Formel-1-Countdown 2010: McLaren

Beginnend mit McLaren stellen wir vor dem Saisonbeginn alle Rennställe vor - "Champions-Dreamteam" will wieder auf die Siegerstraße

(Motorsport-Total.com) - Am 14. März beginnt in Manama (Bahrain) die neue Formel-1-Saison - und die Königsklasse birgt dieses Jahr so viel Spannung wie schon lange nicht mehr: Mindestens vier Weltmeister, sensationelle Comebacks und klingende Namen lassen jedes Racingherz höher schlagen. 'Motorsport-Total.com' nimmt vor dem Auftaktrennen wie jedes Jahr alle Teams genau unter die Lupe. Heute: McLaren.

Titel-Bild zur News: Helme von Jenson Button und Lewis Hamilton

Darauf freuen sich die Briten: Jenson Button vs. Lewis Hamilton bei McLaren

Wir erinnern uns: Als die Formel 1 im Februar 2009 in Barcelona testete, war McLaren mit zwei Sekunden Rückstand Schlusslicht. Beim letzten Testtag dieses Winters fuhr Lewis Hamilton gestern Bestzeit. "Es ist ein Unterschied wie Tag und Nacht", jubelt der Weltmeister von 2008, gesteht aber gleichzeitig ein: "Ob wir schon siegfähig sind, weiß ich nicht, aber unsere Ausgangsposition ist dieses Jahr definitiv viel besser."#w1#

"Was man im Februar gesehen hat, hat nicht immer überzeugt, aber sie sind auf jeden Fall besser dran als letztes Jahr", nickt 'Motorsport-Total.com'-Experte Marc Surer zustimmend. Denn die britischen Silberpfeile (das Team fährt immer noch mit Mercedes-Motoren) gehören wohl zu jener eng beisammen liegenden Gruppe, die in Barcelona innerhalb von einer halben Sekunde fuhr, als am Sonntag gegen Mittag mit wenig Benzin getestet wurde.

Drei Bestzeiten an 15 Testtagen

Jenson Button

McLarens "Balkenmäher" zeichnete die Luftverwirbelungen der Vorderräder auf Zoom

Genau wie Ferraris F10 und Red Bulls RB6 schaffte auch der MP4-25 drei Bestzeiten an 15 offiziellen Testtagen. Außerdem zählt er rein optisch zum Interessantesten, was die Formel-1-Generation 2010 zu bieten hat: Die Aerodynamiker konnten die Lufteinlässe im Bereich der Seitenkästen extrem kompakt gestalten und ließen sich für die Airbox eine unkonventionelle Lösung einfallen, die die durchströmende Luft beschleunigen und zusätzlichen Anpressdruck erzeugen soll.

Außerdem beschritt das Team im Winter innovative Wege im Bereich der Messtechnik: Der "Balkenmäher", der die Luftverwirbelungen der Vorderräder aufzeichnete, war ebenso interessant wie der grüne "Schleim", der auf die Karosserie gestrichen wurde, um die Luftströme sichtbar zu machen. Die Aerodynamik ist ein noch sehr ungenau erforschter Bereich der Wissenschaft. Umso wichtiger sind solche methodischen Ansätze im Rennwagenbau.

Ob sich das dann auch auf der Strecke auswirken wird, ist eine andere Frage. "We race to win", pflegte der frühere Teamchef Ron Dennis immer zu sagen - aber der "Mister McLaren" hat mit dem Formel-1-Team heute nichts mehr zu tun. Offiziell zumindest. Man tuschelt, dass er hinter vorgehaltener Hand immer noch involviert sein soll, und dass ihm 25 Prozent der McLaren-Gruppe gehören, ist ja kein Geheimnis.

Neue Struktur nach Mercedes-Ausstieg

Ron Dennis

Ron Dennis ist im Hintergrund von McLaren weiterhin ein mächtiger Mann Zoom

"Der ist im Hintergrund sowieso nach wie vor da, daher halte ich das nicht für so wichtig", sagt Surer über das Jahr zwei nach Dennis. "Ich denke auch, dass er sich wieder vermehrt um die Formel 1 kümmern will, weil ja Max Mosley weg ist." Übrigens: Die weiteren Teilhaber von McLaren sind nach dem Daimler-Ausstieg, der im Laufe dieses Jahres vollzogen werden soll, Mansour Ojjeh (ebenfalls 25 Prozent) und die Bahrain Mumtalakat Holding Company (50 Prozent).

Während Ex-Partner Mercedes nun mit zwei deutschen Fahrern sein eigenes Ding macht, jubelt McLaren darüber, die beiden letzten Formel-1-Weltmeister im Team zu haben, die noch dazu beide einen britischen Pass haben! Beim verbliebenen Hauptsponsor Vodafone schlackert man angesichts dieser Konstellation begeistert mit den Ohren. Finanziell muss man sich um McLaren also keine Sorgen machen - das Budget für 850 Mitarbeiter liegt weiterhin über 200 Millionen Euro.

Warum sich Jenson Button das "Champions-Dreamteam" antut, können nicht viele nachvollziehen. Der amtierende Weltmeister hätte ebenso gut im gemachten Brawn-, pardon, Mercedes-Nest bleiben können, entschied sich aber für den harten Weg, indem er zu McLaren wechselte. Dort ist Hamilton schon seit seinem Formel-1-Einstieg die heimliche Nummer eins, schließlich wurde der Button-Vorgänger als WM-Triumphator schon im Kindesalter von McLaren gefördert.

Mutiger Button fordert Hamilton heraus

Jenson Button

Jenson Button bei seinem ersten offiziellen Besuch in der McLaren-Fabrik Zoom

"Ich verstehe Jenson nicht ganz", wundert sich Surer über den schlagzeilenträchtigen Transfer von deutschen Mercedes-Werks- ins britische Mercedes-Kundenteam. "Natürlich will er der Welt beweisen, dass er auch gegen den Schnellsten antreten kann - und Lewis gilt als schnellster Fahrer im Feld -, aber ich hätte es an seiner Stelle nicht gemacht. Den Platz bei Mercedes freizugeben, ist für mich unverständlich."

Der Schweizer, früher selbst Grand-Prix-Pilot, glaubt nicht, dass Button Hamilton ernsthaft gefährden kann: "Man muss davon ausgehen, dass er zumindest die Trainingsduelle verlieren wird. Er ist beleidigt, weil die Leute sagen, er ist nur des guten Autos wegen Weltmeister geworden. Jetzt will er der Welt beweisen, dass er sogar Lewis schlagen kann. Dass er das zeigen will, spricht für ihn, aber wahrscheinlich geht der Schuss eher nach hinten los."

Aber Surer findet auch Argumente, die im Stallduell für Button sprechen: "Jenson ist ein 'Reifenflüsterer'. Das war 2009 ein Problem, weil er die Reifen manchmal nicht auf Temperatur bekommen hat. Mit den schweren Autos wird er meiner Meinung nach die Reifen schonender behandeln als Lewis und im Rennen sehr gut aussehen. Zumindest gibt es das Problem nicht mehr, die Vorderreifen auf Temperatur zu bekommen. Sein Hauptproblem ist also weg."

Erinnerungen an Prost vs. Senna

Ayrton Senna und Alain Prost

Erinnerungen an McLaren-Stallkriege: Senna vs. Prost in Suzuka 1989 Zoom

Wie auch immer der teaminterne Zweikampf ausgehen mag, werden sich die britischen Medien sehr dafür interessieren - vor allem dann, wenn es zu Spannungen kommen sollte. Zwei Weltmeister im McLaren, das gab es zuletzt 1989 mit Alain Prost und Ayrton Senna. Wie die Story damals ausgegangen ist, ist bekannt. Auch vor 21 Jahren herrschte zunächst große Harmonie, ehe sich die Spannungen entluden und zu einem "Kalten Krieg" führten.

Doch Prost und Senna fuhren annähernd auf dem gleichen Niveau, weshalb Surer davon ausgeht, dass die McLaren-Fahrer anno 2010 nicht explodieren werden: "Lewis hat in seinem ersten Jahr gegen einen Alonso gut ausgesehen. Es kann eigentlich nicht sein, dass ihm Jenson das Leben schwer machen wird! So einfach sehe ich das", findet er. "Ich glaube, er wird sich besser schlagen als erwartet, aber ein Problem mit der Hierarchie im Team sehe ich nicht."

Diese schlechten Vorzeichen legen den Schluss nahe, dass McLaren für Button nur eine Notlösung gewesen sein könnte, weil bei Mercedes schon Michael Schumacher in der Tür stand. Aber: "Nach meiner Information war es wirklich so, dass sich Jenson mit Ross Brawn zerstritten hatte, weil er eben heimlich mit McLaren verhandelt hat", nimmt Surer dem 30-Jährigen die Version vom freiwilligen Wechsel und der Suche nach einer neuen Herausforderung ab.

War Buttons Wechsel wirklich freiwillig?

Lewis Hamilton

Lewis Hamilton ist für unseren Experten Marc Surer klarer Favrit im Stallduell Zoom

"Das sah Brawn wohl als Vertrauensbruch: 'Wir haben dich zum Weltmeister gemacht und jetzt verhandelst du plötzlich mit McLaren!' Ich denke also schon, dass es Jensons Entscheidung war. Auch Brawn selbst sagt, dass sie erst später mit Michael verhandelt haben. Das glaube ich ihm auch, denn zu dem Zeitpunkt wusste er wohl noch nicht, ob Michael wirklich dazu bereit ist, wieder zu fahren", gibt Surer zu Protokoll.

Fest steht, dass für Button 2010 die Stunde der Wahrheit schlägt. Ist er ein verdienter Weltmeister oder hatte er den WM-Titel doch vor allem dem Auto zu verdanken? Referenz Hamilton wird die Antwort liefern - auch darauf, ob McLaren ohne Dennis immer noch gewinnen kann. Denn auch wenn dessen Nachfolger Martin Whitmarsh weiterhin einen hervorragenden Ruf genießt, ist doch Tatsache, dass es seit Dennis' Rückzug abwärts gegangen ist.

Insgesamt besteht freilich kein Zweifel an der McLaren-Struktur: Die Fabrik in Woking ist die beste und modernste der Welt, die wichtigsten Technikpositionen sind seit Jahren stabil und selbst personelle Verluste wie jene von Adrian Newey und Mike Coughlan konnten mühelos abgefedert werden. Neben Ferrari ist McLaren das einzige Team, das in der Formel 1 als "Bank" gilt. Dass "Banken" aber auch nicht mehr das sind, was sie einmal waren, hat man 2009 gesehen...


Fotos: McLaren, Testfahrten in Barcelona


Saisonstatistik 2009:

Team:

Konstrukteurswertung: 3. (71 Punkte)
Siege: 2
Pole-Positions: 4
Schnellste Rennrunden: 0
Podestplätze: 5
Ausfallsrate: 20,6 Prozent (8.)
Durchschnittlicher Startplatz: 10,1 (6.)
Testkilometer 2010: 6.088 (5.)
Testbestzeiten 2010: 3 (1.)

Qualifyingduelle:

Button vs. Barrichello: 7:10
Hamilton vs. Kovalainen: 12:5

Jenson Button (Startnummer 1):

Fahrerwertung: 1. (95 Punkte)
Gefahrene Rennen: 17/17
Siege: 6
Podestplätze: 9
Pole-Positions: 4
Schnellste Rennrunden: 2
Durchschnittlicher Startplatz: 5,7 (3.)
Bester Startplatz: 1.
Bestes Rennergebnis: 1.
Ausfallsrate: 5,9 Prozent (4.)
Testkilometer 2010: 2.881 (10.)
Testbestzeiten 2010: 1 (5.)

Lewis Hamilton (Startnummer 2):

Fahrerwertung: 5. (49 Punkte)
Gefahrene Rennen: 17/17
Siege: 2
Podestplätze: 5
Pole-Positions: 4
Schnellste Rennrunden: 0
Durchschnittlicher Startplatz: 9,3 (10.)
Bester Startplatz: 1.
Bestes Rennergebnis: 1.
Ausfallsrate: 11,8 Prozent (8.)
Testkilometer 2010: 2.862 (11.)
Testbestzeiten 2010: 2 (1.)