• 26.09.2002 12:24

  • von Fabian Hust

Ferraris Ross Brawn erklärt die Tücken von Indianapolis

Der Spitzname "Nudeltopf" gilt eigentlich nur für die endlosen Runden im Oval, die GP-Strecke hat ihre ganz eigenen Tücken

(Motorsport-Total.com) - Der Grand-Prix-Kurs von Indianapolis ist eigentlich eine Strecke, die aus zwei Strecken besteht. Zum einen besteht der Kurs aus dem berühmten Indy-500-Oval, der aus der Kurve eins und der langen Geraden besteht, die wiederum einen Teil der Steilwandkurve enthält. Allerdings fährt die Formel 1 andersherum als die CART-Boliden. Der andere Teile wurde speziell für die Formel 1 errichtet, er besteht aus einem engen Infield, das wegen der langsamen Kurven und den mangelnden Überholmöglichkeiten an Ungarn erinnert, wobei es hier sogar noch weniger Haftung gibt.

Titel-Bild zur News: Ross Brawn

Ross Brawn weiß, worauf es in Indianapolis ankommt

Aufgrund der Streckencharakteristik werden zwei verschiedene Setups benötigt: Eines für eine schnelle Runde im Qualifying und eines, das man für das Rennen verwendet, wo man etwas weniger Flügel einsetzt, um auf der langen Geraden nicht überholt zu werden. Dafür hat man dann jedoch im Infield zu kämpfen wohingegen man im Qualifying ruhig mit mehr Flügel fahren kann, dann sogar den Windschatten des eigenen Teamkollegen auf der Geraden nutzen kann.

Die erste Kurve sorgt für Überholmanöver

"Im Infield kann man nur sehr schwer überholen, auch wenn man also denkt, dass man das Auto für das Infield schneller macht, in dem man mehr Abtrieb sucht, kann man sich nicht zu viel leisten, um nicht die Höchstgeschwindigkeit auf der Geraden einzubüßen", erklärt Ross Brawn, der Technische Direktor von Ferrari. "Dies würde es anderen Autos erlauben, im Windschatten zu überholen und beim Anbremsen für Kurve eins vorne zu liegen, was die einzige gute Strecke zum Überholen auf dieser Strecke ist, da man einen weiten Kurveneingang und mehrere möglichen Linien in der Kurve hat."

Weiche Reifenmischung riskant aber notwendig

Die Schwierigkeit der Strecke wird noch weiter durch die Tatsache untermauert, dass der Asphalt im Infield nur sehr wenig Haftung bietet, weswegen es notwendig ist, einen weichen Reifen zu verwenden. Im Rennen kann aus diesem Grund eine starke Reifenabnutzung ein echtes Thema sein. Im letzten Jahr setzte Ferrari eine eher konservative, mittelharte Reifenmischung ein. In diesem Jahr plant man den Einsatz einer super-weichen und weichen Mischung, die von Bridgestone speziell für dieses Rennen entwickelt wurde und in der vergangenen Woche in Mugello ausprobiert wurde.

"Die fehlende Haftung und die Notwendigkeit, wenig Flügel zu fahren bedeutet, dass die Autos eine Menge herumrutschten und die Folge davon können eine starke Abnutzung der Reifen und Blasenbildung sein", erklärt Ross Brawn. "Im letzten Jahr hat McLaren die Chance genutzt und den schnelleren, weicheren Reifen benutzt. Sie haben gewonnen, die Reifen waren aber am Ende des Rennens bis auf die Karkasse abgenutzt."

Elektronisches Setup von immenser Bedeutung

Da die Fahrer im Rennen mit wenig Flügel fahren und deshalb im Infield zu kämpfen haben, gibt es für die Ingenieure viel Arbeit. So muss sichergestellt werden, dass die Traktionskontrolle perfekt funktioniert, das Differential perfekt abgestimmt ist, damit das Auto so wenig wie möglich rutscht und in Folge dessen die Reifen nicht überstrapaziert werden. So ist nicht nur die Flügelstellung für die Geschwindigkeit auf der Geraden verantwortlich, sondern auch das Herausbeschleunigen aus der letzten Kurve. Mangelt es hier an Traktion, kann ein Fahrer mit gleicher PS-Leistung und gleichem Luftwiderstand dennoch durch den Konkurrenten überholt werden.

"Als wir das erste Mal nach Indianapolis kamen, machten wir uns Sorgen über den Einfluss der Steilwandkurve in Bezug auf die Belastung der Aufhängungen, der Reifendrücke, et cetera, aber es erwies sich als kein Problem, da die Fahrer die Kurve locker voll fahren können und die Geschwindigkeiten nicht hoch genug sind, um für die Aufhängung oder die Reifen ein Problem darzustellen", so Brawn.

Lange Boxengasse als Strategie-Hemmer

Für die Fahrer ist der Kurs keine sehr große Herausforderung, für die Ingenieure dafür umso mehr. Zum Beispiel besitzt die Strecke die längste Boxengasse in der Formel 1, was die Strategie etwas einschränkt. In diesem Jahr wurde die Geschwindigkeitsbegrenzung jedoch von 80 auf 120 km/h erhöht, damit wieder eher verschiedene Strategien ermöglicht werden. Dennoch benötigen die Autos alleine für das Durchfahren 26 Sekunden ? ohne die Standzeit.

Da die lange Boxengasseneinfahrt lediglich von der Strecke durch einen schmalen Streifen Wiese getrennt ist, könnte es jedoch sein, dass man die Geschwindigkeitsbegrenzung wieder senkt ? aus Sicherheitsgründen. Das würde unweigerlich dazu führen, dass Teams ohne Reifenprobleme nur einmal an der Box Halt machen werden. Nur wer vielleicht im Feld fest hängt und nicht an der Konkurrenz vorbeikommt, könnte dann dennoch auf eine Zwei-Stopp-Strategie setzen.

Das Auto wird geschont ? abgesehen vom Motor

Mechanisch ist die Strecke zu den Autos nicht besonders hart, Bremsen und Getriebe werden nicht stark belastet und auch die Aufhängungen werden wegen des ebenen Asphalts und der harmlosen Randsteine geschont. Die lange Gerade kann jedoch den Motor an seine Grenzen bringen, der auf keiner Strecke so lange am Stück auf Volllast arbeitet wie hier. Im letzten Jahr musste Rubens Barrichello sein Auto nach einem Motorschaden zwei Runden vor Schluss abstellen.

Für die Ferrari-Ingenieure ist der Kurs von Indianapolis nach zwei Rennen dort kein Neuland mehr. In den letzten zwei Jahren konnte man einen Sieg und zwei zweite Plätze einfahren, was zeigt, dass man mit der Strecke gut zurechtkommt.