nicht, dass die Formel 1 von Natur aus immens teuer ist. Er vermisst lediglich eine unabhängige Sportbehörde, die getroffene Vereinbarungen zwischen den Teilnehmern durchsetzt: "Die Schlussfolgerung ist für mich, dass es eine funktionierende Struktur gibt, die aber nicht mit Selbstregulierung der Teams zu bewerkstelligen ist", erklärt der Mercedes-Boss und spielt auf die Phase vor einigen Jahren an, die jedoch nicht von Dauer war: "Das hätte von der FIA beaufsichtigt werden müssen, aber dafür gab es bei den Teams keinen Konsens."

"Wenn wir nicht wissen, ob etwas legal ist, wenden wir uns an die FIA." Brawn über mögliche Finanzkontrolle

Den Grund dafür erkennt er in der Natur der Teams, die kontinuierlich versuchen würden, Grenzen auszuloten - egal, ob es dabei um das technische Reglement oder andere Dinge geht. Allerdings ist es in diesen Fragen immer die Sportbehörde, die den rechten Weg weist, notfalls auch mit Sanktionen. Sie dient als Korrektiv, aber auch als Wegweiser. "Wir können uns an sie wenden, wenn wir nicht wissen, ob etwas legal ist", unterstreicht Brawn und wünscht sich ein ähnliches System auch in finanziellen Angelegenheiten. Das müsste nach und nach angepasst und modifiziert werden.

Teamsponsoring: Noch ein Zukunftsmodell?

"Das wäre ganz sicher ein Schritt nach vorne", findet der Brite, der keine Alternative erkennt und auf fehlgeschlagene Versuche verweist, die Kosten mittels technischer Restriktionen zu drücken. Sie sind der berühmte Tropfen auf den heißen Stein, wenn sofort drei andere Baustellen gefunden werden, für die Geld ausgegeben werden kann. Wenn die Ausgabenseite schwierig zu regulieren ist, warum dann nicht bei den Einnahmen ansetzen und für mehr Geld in den Kassen sorgen? "Die großen Deals wurden zuletzt mit dem Promoter gemacht, was eine Leistung ist", weiß Eric Boullier.


Fotos: Großer Preis von Brasilien


Beispiel Rolex: Der Uhrengigant stieg Anfang 2013 mit großem finanziellen Aufwand ein, sponsert aber nicht ein Team exklusiv, sondern drückt der gesamten Formel 1 seinen Stempel auf. Am Ende profitieren alle Teilnehmer über ihren Anteil am Einnahmentopf. Der Lotus-Teamchef, dessen Arbeitgeber trotz bekannter Geldgeber und sportlichem Erfolg extrem klamm ist, will die Lage aber nicht schöner reden, als sie tatsächlich ist: "Jeder weiß, dass die wirtschaftliche Situation nicht so brillant ist wie noch vor zehn Jahren. Deshalb sollte man daraus keine Schlüsse ziehen", findet Boullier.

"Verlierer müssen Teil der Show bleiben"

Amtskollege Stefano Domenicali sieht die Sache anders und verweist darauf, dass seine Ferrari-Mannschaft nicht nur Verträge verlängert, sondern auch dicke Fische an Land gezogen hätte, darunter der Logistikriese UPS. "Wir haben eine stabile Basis und bieten eine Win-Win-Situation", weiß der Ferrari-Rennleiter. Domenicali hält es für wichtig, trotz der ökonomischen Umstände den eigenen Preis hochzuhalten und sich nicht unter Wert zu kaufen. "Sonst wird es schwierig, den nötigen Level zu halten, wenn die Wirtschaft wieder anspringt", warnt der Italiener.

Charles Pic

Bei Caterham kommt man über die Runden, will aber mehr TV-Präsenz Zoom

Booth erkennt eine verzögerte Reaktion der Formel 1 auf wirtschaftliche Krisen und damit auch auf die Erholung der Märkte. Seiner Theorie zufolge wird es noch dauern, bis sich die Königsklasse erholt: "Und vielleicht sollten wir uns deshalb überlegen, ob wir den Zuschauern noch ein spannendes Paket bieten", so der Marussia-Verantwortliche. Abiteboul hält sein Konzept bei Caterham für krisensicherer und attraktiver, sieht sich und die Truppe aber in der Pflicht, das Vertrauen endlich mit Leistung zurückzuzahlen. Auch der Franzose wünscht sich mehr Attraktivität.

Das bedeutet unter dem Strich: Bessere TV-Übertragungen und keine abgeschlagenen Hinterbänkler mehr. "Das Fernsehen konzentriert sich auf diejenigen mit starken Leistungen, was eine ungerechte Verteilung hervorruft. Jetzt sind wir die Verlierer, aber wir müssen sicherstellen, dass wir Teil der Show bleiben und das haben wir vermisst", so Abiteboul. Über dieses Problem muss sich Brawn bei der wiedererstarkten Mercedes-Mannschaft nicht ärgern. Zuletzt dockte der kriselnde Smartphone-Hersteller Blackberry an. "Trotzdem sind es sehr schwierige Zeiten mit einer Schwäche im System, die den Motorsport und die Formel 1 trifft", blickt Brawn voraus.