• 18.10.2011 11:52

Kaltenborn: "Grand Prix gut für Indien und gut für Formel 1"

Sauber-Geschäftsführerin Monisha Kaltenborn im Interview: Wie Formel 1 und Indien vom Grand Prix profitieren und welche Erinnerungen sie an das Land ihrer Geburt hat

(Motorsport-Total.com) - Monisha Kaltenborn ist Geschäftsführerin von Sauber und damit die einzige Frau in dieser Position in der Formel 1. Die gebürtige Inderin, die im vollen Namen Monisha Kaltenborn-Narang heißt, freut sich auf den ersten Grand Prix in ihrem Heimatland und spricht im Interview über ihre ganz persönlichen Erinnerungen an Indien, ihren Werdegang und die Bedeutung des Formel-1-Gastspiels für das Land und für die Königsklasse des Motorsports.

Frage: "Frau Kaltenborn, was bedeutet Ihnen der erste Große Preis der Formel 1 in Indien?
Monisha Kaltenborn: "Persönlich wird das für mich ein ganz spezielles Erlebnis, weil ich zum ersten Mal etwas Berufliches mit einem Besuch in meiner Heimat verbinde und das auch noch eingebettet in das Ereignis des ersten Grand Prix in Indien. Als CEO des Teams ist es immer sehr interessant, mit der Formel 1 in ein neues Land zu kommen, denn dabei eröffnen sich für ein Team neue Möglichkeiten."

Titel-Bild zur News: Monisha Kaltenborn

Die gebürtige Inderin Monisha Kaltenborn wartet gespannt auf ihr Heimrennen

"Neue Partnerschaften mit indischen Unternehmen können entstehen, und gleichzeitig erweitert sich die Plattform für die bestehenden Partner um einen bedeutenden Markt. Wir freuen uns sehr, dass wir in Amul eine der bekanntesten und stärksten indischen Marken für den Grand Prix gewonnen haben. Das hat für mich wiederum auch eine persönliche Komponente, denn natürlich verbinde ich Kindheitserinnerungen mit Amul-Produkten. Besonders die Butter mochte ich sehr."

Frage: "Wann und weshalb haben Sie Indien verlassen?"
Kaltenborn: "Meine Eltern und ich haben Indien 1979 verlassen, damals war ich acht Jahre alt. Es gab für uns keinen zwingenden Grund, auszuwandern. Allerdings waren damals die Möglichkeiten für eine weiterführende Ausbildung im Ausland viel besser, und diese Chancen wollten mir meine Eltern bieten. Ohnehin war unser Familienunternehmen, ein Zweirad-Vertrieb, nicht gerade das Steckenpferd meines Vaters."

"Neue Partnerschaften mit indischen Unternehmen können entstehen." Monisha Kaltenborn

"Naheliegend wäre gewesen, dass unsere neue Heimat für meine Ausbildung ein englischsprachiges Land würde, aber wir sind in Österreich hängengeblieben. Wien war die erste Station unserer Reise, weil der Onkel meines Vaters dort bei der Atombehörde arbeitete, und es hat uns dort gefallen. Ich habe gleich eine österreichische und keine internationale Schule besucht, weil meine Eltern es wichtig fanden, dass ich die Sprache richtig erlerne und mich in die Gesellschaft integriere."


Fotos: Hinter den Kulissen der Sauber-Fabrik


"In Wien habe ich dann auch mein Jura-Studium abgeschlossen und die österreichische Staatsbürgerschaft angenommen. Das hatte administrativ viele Vorteile, und außerdem verbindet mich natürlich auch mit diesem Land vieles, schließlich habe ich dort eine wesentliche Zeit meines Lebens verbracht. Ich bin auch heute noch österreichische Staatsbürgerin, obwohl ich in der Schweiz lebe und mit einem Deutschen verheiratet bin."

"Je näher der Grand Prix rückte, desto mehr Medienanfragen aus Indien erreichten uns." Monisha Kaltenborn

"Bestimmte Wörter in unserer Familie werden sogar nur auf Hindi benutzt. Es sagt zum Beispiel niemand Tee bei uns. Das ist Chai. Oder als die Kinder noch kleiner waren und von jemandem hoch auf den Arm genommen werden wollten, riefen sie immer ?godi', den Ausdruck haben dann sogar meine deutschen Schwiegereltern adaptiert."

Frage: "Waren Sie nach Ihrer Auswanderung nach Österreich noch häufig in Ihrer Heimat?"
Kaltenborn: "Ja, während der Schul- und Studienzeit war ich sehr regelmäßig dort. Und wir haben auch in Indien nach Hindu-Ritus geheiratet, das war ein großes, buntes und frohes Fest. Seit die Kinder da sind, wurden die Besuche etwas seltener, und seit 2010, seit ich als CEO auch bei jedem Grand Prix vor Ort bin, blieb bisher keine Zeit für eine Indienreise. Umso mehr freue ich mich jetzt darauf."

"Zudem ist Indien heute ein High-Tech-Standort mit hervorragend ausgebildeten Spezialisten. Der Grand Prix könnte ein Türöffner sein, damit mehr indische Ingenieure und Firmen den Weg in die Formel 1 finden. Ich denke, für beide Seiten, für das Land und für die Formel 1, ist die Zugehörigkeit zur Weltmeisterschaft stimmig."

Frage: "Verfügen Sie über Eigenschaften, die Sie für typisch indisch halten?"
Kaltenborn: "Ich habe eine gewisse Ruhe und Offenheit, was vielleicht typisch indisch ist. Ich kann Situation akzeptieren und annehmen. Es gibt immer wieder Szenarien, in denen Aufregung Energieverschwendung ist, weil man sie nicht ändern kann. Wichtig ist dann, sich darauf einzustellen, indem man sich anpasst und von dort aus entscheidet, wie man wieder vorwärts kommt."

"Als Team haben wir 2009 gravierende Einschnitte in sehr kurzer Zeit erlebt. Man musste das Geschehene möglichst schnell akzeptieren, um mit der neuen Situation umzugehen."

"Ich habe eine gewisse Ruhe und Offenheit, was vielleicht typisch indisch ist." Monisha Kaltenborn

"Anfang 2000 wechselte ich dann ganz zu Sauber und übernahm die Rechtsabteilung, ab 2001 war ich Mitglied der Geschäftsführung und dadurch in sämtliche internen Vorgänge sowie die Zusammenarbeit mit der FIA, der FOM und den anderen Teams involviert."

"Mittlerweile ist mir natürlich klar, dass dies nicht überall so selbstverständlich angenommen wird. Es würde mir Freude bereiten, wenn die Konsequenz daraus wäre, dass andere Frauen, die ein Interesse an unserem Sport hegen, durch dieses Beispiel in ihrer Zielsetzung bestärkt würden."

Frage: "Wie beurteilen Sie die Leistungen des Sauber-Teams 2011 bisher?"
Kaltenborn: "Grundsätzlich bin ich mit der Saison recht zufrieden, vor allem wenn man bedenkt, was wir seit 2009 alles zu überwinden hatten. Es war unser Ziel, uns 2011 gegenüber 2010 klar zu verbessern. Wir hatten eine insgesamt starke erste Saisonhälfte. In der zweiten Hälfte kamen dann verschiedene Faktoren zusammen, die uns Punkte kosteten und dazu führten, dass wir den zunächst erarbeiteten Vorsprung einbüßten."

Frage: "Welches sind die Ziele für die verbleibenden drei Rennen der Saison?"
Kaltenborn: "Ganz klar: Wir wollen den kürzlich abgegebenen sechsten Platz in der Weltmeisterschaft der Konstrukteure zurückholen."

Frage: "Was wünschen Sie sich vor dem ersten Großen Preis von Indien?"
Kaltenborn: "Ich wünsche mir, dass Indiens Formel-1-Debüt ein großartiges sportliches Ereignis wird und Sauber mit einer guten Vorstellung zur Begeisterung der Zuschauer beiträgt."