• 01.02.2008 12:50

Bell: Aerodynamik entscheidet über den Erfolg

Renaults Technischer Direktor Bob Bell im Interview über den neuen R28, die Änderungen in der Aerodynamik und das neue Fahrerduo

(Motorsport-Total.com) - Mit dem R28 und Rückkehrer Fernando Alonso möchte Renault wieder an alte gemeinsame Erfolge anknüpfen und wieder auf die Erfolgsspur einbiegen. Bob Bell, Technischer Direktor der Franzosen, sieht Potenzial im neuen Wagen und ist zufrieden mit der über den Winter geleisteten Entwicklungsarbeit.

Titel-Bild zur News: Bob Bell

Bob Bell und Renault wollen wieder nach ganz vorne fahren

Frage: "Bob, war eure Herangehensweise 2007 zu konservativ?"
Bob Bell: "Ich denke, das war sie vielleicht, ja. Aber es gab besondere Umstände, denn auf der einen Seite wurden viele Anstrengungen in den Titelkampf 2006 gesteckt, andererseits konnten wir bis zur tatsächlichen Benutzung nicht absehen, dass die Bridgestone-Reifen eine derart große Anzahl von Veränderungen nach sich ziehen würden - und da war's für den R27 freilich schon zu spät. Wir hatten auch einige Fehler in unseren Produktionsabläufen. Alle diese Faktoren bildeten die Wurzel allen Übels für die vergangene Saison, in der wir nicht konkurrenzfähig waren."#w1#

Renault folgt aerodynamischem Trend

"Wir haben in allen Bereichen sehr hart gepusht." Bob Bell

Frage: "Wie seid ihr also 2008 angegangen?"
Bell: "Zum einen haben wir die Probleme von 2007 hinter uns gelassen und wissen, dass unsere Design-Werkzeuge, wie beispielsweise der Windkanal, gute Arbeit leisten. Sicherzustellen, dass wir wieder zurück auf den rechten Weg finden, war im letzten Jahr ein wichtiger Bestandteil unserer Arbeit. Was das Design des Autos angeht, so haben wir die Probleme von Neuem betrachtet. Wir haben in allen Bereichen sehr hart gepusht und besonders in der Aerodynamik. Wir sind sehr zuversichtlich, dass sich die im Windkanal erzielten Fortschritte auch auf der Strecke bestätigen werden."

Frage: "Welche neuen Entwicklungsrichtungen habt ihr für den R28 eingeschlagen?"
Bell: "Wir haben vor allem der Front des Wagens erhöhte Aufmerksamkeit zukommen lassen, dabei hauptsächlich dem Frontflügel und der vorderen Aufhängung. Die Gestaltung der Aufhängung kommt dem nun sehr nahe, was gerade im Trend liegt: Die Nullkielvariante eröffnete uns für lange Jahre keinen richtigen Vorteil, aber in dieser Saison stellt er für uns eine Möglichkeit dar, das Maximale aus den Reifen herauszuholen."

"Das Aerodynamikteam hat sich besonders dem Heck gewidmet und das Bodywork sowie die hintere Aufhängung neu zugeschnitten. Aber wir haben uns trotz allem nicht von der Ausgangsbasis des Autos verabschiedet: Gewicht wurde rausgenommen und die Steifigkeit konnte erhöht werden. Die Realität der modernen Formel 1 ist allerdings, dass die Qualität der Aerodynamik über den Erfolg eines Wagens entscheidet - und genau darauf lag unser Hauptaugenmerk."

Frage: "Wurde die Gewichtsverteilung des Wagens dahin gehend verändert, dass die maximale Leistung aus den Reifen geholt werden kann?"
Bell: "Unsere vorherige Designphilosophie war für ein eher hecklastiges Gewichtsverhältnis ausgerichtet, was sich mit einer auf das Heck bezogenen Aerodynamikbalance deckte. Die Bridgestone-Reifen verlangen in diesem Bereich eine erhebliche Vorwärtsverlagerung. Diese Charakteristik haben wir beim diesjährigen Aeropaket ausgenutzt."

Frage: "Was war die größte Schwierigkeit bei der Umstellung auf die Einheitselektronik?"
Bell: "Von außen betrachtet kann diese Veränderung täuschen: Es ist nämlich weit entfernt von 'einstecken und einschalten'. Nicht nur die Hardware im Auto hat sich verändert, sondern auch alle Systeme in- und außerhalb des Wagens sowie unsere Analysetechniken wurden entweder modifiziert oder komplett umgebaut. Wir haben über ein Jahr lang daran gearbeitet und haben eine Menge Arbeit investiert, um die Systeme einsatzfertig zu bekommen. Aber wir haben den Übergang erfolgreich gemeistert."

Haltbares Getriebe als neue Herausforderung

"Wir kommen mit den Änderungen sehr gut zurecht." Bob Bell

Frage: "Welche Auswirkungen hatte dies auf das Design des R28?"
Bell: "Natürlich hat der Verlust von Systemen wie Traktionskontrolle und Motorbremse einen großen Einfluss darauf, wie sich das Auto auf der Strecke verhält. Das hat nicht die zugrunde liegende Designstruktur beeinflusst, wird sich aber stark auf das Setup auswirken. Wir kommen mit diesen Änderungen sehr gut zurecht, doch der neue Wagen verhält sich ziemlich anders als sein Vorgänger, sodass wir schlicht noch mehr Testkilometer brauchen, um eine genaue Antwort darauf zu bekommen."

Frage: "Das neue Vier-Rennen-Getriebe ist eine weitere gewichtige Neuerung. Wie habt ihr das angepackt?"
Bell: "Das ist eine weit weniger entscheidende Veränderung als die Standardelektronik, aber trotzdem eine wichtige, weil moderne Formel-1-Getriebe grundsätzlich defektanfällig sind. Außerdem hängt ihr erfolgreicher Betrieb stark vom Schnittpunkt zwischen mechanischen Komponenten und den Kontrollsystemen ab. Wir haben uns sehr darauf konzentriert, die nötige Zuverlässigkeit ohne Abstriche bei der Performance zu generieren, und haben uns speziell auch die von der ECU (Electronic Control Unit; Anm. d. Red.) erlaubten Kontrollsysteme genau angeschaut."

Frage: "Sag uns was über die Fahrer aus einer technischen Perspektive..."
Bell: "Fernando (Alonso; Anm. d. Red.) ist eine bekannte Größe für das Team: Wir wissen, dass er Rennen und auch Titel gewinnen kann, wenn er das richtige Auto hat. Das hilft uns natürlich sehr, um uns auf unsere Leistungsentwicklung zu konzentrieren. Ein zusätzlicher Vorteil dabei ist im Gegensatz zu anderen Piloten, dass seine Eingliederung ins Team sehr leicht vonstattengehen wird. Nesinho (Piquet; Anm. d. Red.) dagegen ist in Formel-1-Kreisen ein unbeschriebenes, aber sehr interessantes Talent. Seine Leistungen in den Nachwuchsformeln haben große Hoffnungen geweckt und er hat seinen festen Platz im Team. Ich denke, das ist eine sehr ausgewogene Fahrerpaarung."

Frage: "Worauf bist du am meisten stolz beim neuen Auto?"
Bell: "Ich persönlich halte die in den R28 gesteckte Arbeit und den Einsatz dabei für am wichtigsten. 2007 war ein schwieriges Jahr, weil wir nicht konkurrenzfähig waren, weil wir vor das World Council zitiert wurden und auch weil wir großen Wert auf die Leistung des neuen Autos gelegt haben. Damit haben wir uns im Projektmanagement selbst eine große Herausforderung gesetzt. Das Team hat diese Situation gemeistert und kommt mit erhobenem Haupt heraus, mit guter Moral und einer klaren Zielsetzung. Ein Blick auf den R28 genügt, um die Anstrengungen zu erkennen, die in jeden Bereich geflossen sind. Und es ist ein Auto, auf das wir stolz sein können."

Frage: "Wird das auch ein Auto sein, das Renault zurück an die Spitze bringt?"
Bell: "Das ist, was wir uns vorgenommen haben."