• 12.09.2008 12:49

Ein typisches Rennwochenende mit Luca Baldisseri

Ferraris Chefingenieur Luca Baldisseri erläutert den Ablauf eines Grand-Prix-Wochenendes und erklärt die Hintergründe zu jeder Session

(Motorsport-Total.com) - Ein Rennwochenende besteht nicht nur aus dem Grand Prix am Sonntag, denn bereits am Freitag legen die Teams den Grundstein für ein erfolgreiches Abschneiden im späteren Lauf zur Formel-1-Weltmeisterschaft. Ferraris Chefingenieur Luca Baldisseri kennt den Ablauf eines Weekends ganz genau und gibt einen Einblick in die Arbeit seines Rennstalls. Diese findet sowohl auf als auch abseits der Rennstrecke statt, denn in zahlreichen Meetings wird die beste Strategie für das Rennen ausgeknobelt.

Titel-Bild zur News: Ferrari

Luca Baldisseri erläutert, wie Ferrari ein Rennwochenende angeht

In insgesamt drei Freien Trainingssitzungen können Teams und Fahrer auf der Rennstrecke Erfahrungen machen und reichlich Daten sammeln, um anschließend über die besten Einstellungen für Qualifikation und Rennen zu beraten. Eine Schlüsselposition nimmt dabei freilich das Briefing mit den Ingenieuren ein, denn nur so kann das Setup optimal mit der Rennstrategie verknüpft werden.#w1#

Freitag: 1. und 2. Freies Training

"Am Freitagmorgen müssen wir berücksichtigen, dass die Streckenbedingungen sich sehr stark von denen unterscheiden werden, welche die Fahrer im Qualifying oder im Rennen vorfinden werden", beginnt Luca Baldisseri seine Ausführungen zum Rennwochenende. "Also führen wir nur einen Systemcheck durch und prüfen die Funktionalität aller Elemente. Für gewöhnlich ziehen wir dabei die härtere Reifenmischung auf, denn die Strecke ist meist noch ziemlich schmutzig. Es gibt kaum Grip und wir wollen vermeiden, dass wir die weichen Reifen zerstören."

"Das zweite Freie Training am Nachmittag hilft uns zu verstehen, in welche Richtung wir beim Rennsetup arbeiten müssen. Normalerweise sind beide Fahrer gleichzeitig aktiv und sie unterscheiden sich in ihrer Arbeitsweise nur wenig, wenn sie nicht gerade herumexperimentieren", meinte der Italiener. "Das kommt aber nur selten vor, denn dazu sind üblicherweise die Testfahrten da."

"Nach jeder Session erstellen wir mit den Fahrern eine Checkliste. Diese beinhaltet Punkte wie Beschleunigung, Bremsen und Getriebeübersetzung. Zehn Minuten später besprechen wir mit Bridgestone die Reifenlage. Wir wählen das Setup anhand eines Vergleichs zwischen unseren Checklisten und den Aussagen der Fahrer aus. Um 18:30 Uhr steht dann das Briefing mit den Piloten an, wobei wir das Programm für Samstag festlegen."

"Anschließend geht das Meeting ohne die Fahrer weiter und wir besprechen das Setup und die Einstellungen der Wagen", erklärte Baldisseri. "Wir nehmen noch einmal die Checklisten zur Hand und überprüfen den Motor, das Getriebe, die Bremsen und die Autosysteme - Schritt für Schritt. Zum Schluss haben wir noch ein Treffen mit Bridgestone, die uns mit den Reifendaten unserer Autos sowie einem Querschnitt durch die Daten der anderen Teams versorgen."

Samstag: 3. Freies Training und Qualifikation

"Im dritten Freien Training fahren wir einige Longruns, um das Setup des Autos mit Sprit zu überprüfen und wir simulieren ferner den ersten Teil des Rennens", beschrieb der Chefingenieur der Scuderia den Auftakt am Samstag. "Für gewöhnlich fahren einige Hinterbänkler auch mit sehr wenig Benzin an Bord, wohingegen die anderen Teams einen Kompromiss zwischen dem Speed für das Qualifying und der Konstanz für das Rennen finden müssen."

"In den zwei Stunden bis zur Qualifikation vergleichen wir die Daten von Freitag und Samstag, um die effizienteste Strategie zu finden. Die Entscheidung fällt dann erst im zweiten und dritten Teil des Qualifyings. Die Fahrer haben ein gewisses Rundenfenster, wo sie ihre Boxenstopps absolvieren können. Der schnellere Pilot im zweiten Abschnitt hat die erste Wahl. In Q3 fahren die Fahrer drei Runs à drei Runden, von denen einer schließlich gezeitet wird."

"Nach dem Qualifying haben wir ein Meeting mit den Piloten und ein weiteres Treffen, um die letzten Dinge zu besprechen und einen Blick auf die Zuverlässigkeit zu werfen. Dabei ziehen wir auch andere Informationen in Betracht, beispielsweise Daten von Testfahrten oder von Simulationen. Außerdem vergleichen wir die unterschiedlichen Charakteristiken des aktuellen Wagens mit denen aus dem Vorjahr."

Sonntag: Grand Prix

"Unser letztes Meeting findet drei Stunden vor Rennbeginn statt", schilderte Baldisseri die letzten Minuten vor dem Großen Preis. "Wir gehen verschiedene Szenarien durch und stellen Vermutungen über die Reifenabnutzung an. Wir wählen die Reifen anhand der Wettervorhersage und den Temperaturen aus. Natürlich fallen auch die Startpositionen ins Gewicht und wer vor und wer hinter uns liegt. Für den Rennstart haben wir auch verschiedene Strategien parat."

"Wir halten an unseren ursprünglichen Plänen fest, solange es keine größeren äußeren Einflüsse gibt - wie beispielsweise Unfälle, Safety-Car-Phasen oder Wetteränderungen. Nach dem Rennen steht das Debriefing an. Die Fahrer geben Auskunft über alle Facetten des Rennens. Das betrifft hauptsächlich das Fahrverhalten und die Reifenabnutzung. Das sind sehr wichtige Faktoren, die wir für kommende Rennen im Hinterkopf behalten müssen."