Großteil der Fahrer befürworten Tankstopps, aber...

Warum sich die meisten Fahrer zwar für eine Rückkehr der Tankstopps und schnellere Autos aussprechen, die Priorität aber woanders liegen sollte

(Motorsport-Total.com) - Das Treffen der Strategiegruppe vergangene Woche brachte ein interessantes Ergebnis: Die Tankstopps, die erst 2010 aus der Formel 1 verbannt worden waren, sollen ab 2017 wieder eingeführt werden. Zudem will man den Sound verbessern, bulligere Reifen und ein aggressiveres Design einführen und die Boliden um fünf bis sechs Sekunden schneller machen. In den Fanforen wurden die Vorschläge teils positiv aufgenommen, Kritiker sehen diese als Lippenbekenntnisse oder gar als Themenverfehlung, weil man das wahren Problem Einnahmenverteilung erneut stiefmütterlich behandelte.

Titel-Bild zur News: Kimi Räikkönen, Tankstopp

Die Tankstopps wurden Ende 2009 verbannt, kehren sie nun zurück? Zoom

Doch wie sehen die Piloten die geplanten Änderungen? Sie waren es, die sich in den vergangenen Jahren darüber beschwert hatten, dass die Autos zu wenig herausfordernd seien und man zu achtsam mit dem Material umgehen muss. "Vor ein paar Jahren haben wir das Nachtanken verbannt, jetzt holen wir es zurück", zeigt sich der viermalige Weltmeister Sebastian Vettel verwundert. "Man muss nicht alles verstehen."

Der Ferrari-Pilot, der sich immer wieder negativ über das Reifenschonen äußerte, sieht aber auch einen positiven Aspekt: "Als Fahrer kann man schnellere Runden drehen, wenn man das Auto auftanken kann, also ist es besser. Ich finde die Entscheidung also gut."

Selbst Verstappen wünscht sich mehr Herausforderung

Doch wie sieht dies ein junger Fahrer, der sich erst an die Formel 1 gewöhnt? Ist die Königsklasse des Motorsports selbst für ihn zu langsam geworden? Einer, der diese Frage beantworten kann, ist der 17-jährge Toro-Rosso-Rookie Max Verstappen, der davor nur ein Jahr im Formelsport absolviert hat.

"Ich finde, dass wir derzeit in den Rennen etwas zu langsam sind", stimmt auch der Niederländer in den Tenor ein. "Ich finde die Vorschläge also auch gut. Derzeit kann man in den Rennen nicht wirklich pushen, sondern muss immer alles kontrollieren. Es wäre schön, wenn man das Auto im Rennen wie im Freien Training oder im Qualifying fahren kann. Auch die Show in den Rennen würde dadurch besser werden."

Max Verstappen

Max Verstappen bei seinem Einsatz im Freien Training in Suzuka 2014 Zoom

Als der Youngster im Vorjahr im Freien Training in Suzuka seine ersten Formel-1-Erfahrungen sammelte, da war die Umstellung für den damaligen Formel-3-Piloten dennoch eine Herausforderung. "Es war ein Schock, vor allem wegen der neuen Aerodynamik, die für eine enorme Höchstgeschwindigkeit sorgt", gibt er zu. "Ich musste mich erst daran gewöhnen, vor allem in Suzuka, was zum Anfangen eine sehr schwierige Strecke ist. Das war sehr beeindruckend. Bei den Wintertests gewöhnt man sich aber schnell, und dann will man, dass es immer schneller wird."

Red-Bull-Kollege Daniel Ricciardo stimmt mit Verstappen überein, dass das Formel-1-Fahren heute nach wie vor kein Kinderspiel ist: "Wir schwitzen noch immer und fühlen uns wie nach einem Workout, aber ein bisschen mehr würde es zur Herausforderung machen." Daher sagt: "Physisch und psychisch muss alles etwas härter werden, damit sich die Spitzenfahrer von den übrigen abheben können. Es wäre einfach mehr eine Belohnung."

Machen Tankstopps die Strategien interessanter?

Wie Verstappen ebenfalls erst seit kurzem in der Formel 1 ist der brasilianische Sauber-Pilot Felipe Nasr. Auch er stellt sich hinter eine Rückkehr der Tankstopps: "Mit den vollen Tanks wirkt es recht langsam, weil so viel Sprit an Bord ist. Mit weniger Sprit reagiert das Auto besser, in der Bremszone und bei der Geschwindigkeit verändert sich auch etwas." Außerdem erhofft er sich mehr Spannung: "Die Teams erhalten mit den Tankstopps ein zusätzliches Instrument, um mit der Strategie zu spielen."

Damit hat er die gleiche Meinung wie der zweimalige Weltmeister Fernando Alonso, der seit mehr als einem Jahrzehnt in der Formel 1 am Start ist. Er holte seine zwei Titel 2005 und 2006 - also in Zeiten, als das Nachtanken noch erlaubt war. "Wenn man selbst entscheiden kann, mit wie viel Sprit man ins Rennen geht, dann kann das helfen", sagt er. "Ich erinnere mich, dass ich 2003 einige Pole-Positions geholt habe, aber nur halb so viel Sprit wie die anderen an Bord hatte. In den ersten zehn Runden führt man dann das Feld an, und es könnte zu regnen beginnen, das Safety-Car könnte herauskommen. Es könnten viele Dinge passieren, die dein Wochenende verändern können."

Fernando Alonso

Crashgate 2008: In Singapur nutzte Alonso die Tankstrategie zum umstrittenen Sieg Zoom

Alonso muss es wissen, schließlich holte er 2008 in Singapur den Sieg, weil Teamkollege Nelson Piquet mit seinem von der Box befohlenen Crash nach dem Stopp des Spaniers eine Safety-Car-Phase auslöste. Heute fehlt seiner Ansicht nach das Überraschungsmoment. "Wenn du mir ein Blatt Papier gibst, dann schreibe ich dir die Startaufstellungen für hier, Kanada und Österreich auf - und ich werde mich nur bei ein oder zwei Positionen irren", bietet er an. "Das wollen die Fans nicht."

Massa fordert: Nicht auf die Zuschauer vergessen!

Ein Pilot, der wegen der Crashgate-Affäre in Singapur 2008 die WM verloren hat, weil in der von Piquet ausgelösten Safety-Car-Phase der Tankstopp missglückte, ist Felipe Massa. Trotzdem verflucht er das Nachtanken nicht: "In Singapur war nicht das Nachtanken das Problem, sondern der Mechaniker, der den Knopf zur falschen Zeit gedrückt hat. Das größte Problem war, dass es ein gefälschtes Rennen war."

Er steht einer Rückkehr der Tankstopps ebenfalls positiv gegenüber: "Ich mag die Überlegung, weil das Auto schneller wird dadurch." Er hält dies aber nicht für die Lösung aller Probleme. Vor allem die Zuschauer dürfen seiner Meinung nach nicht außer Acht gelassen werden: Zudem warnt er vor einer Verklärung der auch nicht immer glorreichen Vergangenheit.

"Früher mit dem vielen Abtrieb haben wir kaum Überholmanöver gesehen, da hilft das DRS jetzt schon", bricht er eine Lanze für den verstellbaren Heckflügel. "Was auch wichtig ist: der Sound. Wenn du ein oder zwei Sekunden schneller bist, verstehen das die Leute auf den Tribünen nicht. Sie sehen nur, ob es interessanter ist oder nicht." Daher fordert er, dass zukünftige Reformen "anständig umgesetzt werden".

Überholmanöver sollten Priorität haben

Nico Hülkenberg, der beim 6-Stunden-Rennen von Spa-Francorchamps die Formel 1 mit seinem Porsche-WEC-Boliden vergleichen konnte, warnt wie Massa vor einem Schnellschuss. "Die Formel 1 ist die Königsklasse des Motorsports, sie muss wieder etwas schneller werden und sich von der GP2 mehr abheben", lautet sein Wunsch. Zudem spricht er sich für lautere Motoren aus.

Wichtig seien aber nicht Nebenaspekte wie Tankstopps, sondern die Rad-an-Rad-Action auf der Strecke: "Die Formel 1 wird sehr von der Aerodynamik bestimmt, aber das macht es für das nachfolgende Auto sehr schwierig", erklärt der Force-India-Pilot. "Es wäre großartig, wenn die Autos schnell bleiben und das Aero-Element bestehen bleibt, aber Überholmanöver einfacher werden und konstanter möglich sind."

Lewis Hamilton, Nico Rosberg

Zweikämpfe werden durch die Rückkehr der Tankstopps nicht unbedingt erleichtert Zoom

Red-Bull-Pilot Daniil Kwjat sieht dies ebenfalls als schwierigen Spagat an: "Würden nur die Fahrer entscheiden, gäbe es wohl sehr viel schnellere Aerodynamik am Auto. Aber wir müssen die Action interessant gestalten. Zweikämpfe sind Teil dessen." Teamkollege Ricciardo bringt diesbezüglich die Reifen ins Spiel. Mehr mechanischer Grip durch die Pneus wäre seiner Meinung nach ein Rezept gegen die Luftverwirbelungen durch den Vordermann: "So könnte man auch auf Abschnitten mit höherer Geschwindigkeit noch hinterherfahren."