• 26.09.2009 11:57

  • von Christian Nimmervoll & Dieter Rencken

Artikel 179.b), Massa und der WM-Titel

Obwohl Renault den Grand Prix von Singapur manipuliert und damit den WM-Ausgang 2008 beeinflusst hat, blieben die Ergebnisse unangetastet

(Motorsport-Total.com) - Heute wissen wir: Das Renault-Team hat den Grand Prix von Singapur 2008 manipuliert. Fakt ist: Zum Zeitpunkt vor der Manipulation lag Felipe Massa sicher in Führung, am Ende ging er jedoch wegen eines verpatzten Boxenstopps - eine direkte Folge der Hektik wegen der Safety-Car-Phase - leer aus, während sein WM-Rivale Lewis Hamilton Dritter wurde. Am Ende wurde Hamilton mit einem Punkt Vorsprung Weltmeister.

Titel-Bild zur News: Felipe Massa

Felipe Massa hat in Singapur 2008 möglicherweise den WM-Titel verloren

Seit Bekanntwerden der "Crashgate"-Affäre diskutieren Fans auf der ganzen Welt darüber, ob man das Ergebnis von Singapur und damit auch den Ausgang der Weltmeisterschaft nicht nachträglich verändern könnte. Nico Rosberg hätte man beispielsweise zum Grand-Prix-Sieger erklären können, Massa zum Champion. Absurd? Mag sein. Unmöglich? Ja, denn: Laut FIA-Statuten steht das Ergebnis einer Weltmeisterschaft nach dem 30. November eines Jahres unwiderruflich fest.#w1#

Oder doch nicht? FIA-Präsident Max Mosley erklärt die fehlende Möglichkeit, Ergebnisse ein Jahr später zu revidieren oder zu annullieren, mit Artikel 179.b) des Internationalen Sportkodexes. Dieser besagt, dass mit dem 30. November eigentlich alles gegessen sein sollte, doch ein Schlupfloch in der Formulierung lässt eine Hintertür für nachträgliche Ergebnisänderungen offen. Rein theoretisch hätte man also Singapur sehr wohl annullieren und Massa zum Weltmeister machen können.

Artikel 179.b) besagt wörtlich: "Wenn bei Veranstaltungen, die Teil einer FIA-Meisterschaft sind, neue Beweise entdeckt werden, müssen sich die Rennkommissare oder von der FIA designierte Ersatzkommissare unabhängig davon, ob die Rennkommissare schon ein Urteil gefällt haben oder nicht, an einem unter ihnen vereinbarten Termin treffen und die betroffenen Parteien hinzuziehen, um alle relevanten Erklärungen anzuhören und vor dem Hintergrund aller Beweise ein Urteil zu fällen."

Das bedeutet vereinfacht formuliert, dass die Rennkommissare eine neue Entscheidung treffen dürfen, wenn in einem bestimmten Fall neue Beweise ans Licht kommen, was bei "Crashgate" bekanntlich der Fall war. In der Folge bezieht sich Artikel 179.b) auf das Recht, gegen eine solche Entscheidung Protest einzulegen. Dieses verfällt am 30. November: "Der Zeitraum, in dem ein schwebender Protest eingebracht werden kann, endet am 30. November des aktuellen Jahres."

Liest man Artikel 179.b) also nicht nur flüchtig, sondern mit der Sorgfalt eines Juristen, dann kommt man zu dem Schluss, dass am 30. November nur das Recht verfällt, gegen eine neue Entscheidung der Rennkommissare Protest einzulegen, nicht jedoch die Möglichkeit, auf Basis eines Urteils der Rennkommissare und des Motorsport-Weltrats Ergebnisse des Vorjahres nachträglich zu ändern. Ob dies dem Sport gut tun würde oder nicht, sei dahingestellt.

¿pbvin|512|1994||0|1pb¿Ursprünglich wurde Artikel 179.b) des Internationalen Sportkodexes aufgesetzt, um zu verhindern, dass der Grand-Prix-Sport durch nachträgliche Ergebnisänderungen zu einer Farce verkommen kann. Es ist für eine seriöse Rennserie wichtig, dass die Geschichtsbücher nicht alle paar Jahre geändert werden, denn auch in den angeblich ach so sportsmännischen 1960er- und 1970er-Jahren gab es bestimmt viele Leichen im Keller, die bis heute nie Tageslicht gesehen haben...

Artikel 179.b) im englischen Original:

Right of review

If, in events forming part of an FIA Championship, a new element is discovered, whether or not the stewards of the meeting have already given a ruling, these stewards of the meeting or, failing this, those designated by the FIA, must meet on a date agreed amongst themselves, summoning the party or parties concerned to hear any relevant explanations and to judge in the light of the facts and elements brought before them.

The right of appeal against this new decision is confined to the party or parties concerned in accordance with the final paragraph of Article 180 and the following Articles of this Code.

Should the first decision already have been the subject of an appeal before the National Court of Appeal or before the International Court of Appeal, or successively before both of these courts, the case shall be lawfully submitted to them for the possible revision of their previous decision.

The period during which an appeal in review may be brought expires on 30 November of the current year.