• 25.03.2010 11:07

  • von Dieter Rencken

Alonso: "Alles ist offen"

Ferrari-Pilot Fernando Alonso im Interview über das Rennen in Bahrain, die Show der Formel 1 und die gelegentlichen Besuche von Michael Schumacher

(Motorsport-Total.com) - Vor knapp zwei Wochen hat Fernando Alonso den Großen Preis von Bahrain für sich entschieden und damit einen optimalen Start in die neue Formel-1-Saison erwischt. Wenige Stunden vor dem Trainingsauftakt in Australien stapelt der spanische Rennfahrer allerdings bewusst tief und möchte keine genaue Prognose zum Rennwochenende in Melbourne abgeben. Im seiner Medienrunde spricht Alonso unter anderem über den Benzinfaktor, die vermeintliche Langeweile und das Safety-Car.

Titel-Bild zur News: Fernando Alonso

Fernando Alonso möchte in Australien an das Rennen von Bahrain anknüpfen

Frage: "Fernando, warst du dir dessen bewusst, als du in der Startaufstellung standst, dass Red Bull mit einem leichteren Auto ins Rennen gehen würde?"
Fernando Alonso: "Nein, nicht wirklich. Wenn wir in der Startaufstellung stehen, dann wissen wir nicht, wie viel Benzin die anderen an Bord haben. Wir bereiten uns selbst einfach bestmöglich für das Rennen vor. Ob sie leichter gestartet sind als wir, weiß ich nicht."#w1#

Der Spritverbrauch als Schlüssel zum Erfolg

Frage: "Es heißt, dass der Motor von Red Bull etwas spriteffizienter sein soll. Red Bull wäre am Start etwa sechs Kilogramm leichter gewesen als Ferrari. Könnte das der Grund gewesen sein, weshalb ihr bis spät im Rennen gewartet habt, um eine Attacke zu fahren?"
Alonso: "Nein. Ich denke, die Gerüchte um die Spriteffizienz und den Benzinvorteil von sechs oder zehn Kilogramm bei Red Bull sind nur Gerüchte."

"Wir sind sehr zufrieden damit, was wir im Winter gemeinsam mit Shell erreicht haben." Fernando Alonso

"In meinen Augen ist niemand dazu in der Lage, sein Geld darauf zu verwetten, wer am Start von Bahrain das leichteste Auto hatte. Vielleicht gibt es diesbezüglich einige Überraschungen. Darauf konzentrieren wir uns nicht. Wichtig ist unser eigener Spritverbrauch. Wir sind sehr zufrieden damit, was wir im Winter gemeinsam mit Shell erreicht haben."

"Ich denke, ich hätte Vettel während des gesamten Rennens attackieren können. Anfangs war das nicht möglich, denn in dieser Phase war er definitiv schneller als ich. Das war auf den weichen Reifen. Mit den harten Reifen schien ich schließlich etwas besser klarzukommen. Vielleicht war das aber auch eine Phase des Rennens, in der er den Grand Prix einfach nur verwaltet hat."

"Das ist immer etwas schwer zu sagen. Wir hatten schlichtweg das Glück, dass wir nach seinem Problem das Rennen gewinnen konnten. Hoffentlich können wir beim nächsten Mal vor ihm losfahren, dann müssen wir nicht auf ein Problem bei ihm warten."

Ist Red Bull derzeit die Nummer eins?

Frage: "Nach dem ersten Rennen hast du gesagt, dass du Red Bull einen Tick vor Ferrari siehst. Wo siehst du die Vorteile von Red Bull und in welchen Bereichen hat Ferrari deiner Meinung nach einen Vorteil?"
Alonso: "Ich weiß es nicht. Wir brauchen sicherlich noch ein paar weitere Rennen, um ein komplettes Bild der Lage zu haben. Ich denke noch immer: In Bezug auf die Leistung ist Red Bull im Augenblick etwas vor allen anderen."

"Wir werden versuchen, sie wieder maximal unter Druck zu setzen." Fernando Alonso

"Das ist aber auch keine große Überraschung, denn sie haben 2009 sehr stark beschlossen. Sie haben im Prinzip diesen Schwung mitgenommen. Es ist aber eine Sache, das schnellste Auto zu haben, und eine andere, das Rennen zu beenden. Wir werden auf jeden Fall versuchen, sie wieder maximal unter Druck zu setzen."


Fotos: Fernando Alonso, Großer Preis von Bahrain


"Das wird sich möglicherweise von Strecke zu Strecke etwas verändern, was wir so auch schon im vergangenen Jahr gesehen haben. Manchmal war Brawn überaus stark, bei anderen Gelegenheiten hatten sie Schwierigkeiten. Hoffentlich können wir hier in Australien eine starke Leistung zeigen und um den Sieg kämpfen."

Wie wird das Rennen in Melbourne? Abwarten!

Frage: "In Bahrain haben die Reifen länger gehalten als viele Leute erwartet hatten. Womit rechnest du hier in Australien in Bezug auf den Reifenhaushalt? Dieser Stadtkurs ist anfangs recht grün - wie wird sich die Lage am Rennsonntag gestalten? Wird Melbourne härter zu den Reifen sein?"
Alonso: "Das müssen wir abwarten. Im vergangenen Jahr wurden die Reifen in Melbourne überaus stark beansprucht."

"Die Entwicklung der Strecke nimmt natürlich eine Schlüsselrolle ein." Fernando Alonso

"In diesem Jahr sind die Pneus aber drei bis vier Grade härter als noch 2009. So gesehen sollte es etwas besser sein. Die Entwicklung der Strecke nimmt natürlich eine Schlüsselrolle ein. Wenn wir ein normales Wochenende ohne Regen haben, dann sollte die Strecke in einem ordentlichen Zustand sein. Hoffentlich haben wir weniger Probleme als in Bahrain - auch wenn es in Bahrain im Prinzip okay war."

Frage: "Du sagtest, du hättest Vettel in Bahrain attackieren können. Ist das eine Antwort auf den Vorwurf, dass das Rennen langweilig war und dass die Formel 1 langweilig geworden ist?"
Alonso: "Nein, das denke ich nicht. Wir müssen einfach Ruhe bewahren. Wir sollten uns erst einmal einige Rennen ansehen, um zu sehen, ob die neuen Regeln wirklich einen Einfluss auf die Show haben."

"2009 hat Jenson von den ersten sieben Rennen sechs oder sieben gewonnen. War das langweilig?" Fernando Alonso

"Ich sehe nicht, dass sich die Show deswegen verändert hat. 2009 hat Jenson von den ersten sieben Rennen sechs oder sieben gewonnen. War das langweilig? Vielleicht ja, vielleicht nein. Das ist nun einmal die Formel 1. Michael hat seinerzeit fünf Jahre hintereinander den Fahrertitel geholt. War das vielleicht langweilig? Vielleicht ja, vielleicht nein. So ist die Formel 1."

"Wenn du immer ein spannendes Rennen sehen willst, immer eine Safety-Car-Phase, dann wäre das nicht mehr die Formel 1. Hier geht es um Technologie und Präzision, sowohl bei den Fahrern als auch beim Team, den Ingenieuren und den Technikern - einfach überall. Wenn die Leute eine bessere Show wollen, dann sollten sie sich überlegen, ob sie sich die Formel 1 anschauen wollen."

Michael Schumacher ist noch immer ein Topfahrer

Frage: "Als Michael Schumacher in Bahrain in die Formel 1 zurückkehrte, war er in allen Sessions langsamer als sein Teamkollege. Denkst du, er wird irgendwann wieder der alte sein?"
Alonso: "Ja. Glücklicherweise liegen zwei Wochen zwischen dem ersten und dem zweiten Rennen. Da kann man sich über viele Dinge unterhalten und manches richten. Wir haben gerade einmal ein Rennen gesehen."

"Wir müssen die neuen Regeln vollkommen verstehen und auch, ob die Show gut genug ist oder nicht." Fernando Alonso

"Wir müssen erst einmal erkennen, wie gut die Leistung der einzelnen Autos ist und wer wirklich schnell ist. Wir müssen die neuen Regeln vollkommen verstehen und auch, ob die Show gut genug ist oder nicht. Wir müssen auch in Bezug auf die Reifen und die Strategie noch mehr Erfahrungen sammeln. Das gilt auch im Hinblick auf Michael. Wird er wieder stark sein? Wer weiß das schon?"

"Warum nicht? Er wird immer das Talent und die Fähigkeit haben, ein Formel-1-Auto zu bewegen. Ich rechne in dieser Saison mit einem starken Michael. Noch ist erst ein Rennen absolviert. Nach drei bis vier Grands Prix können wir diese Frage sicherlich etwas besser beantworten. Aktuell ist im Prinzip alles so wie vor Bahrain. Alles ist offen - auch hier in Australien."

Frage: "Am Mittwoch kam Schumacher auf eine Stippvisite in der Ferrari-Hospitality vorbei. Wie war das für dich?"
Alonso: "Naja, das ist ja eigentlich nichts Neues. Er ist ja schon bei den Wintertests hin und wieder vorbeigekommen. Dabei ging es ihm ums Essen. Es scheint so, als hätte Ferrari aktuell die bessere Küche."¿pbvin|512|2558|inside|0|1pb¿

Die Neulinge sind die Zukunft der Formel 1

Frage: "Was hältst du von den Formel-1-Neulingen und speziell von Vitaly Petrov, der für das Renault-Team an den Start geht?"
Alonso: "Ich denke, in der Formel 1 spielt jeder eine wichtige Rolle. Für die mediale Aufmerksamkeit und für die Fans sind die großen Namen natürlich überaus wichtig. Große Bedeutung kommt aber auch den neuen Fahrern zu, denn sie sind ebenfalls ein wesentlicher Bestandteil der Formel 1."

"Einige der neuen Piloten werden in den kommenden Jahren vielleicht große Champions sein." Fernando Alonso

"Einige der neuen Piloten werden in den kommenden Jahren vielleicht große Champions sein. Vitaly ist absolut willkommen hier und wir freuen uns sehr darüber, einen russischen Fahrer in der Formel 1 zu haben. Bei Renault wird er gewiss eine gute Zeit haben. Ich kenne das Team ja sehr gut. Gemeinsam mit Kubica kann er in diesem Umfeld wachsen. Vitaly hat einen erfahrenen Stallgefährten."

Frage: "Manche Experten meinen, dass zwei Pflicht-Boxenstopps schon beim Rennen in Bahrain einen Unterschied gemacht hätten. Wie stehst du zu dieser Geschichte?"
Alonso: "Das ist schwierig zu wissen und schwierig zu beantworten. Ich sehe das nicht so. Wenn du zweimal an die Box kommst, dann wird die Reihenfolge ziemlich gleich bleiben."

"In diesem Jahr bestreiten wir die Qualifikation mit sehr wenig Sprit, dementsprechend dürfte das schnellste Fahrzeug auf die Pole-Position fahren. Wer soll diesen Kerl also im Rennen überholen? Niemand natürlich. In diesem Jahr ist es halt so, dass die schnelleren Autos von den besseren Positionen ins Rennen gehen."

"Es war ja nicht so, dass jeder für sich unterwegs war." Fernando Alonso

"Danach ist es schwierig, kreativ zu sein, oder eine Strategie zu entwerfen, welche die Reihenfolge komplett durcheinander wirbelt. Aber so ist die Situation nun einmal. Ich habe mir das Rennen von Bahrain als Aufzeichnung angesehen. Für mich war das nicht unbedingt ein Rennen. Es war ein Kampf zwischen Vettel und den zwei Ferraris."

"Dahinter gab es in der Anfangsphase ein Duell zwischen Hamilton und Rosberg, in der Schlussphase beharkten sich Michael, Jenson und Webber. Es war ja nicht so, dass jeder für sich unterwegs war. Wir haben schon einige Kämpfe gesehen, aber halt keine Überholmanöver. Das ist aber nichts Neues. Dass nicht überholt wird ist schließlich etwas vollkommen Normales, wenn man die vergangenen 15 Jahre betrachtet."

Alonso wartet erst einmal ab

Frage: "Du hast schon nach Bahrain gesagt, dass sich die Rennen 2010 mehr oder weniger bereits nach der Qualifikation und in der ersten Kurve entscheiden könnten. Liegt daher der Fokus der Entwicklung etwas mehr auf der Leistung über die eine schnelle Runde?"
Alonso: "Natürlich ist die Leistung auf einer schnellen Runde sehr wichtig. Darum kümmert man sich logischerweise."

"Bahrain war nur das erste Rennen dieser Meisterschaft." Fernando Alonso

"Die Geschwindigkeit im Rennen ist aber ebenfalls von großer Bedeutung. Bahrain war nur das erste Rennen dieser Meisterschaft. Hier in Australien haben wir schon einige sehr spezielle Rennen gesehen. In Melbourne ist beispielsweise die Chance recht groß, dass wir eine Safety-Car-Phase erleben."

"Es kommen auch noch Strecken, wo wir Überholmöglichkeiten haben werden - so wie Malaysia zum Beispiel oder China. Uns stehen in dieser Phase der Meisterschaft einige sehr interessante Rennen bevor. Nach diesen Grands Prix werden wir einen viel besseren Eindruck davon haben, ob wir eine unterhaltsame Show bieten können oder nicht."